Blücherstraße? Yorckstraße? Preußische Generäle, Kolionalherren? Zum Glück hat die Berliner Senatsverwaltung gehandelt. Jetzt können wir alle wieder beruhigt Lastenfahrrad treten.
Kennen Sie dieses unangenehme Gefühl? Sie haben sich gerade auf Ihr Lastenfahrrad geschwungen, um Ihre Kinder Greta und George Floyd in die Kita zu fahren, nichts Böses denkend und mit sich selbst im Reinen – und plötzlich sehen Sie dieses Straßenschild. Ein Schmerz reißt Ihr Herz entzwei, Sie fassen sich an die Brust und Ihre Kinder drehen sich erschrocken zu Ihnen um. „Was ist denn, Elter 1?“, fragen die Kleinen. „Kinder“, sagen Sie dann mit den Tränen ringend, „diese Straße hier ist nach einem deutschen Kolonialoffizier benannt. In Deutschland hat immer noch niemand aus unserer Geschichte gelernt!“. Das kommt Ihnen bekannt vor?
Na, dann habe ich eine gute Nachrichten für Sie! Ihr Leid, Ihre schlaflosen Nächte werden bald vorbei sein – naja, zumindest, wenn Sie in Berlin leben. Am ersten Dezember hat die Berliner Senatsverwaltung für Verkehr bekannt gemacht, dass das Berliner Straßengesetz geändert wurde. Die Umbenennung von Straßen wurde erleichtert – Umbenennung können nun ausdrücklich auch bei Namen erfolgen, die sich auf den Kolonialismus beziehen – „sofern die Straßen nach Wegbereitern und Verfechtern von Kolonialismus, Sklaverei und rassistisch-imperialistischen Ideologien oder nach in diesem Zusammenhang stehenden Orten, Sachen, Ereignissen, Organisationen, Symbolen, Begriffen oder ähnlichem benannt wurden.“
Klasse, oder? Und die Berliner Politiker (und Anwohner) haben auch schon einige Straßen auf dem Kieker. Größtes Dorn im Auge: das Afrikanische Viertel in Berlin-Wedding. Da wird schon seit Jahren versucht, endlich Orte wie die Petersallee, den Nachtigalplatz und die Lüderitzstraße umzubenennen, die allesamt nach „Kolionalverbrechern“ (Tagesspiegel) benannt sind. Leider gibt es da Nachbarn, die gegen die Umbenennung geklagt haben – bestimmt Nazis. Wegen denen zieht sich das Verfahren unheimlich in die Länge.
Auch in anderen Bezirken gibt es einiges zu tun. Bereits im Sommer diesen Jahres hat die Bezirksverordnetenversammlung Mitte entschieden, die „Mohrenstraße“ in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umzubenennen. Den kennen Sie doch sicher. Nicht? Na, das war der erste Gelehrte afrikanischer Herkunft in Preußen! Weiß doch jedes Kind. Und auch Berlin-Neukölln kann schon mit einer Umbenennung glänzen: die Wissmannstraße (benannt nach dem deutschen Kolonialoffizier Hermann von Wissmann) soll nach einer großen Anwohnerumfrage zur Namensfindung nun in Lucy-Lameck-Straße umbenannt werden. Muss ich bestimmt nicht dazu sagen, dass das die erste Frau in einem tansanischen Regierungskabinett war. In der Anwohnerumfrage wurde übrigens explizit nach NamensgeberIN gesucht. Sie sollte sich entweder im Bezirk-Neukölln oder im Widerstand gegen Kolonialmächte besonders verdient gemacht haben. Und da ist es am Ende die alt-bekannte Lucy geworden.
Auch wenn jetzt schon viel geschafft wurde – es bleibt spannend. Viele Umbenennungen wurden noch nicht beschlossen und die Zahl untragbarer Namensgeber ist bekanntlich groß. Schließlich sind ja nicht nur Kolonialoffiziere eine Zumutung für jeden friedliebenden Erdenbürger, sondern z.B. auch preußische Generäle generell und alles, was irgendwie mit Krieg oder Gewalt zu tun hat. Ein Lichtblick: die Kreuzberger Grünen haben auch die Umbenennung der Yorckstraße (Generalfeldmarschall Ludwig Graf Yorck von Wartenburg) und der Blücherstraße sowie des Blücherplatzes (General Leberecht von Blücher) gefordert. Es dauert also zum Glück nicht mehr lange, dann können Sie endlich beruhigt durch die Berliner Straßen fahren. Keine Kolonialherren werden Sie mehr stören, keine Offiziere werden Ihnen die Laune verderben. Irgendwann wird Sie endlich nichts mehr an den Krieg erinnern – und Sie werden sich durch die Michelle-Obama-Allee radelnd des Lebens freuen.
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