Eklat bei Maybrit Illner: Sahra Wagenknecht, eine Ikone der politischen Linken, und Tino Chrupalla, Bundessprecher der AfD, finden im Polittalk Gemeinsamkeiten. Doch die Überraschung sollte so groß nicht sein, denn AfD und Linke sind sich gerade im Osten oft näher, als es die öffentlichen Wutreden der Parteiführungen aufeinander suggerieren mögen. Um das zu verdeutlichen, braucht es aber eine linke Politikerin, die nicht mehr auf ihr Ansehen in der Partei achten muss – Sahra Wagenknecht eben.
In der Sendung fanden der Malermeister und die Karriere-Politikerin Gemeinsamkeiten in der Kritik der Corona-Krisenpolitik. Eine „Corona-Diktatur“ gäbe es zwar nicht, so der Konsens, aber Grundrechte und Demokratie seien auf nie da gewesene Weise eingeschränkt. Sahra Wagenknecht äußert sich auch noch über eines der Lieblingsthemen der AfD: die Gendersprache. Sie nennt das sprachliche Gendern ein „grün-liberales Modethema“, Chrupalla hätte wohl die Vokabel „Links-Grün“ genutzt. „Das sind keine verbohrten Rassisten, denn sie haben ja noch vor wenigen Jahren links gewählt“. Ein Zitat aus der Sendung, aber wer hat es gesagt? Ist inhaltlich egal, es war aber Sahra Wagenknecht.
Und gerade die Volks-Kümmerer können im Osten bei einer Bevölkerung punkten, die sich von anderen Parteien mit ihren Problemen und Ängsten alleine gelassen fühlt. Doch diese Wähler werden auch von der Linken angesprochen. Die Linke war die Kümmerer-Partei schlechthin. Bis es die AfD gab und die Linke auf einen Kurs einschwenkte, wie er sonst auch von CDU, SPD und Grünen getragen wird: der Öffnung Deutschlands für möglichst viele Einwanderer.
Diese Politik hat besonders im Osten viel Verdruss erzeugt; es geht um Konkurrenz, um knappe Jobs, knappe Sozialleistungen, knappe Wohnungen, die auch noch bezahlbar sein sollen. Seither sinkt der Stern der Linken dort und der der AfD steigt. Zumindest im Osten schöpfen damit beide Parteien aus dem gleichen Wählerreservoir, machen ähnliche Versprechungen an ihre Wähler. Der ideologische Ausgangspunkt ist nicht unbedingt der gleiche, wo mancher Anhänger der Linken offen vom Kommunismus träumt, vermeidet die AfD in der Regel solche Anspielungen. Auch legt die AfD deutlich mehr Augenmerk darauf, dass die Segnungen eines ausgebauten Sozialstaats vor allem Deutschen zugutekommen sollen, während die Linke – zumindest die Bundesspitze – ihren Wunsch zur Schau stellt, alle Grenzen abzuschaffen. Vor Ort sehen das viele Linke anders, ihre Wähler sowieso.
Aber viele Real-Linke erkennen auch, dass ein starker Sozialstaat, eine massive Umverteilung, nur funktionieren können, wenn starke Grenzen die Zahl der Hilfeempfänger limitieren. Das brachte Wagenknechts Ehegatte Oskar Lafontaine, noch so ein Linke-Politiker, der nicht mehr auf seine Rezeption bei der ideologisierten Parteibasis achten muss, auf einer Buchvorstellung mit Thilo Sarrazin zum Ausdruck. Jedes unbegleitete Migrantenkind, das nach Deutschland komme, koste den Staat 5.000 Euro im Monat. Wie solle er das guten Gewissens einer Sozialrentnerin erklären, die von nur 800 Euro im Monat leben muss?
Diese ideologische Nähe der Linken und der AfD zeigt sich auch bei den Wählern. Denn die größte Unterstützung findet die AfD nicht etwa bei den Wählern der CDU oder der FDP, sondern bei den Wählern der Linken. Das ergibt eine exklusive INSA-Umfrage für TE. Zwar wünschen sich 68 Prozent der Wähler der Linken, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl nicht in den Bundestag einziehen soll. Aber immerhin 10 Prozent der Linke-Wähler wollen, dass die AfD an der nächsten Regierung beteiligt ist. Wähler der Union und der FDP wünschen sich ähnliches nur zu acht, beziehungsweise sechs Prozent.
Und die AfD ist der Linken noch deutlich stärker zugeneigt. 17 Prozent der AfD Wähler wünschen sich, dass die Linke an der nächsten Bundesregierung beteiligt ist oder gar den Bundeskanzler stellt. Ein überwältigender Anteil der AfD-Wähler tendiert zwar eher zur Union: Es wünschen sich 20 Prozent der AfD-Wähler einen Unions-Kanzler und 25 Prozent eine Regierungsbeteiligung der Union, ohne dass sie den Kanzler stellt. Aber es zeigt sich: Ein bedeutender Anteil der AfD tendiert zum vermeintlich absoluten Gegner. Das Hufeisen in Aktion: In den Extremen nähern sich die politischen Ränder an.