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Kernkraft erlebt eine weltweite Renaissance – nur nicht in Deutschland

Die meisten wichtigen Industriestaaten denken nicht daran, Deutschlands Atomausstieg zu folgen. Im Gegenteil. China baut und plant Dutzende neuer Kernkraftwerke, Japan erhöht den Anteil des Atomstroms und auch Frankreichs Präsident will die weitere Nutzung der Kernkraft.

China ist das neue Atomland Nummer eins. In keinem anderen Land der Welt sind so viele Kernreaktoren im Bau oder werden geplant. Laufend gehen dort neue Kohle- und Kernkraftwerke ans Netz. 2018 waren es acht neue Kernkraftwerke, im Augenblick sind zehn im Bau, und in den kommenden zehn Jahren sollen 44 neue Reaktoren entstehen.

Damit setzt sich China an die Spitze bei der Nutzung der Kernkraft. Noch stehen mit 95 Kernkraftwerken die USA vorne bei betriebsfähigen Reaktoren, gefolgt von Frankreich mit 56. In China wurden im Juli 47 Atomkraftwerke registriert, in Russland 38 und in Japan 33. In Deutschland laufen derzeit nur noch sechs. Weltweit sind 442 Kernkraftwerke in Betrieb. Sie lieferten nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien im Jahr 2019 rund 10,4 Prozent des weltweiten Stromes. Interessant auch: Kernkraftwerke produzieren über viele Jahre hinweg zuverlässig und preisgünstig Strom, mehr als 66 Prozent der Anlagen laufen bereits mehr als 30 Jahre.

Kraftwerke gelten als sehr langlebige Investitionen. Ausnahme: Deutschland, dort werden Kohlekraftwerke wie Hamburg-Moorburg bereits nach fünf Jahren abgeschaltet, ein Kernkraftwerk wie in Mülheim-Kärlich wurde nach 100 Tagen Betriebsdauer abgeschaltet und abgerissen, das Kernkraftwerk Philippsburg wird abgerissen und gesprengt. Ende 2022 soll das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet sein. Grüne Politik vernichtet mit ein paar Federstrichen Milliardenwerte und gefährdet die Energieversorgung eines Industrielandes.

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Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) in Wien erwartet dagegen weiterhin einen Anstieg der weltweiten nuklearen Stromerzeugungskapazität um 82 Prozent auf 715 Gigawatt. Rafael Mariano Grossi, IAEA-Generaldirektor: »Die neuesten IAEA-Jahresprognosen zeigen, dass die Kernenergie weiterhin eine Schlüsselrolle im kohlenstoffarmen Energiemix der Welt spielen wird, wobei sich die globale nukleare Stromerzeugungskapazität in unserem High-Case-Szenario bis 2050 fast verdoppeln wird. Die Abschwächung des Klimawandels bleibt ein wichtiger potenzieller Antrieb für die Beibehaltung und Ausweitung der Nutzung der Kernenergie.«

Von 2019 bis 2050 wird in Wien erwartet, dass sich die globale Stromerzeugung mehr als verdoppelt. Im Jahr 2019 erzeugte die Kernenergie 10,4 Prozent des weltweiten Stroms.

In Frankreich, wo Kernkraftwerke rund 80 Prozent des Stromes erzeugen, bekräftigte gerade wieder Präsident Macron die Atomkraft: »Unsere ökologische und energetische Zukunft hängt auch von der Kernenergie ab.« Japan plant, dass bis 2050 rund 22 Prozent des Stromes aus Atomreaktoren kommen; heute sind es sechs Prozent.

Seit August läuft in Barakah in Abu Dhabi das erste arabische Atomkraftwerk und erreichte vor zwei Wochen seine Nennleistung. Geplant sind vier Blöcke mit einer Leistung von 1.345 MW, die für 20 Milliarden Dollar von dem südkoreanischen Stromversorger KEPCO errichtet und in Betrieb genommen werden. Das Kraftwerk soll den stark steigenden Strombedarf zu einem Viertel der Kosten jener Gaskraftwerke, die bisher den Strom liefern. Deren Abwärme treibt meist gleichzeitig Entsalzungsanlagen an, um Meerwasser für Trinkwasserzwecke aufzubereiten.

Auch andere arabische Staaten wie Saudi-Arabien wollen auf Kernenergie setzen. Im vergangenen Jahr prophezeite der neue saudische Energieminister Abdulaziz bin Salman Al Saud auf der Weltenergiekonferenz in Abu Dhabi: »Wir werden in Zukunft deutlich mehr auf Atomkraft setzen.«

Aus kosmetischen Gründen werden ein paar Solaranlagen in den Wüstensand gesetzt. Doch Fachleute auch in den arabischen Ländern wissen um die Begrenztheit des Energieangebotes von Sonne und Wind. Nicht nur, dass es Energie aus Fotovoltaikanlagen nur tagsüber gibt, wenn die Sonne scheint, so ist auch die Energiemenge sehr begrenzt.

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Kleine Photovoltaik-Einheiten können vielleicht in Entwicklungsländern mit hoher und konstanter Sonneneinstrahlung eine interessante Option sein. Für die Stromgewinnung durch Photovoltaik im großen Maßstab oder aus Sonnenspiegel-Großanlagen gilt das wohl nicht. Denn Solarstrom hat den kleinsten Erntefaktor verglichen mit Gas, Kohle, Wasser und vor allem der Kernkraft. Kernreaktoren haben eine extrem hohe Leistungsdichte, sie bringen höchste Leistung auf minimaler Fläche. Genau umgekehrt verhält es sich mit der Energie, die die Sonne liefert.

Der Kern-Brennstoff Uran verfügt über eine ungeheuer hohe sogenannte »Energiedichte« von 24.000.000 kWh pro Kilogramm. Die Braunkohle bringt es nur auf 2,5 kWh pro Kilogramm, Benzin auf 12 kWh pro Kilogramm. Obwohl heutige Reaktoren nur fünf Prozent davon nutzen, ist aber auch das noch ein Millionenfaches der Energiedichte fossiler Quellen. Da können Sonne und Wind bei weitem nicht mehr mit ihren Leistungsdichten mithalten. In der Physik also ist begründet, warum weltweit auf Atomkraft gesetzt wird.

Deutschland schaltet stattdessen ab. Nach einer CIVEY Umfrage glauben übrigens 31,8 Prozent »eher nicht«, sogar 26,5 Prozent der Umfrageteilnehmer »auf keinen Fall«, dass es gelingen werde, bis 2050 fast vollständig auf »Erneuerbare Energien« umzusteigen.

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