Tichys Einblick
Glorreiches Corona-Management in Aktion

Softwareprobleme: Novemberhilfen werden erst im Januar ausgezahlt

Das kann jedem mal passieren: Die für viele Kleinunternehmen überlebenswichtigen Hilfen für den November verzögern sich mal eben um ein paar Monate. Groß problematisiert wird das nicht.

imago images / Steinach

Viele Selbstständige stehen dieses Jahr vor großen Herausforderungen. Die einen dürfen erst gar nicht arbeiten, andere nur teilweise, wieder andere dürfen arbeiten, bekommen aber keine Kundschaft. Manche haben vielleicht genug für wenige Monate vorgesorgt, doch für ein ganzes Jahr kann kaum einer gerüstet sein. Viele Kleingewerbetreibende beklagten, dass die Sommerhilfen sie erst im Herbst erreicht haben. Viele Politiker weisen diese Vorwürfe zwar zurück, behaupten sie hätten davon noch nichts gehört. Dieser mangelnden Einsicht ist es wahrscheinlich auch zuzuschreiben, dass die Politik daraus nichts gelernt hat – denn wegen einer fehlenden Software werden auch die November- und Dezemberhilfen erst nächstes Jahr ausgezahlt.

Heft 12-2020
Tichys Einblick 12-2020: Lockdown im Kopf
Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion, die der BILD vorliegt, ist der Grund dafür die noch ausstehende Fertigstellung eines Software-Tools. Aber es gibt Hoffnung – denn der mit dem Dienstleister vereinbarte Zeitplan sieht vor, „dass mit der Antragsbearbeitung möglichst im Dezember begonnen werden kann und Auszahlungen im Januar erfolgen können.“ Sie haben richtig gelesen: „begonnen“. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Marco Buschmann kritisierte es sei „völlig unklar“ wann der Bund die notwendige Software liefern kann. Das Internet ist nunmehr für uns alle Neuland – vor allem wenn es um Hilfen für die Mittelschicht geht. Ich bin zwar selbst keine IT-Expertin – Sie wissen schon, Frauen und Technik – trotzdem frage ich mich, was an einer Software zur Auszählung von Geldern so schwierig sein kann. Von verspäteten Auszahlung bei der Auszahlung an Migranten habe ich noch nichts gehört, nicht mal im Spiegel oder im ÖRR.

Es ist doch wirklich schön zu wissen, dass die Regierung sich so für uns einsetzt. Aber es gibt auch schlechte Nachrichten: Kurz nach der Meldung zu den verspäteten Coronahilfen, erreichte mich eine weitere Nachricht. Merkel gab nun bekannt: „Das bisherige Maß an Unterstützung ist nicht endlos fortzusetzen.“ Und möchte Verantwortung an die Länder und Kommunen abgeben. Sehr schade, man hätte sich doch glatt an diese herzliche Fürsorge gewöhnen können. Die große Koalition wird wohl im kommenden Jahr ca. 180 Milliarden Euro an Schulden aufnehmen. Das bedeutet, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ausgesetzt wird – aber wen interessieren Grundgesetzverletzungen an diesem Punkt schon noch, die Hemmschwelle ist längst überschritten.

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Merkel hat diese Neuverschuldung verteidigt. Schließlich sei von Anfang an das Ziel gewesen, finanziell gegen die Folgen der Maßnahmen zu halten. „Noch höher wären die Kosten – finanziell wie sozial – wenn viele Unternehmen zusammenbrächen und Millionen von Arbeitsplätzen verloren gingen.“, sagte die Kanzlerin. Das erinnert einen ja schon fast an unseren großartigen Wirtschaftsminister – es geht schließlich kein einziger Arbeitsplatz verloren. Ich vermute, dass die Realität eher anders aussieht: Wir nehmen mehr Schulden auf, als das Grundgesetz erlaubt, und die Arbeitsplätze gehen trotzdem verloren. Aber zurück zur Bundeskanzlerin, die noch ein weiteres, höchst belustigendes Statement abgegeben hat. Sie behauptet nämlich, der Bund könne auch 2021 große Summen einsetzen, weil in den vergangenen Jahren gut gehaushaltet worden sei.

Einerseits macht es mir persönlich Angst, dass sie auch für das kommende Jahre große Summen einplant, auch wenn es mich nicht sonderlich überrascht. Andererseits frage ich mich, was die Kanzlerin meint, wenn sie sagt, wir haben gut gewirtschaftet? Angriff auf nahezu alle Schlüsselindustrien bei Erhöhung nahezu aller Abgaben – das wird sich in Zukunft sicher als sehr gute Investition herausstellen. Und auch mit der EU einen halben Kontinent zu finanzieren – genial. Man muss das Geld nun einmal aus dem Fenster schmeißen, damit es zur Tür wieder rein kommen kann.

Wenn wir uns darauf verlassen müssen, dass Deutschland gut gewirtschaftet hat, dann sind wir auf verlorenem Posten. Ich bin zwar, was den Haushalt eines Landes angeht, nicht so visionär wie Frau Merkel, aber ich denke, ich hätte eine einfache Lösung für diese lästigen Coronahilfen: lasst die Leute einfach wieder arbeiten. Aber ich könnte mich irren.

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