Die deutsche Volkswirtschaft konnte den ersten Lockdown im Frühjahr trotz mancher Kollateralschäden insgesamt mit Ach und Krach noch einigermaßen verkraften. Doch die nächsten harten Schließungen des gesellschaftlichen Lebens bringen den Wirtschaftsstandort Deutschland nun endgültig in größte Gefahr.
Zumindest wird diese verhängnisvolle Entwicklung Teilen der Bundespolitik bewusster.
CDU-Haushaltspolitiker Axel Fischer redet diesen Freitag in der Bundestagsdebatte vor weitgehend schweigendem Auditorium außergewöhnlichen Klartext. Immerhin gehört der Bundestagsabgeordnete aus Karlsruhe-Land dem Unionsfraktionsvorstand an. Seine ehrliche Rede zum Bundeshaushalt 2021 dürfte die Bundesregierung nicht gerade erfreuen. Schließlich kommt die kritische Sicht der Wirtschaftslage aus den eigenen Reihen.
Fischer stellt unmissverständlich klar: „Nach einem Jahrzehnt des wirtschaftlichen Aufschwungs sind Wirtschaft und Gesellschaft mit Corona in schweres Fahrwasser geraten.“ Als Haushaltspolitiker kommt er gleich auf den kritischen Punkt: „Nach ersten Erholungszeichen im Sommer verschärft sich mit dem von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder verhängten ‚Lockdown‘ die wirtschaftliche Situation seit Anfang November zusehends.“
Unser soziales Leben sei erheblich eingeschränkt. Wirtschaftlich laufe es am Ausbildungs- und am Arbeitsmarkt ganz und gar nicht gut. Die kurzfristige wirtschaftliche Erholung über den Sommer wurde unterbrochen. Mehr noch: „Die aktuelle Verlängerung der ‚Coronaeinschränkungen‘ bis ins neue Jahr verschlechtert den Ausblick weiter. Es scheint fast so, als drohe unsere Gesellschaft auseinander zu driften.“
Haushaltspolitiker Fischer zeigt sich über die Haushaltszahlen im Plenum besorgt: „Die im ersten Regierungsentwurf geplanten Ausgaben, die bereits um 21 Milliarden Euro über den vor einem Jahr geplanten Ausgaben lagen, wurden für das laufende Jahr 2020 nochmals um knapp eine Milliarde Euro auf rund 165 Milliarden Euro allein im Bereich Arbeit und Soziales ausgeweitet.“ Damit versuche der Bund, den entstandenen und weiter entstehenden Schaden für die Betroffenen möglichst klein zu halten.
Selbst bei Hartz IV mussten noch einmal 300 Millionen Euro „draufgepackt“ und der Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit (BA) um 250 Millionen Euro angehoben werden. Die Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Leistungen und Programme sowie den Zuschuss an die BA summierten sich damit auf 48,8 Milliarden Euro.
Noch zeige sich der Arbeitsmarkt trotz teilweise erheblicher wirtschaftlicher Einbrüche relativ stabil. Zwar liege die Zahl der Arbeitslosen um rund eine halbe Million über der des Vorjahres, doch auch die Zahl der Kurzarbeiter dürfte derzeit deutlich höher liegen als noch mit 2,2 Millionen im September, mahnt Fischer.
Dagegen hatte sich die Nachfrage nach Arbeitskräften von April bis zum erneuten „Lockdown“ Anfang November merklich erholt.
Doch was kommt jetzt?
„Welche Folgen sich angesichts der neuen Beschränkungen für die Beschäftigung in den ohnehin besonders betroffenen Sektoren wie Hotels, Gaststätten, Ausbildung und Kultur bzw. dem Dienstleistungssektor insgesamt und auch im kränkelnden verarbeitenden Gewerbe ergeben, ist derzeit nicht absehbar,“ warnt der CDU-Haushaltspolitiker. Offenkundig seien jedoch – nach den Meldungen über Entlassungen und Konkurse im industriellen Bereich und ersten Insolvenzen größerer Dienstleister insbesondere im Automobilbereich – Berichte über umfassende Produktionsverlagerungen ins Ausland.
Deutsche Angst vor Chinas Wirtschaftsmacht
Fischer zitiert in dem Zusammenhang die Regierungschefin: „Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat bereits mehrfach von einer Verschiebung der wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse aufgrund der ‚Coronakrise‘ zu Lasten Europas und zu Gunsten Chinas und Südostasiens gesprochen.“
Export-Weltmeister Deutschland schwebt also in höchster Gefahr. Was Fischer nicht sagen kann: Passiert ist im Berliner Kanzleramt dazu fast nichts. Zu groß scheint in Merkels Hallen die Angst vor der trotz Coronakrise aufstrebenden Wirtschaftsmacht China.
Während die westliche Welt voll in die Wirtschaftskrise fährt, brummt im Ursprungsland des Covid-19-Virus die Konjunktur. Chinas Wirtschaft geht sogar gestärkt aus der Coronakrise hervor – in diesem Jahr mit einem Wachstum von rund zwei und 2021 mit über acht Prozent. Haushaltspolitiker Fischer stellt im Bundestag jedenfalls die Frage, „ob wir die Corona-Krise ebenso durchstehen können wie die Finanzkrise 2009?“
Kurzarbeitergeld kann kein Dauerzustand sein
Im Plenum erklärt der CDU-Haushaltsexperte den Ernst der Lage. Mit dem Kurzarbeitergeld sei es zwar bislang gelungen, in einigen Bereichen die schlimmsten Folgen abzufedern. „Aber Kurzarbeitergeld ist kein Geschäftsmodell. Und dauerhaft finanzierbar ist es aus leeren öffentlichen Kassen bei erheblicher staatlicher Neuverschuldung schon gar nicht“, sagt Fischer. Mehr noch: „Wohlstand wird von leistungsfähigen Arbeitskräften an produktiven Arbeitsplätzen erwirtschaftet – nicht durch die Auszahlung von Lohnersatzleistungen.“
Hauspolitiker Fischer mahnt: „Angesichts der erheblichen derzeitigen Bedrohung und Aushöhlung großer Teile der wirtschaftlichen Basis unseres Gemeinwesens muss unser Hauptaugenmerk daher insbesondere auch auf die Sicherung von Ausbildungsplätzen gerichtet sein.“ Es wäre fatal, wenn nach dem noch gut verlaufenden aktuellen Ausbildungsjahr 2020 im kommenden Jahr 2021 junge Menschen aufgrund der aus wirtschaftlichen Gründen notwendigen Zurückhaltung von Unternehmen keine Ausbildung antreten könnten.
„Die aktuell gestiegene Zahl an Jugendarbeitslosen ist ein deutliches Warnsignal,“ warnt Fischer. „Wir müssen unbedingt vermeiden, dass eine junge ‚Generation Corona‘ jetzt durch Unterrichtsausfall, vermeidbare emotional-soziale Belastungen oder fehlende Arbeits- oder Ausbildungsplätze geschädigt und um Lebenschancen gebracht, und so zu einer zusätzlichen erheblichen Belastung für unser Gemeinwesen gemacht wird.“
Ein politisch erzeugtes Tief bringt 2021 den Insolvenzsturm
Wie zum Beweis zeigen sich die Kreditversicherer über die wahre dramatische Wirtschaftslage höchst besorgt. Sie erwarten ab 2021 eine gewaltige Insolvenzwelle.
„Die Wirtschaft schiebt eine Welle an drohenden Insolvenzen vor sich her“, warnt Thomas Langen, Chef der Kommission Kreditversicherung im Versichererverband GDV. „Es ist klar, dass die Welle bald brechen wird.“ Vor allem wenn die Insolvenzantragspflicht zum Jahreswechsel wieder in Kraft trete. „Die Risiken steigen und sind schwieriger zu kalkulieren. Wir sind an dem Punkt, an dem die staatlichen Hilfen mehr Schaden anrichten als nützen.“ (Siehe Grafik)