Tichys Einblick
CDU-Fraktion vertagt Entscheidung

Streit um Rundfunkbeitrag: Jetzt kommt die bundespolitische Bearbeitung

In Sachsen-Anhalt wurde die entscheidende Abstimmung zur Gebührenerhöhung um eine Woche vertagt - Zeit genug, um die kleine CDU-Fraktion sturmreif zu schießen. Die würde dann allerdings ihr Gesicht verlieren.

Mitglieder des Medienausschusses des Landtages am 2.12.2020

picture alliance/dpa

In Magdeburg blieb der große Showdown zunächst aus: Die Koalition hat die Sitzung des Medienausschusses vom Mittwochmittag auf den 9. Dezember vertagt. Bis dahin hat die schwarz-rot-grüne Koalition also jetzt die Möglichkeit, eine Einigung im Rundfunkstreit zu finden. Die CDU wollte zuvor einen Antrag einbringen, der eine Neuverhandlung des Medienstaatsvertrages im Hinblick auf die durch die Corona-Krise veränderte Wirtschaftslage forderte – hätte dieser Antrag eine Mehrheit gefunden, wäre die geplante Gebührenerhöhung für den ÖRR zum 1. Januar 2021 schon heute blockiert worden.

Doch anscheinend hat man sich gestern in nächtlicher Sitzung noch auf eine Verschiebung geeinigt, die Stunde der Abstimmungswahrheit bleibt also zunächst aus. Der medienpolitische Sprecher und Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion Markus Kurze betonte dennoch im Hinblick auf die Verhinderung der Gebührenerhöhung: „Wir lassen keinen Zweifel daran, dass wie an unserem Ziel festhalten.“

Heft 12-2020
Tichys Einblick 12-2020: Lockdown im Kopf
Der Zeitgewinn ist dennoch ein Etappensieg für den CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff, der wohl intern mit der Vertrauensfrage drohte. Denn jetzt ist eine Woche Zeit für die Führung der Bundes-CDU, die Magdeburger Fraktion zu bearbeiten. So wie FDP-Chef Lindner Kemmerich in Thüringen zum Rücktritt bewogen hat, könnte jetzt die sachsen-anhaltinische Fraktion zum Einknicken gebracht werden.

Die „Zivilgesellschaft“ macht schon mobil: Campact hat eine Petition gestartet, die die CDU zum Umdenken bringen soll. „ARD, ZDF und Co. droht ein Kahlschlag – ein Triumph für alle Rechtsextremen“, heißt es darin. 100.000 Unterschriften will man in fünf Tagen sammeln und dann eine große Anzeige in der Magdeburger Volksstimme schalten. Politiker aus Bund und Ländern beginnen, eine Legende zu stricken: Dass die CDU mit der AfD koaliere, sei nicht mehr nur ein Dammbruch, sondern Wortbruch – schließlich habe die CDU beschlossen, dass es keine Kooperation mit der AfD geben dürfe. Dass in einer Frage gleicher Meinung zu sein, nichts mit einer Kooperation zutun hat, darf da keine Rolle spielen. Das Ding soll jetzt durch, mit allen Mitteln.

Die kleine Fraktion in Sachsen-Anhalt soll platt gemacht werden. Heute hätte sie das Momentum nutzen und Fakten schaffen können. Ob sie eine Woche durchhält, ist fraglich. Doch man kann auch nicht so einfach zurück: Zu sehr hatte man sich festgelegt. Der Fraktionschef hat im Bezug auf die Rundfunk-Frage noch am Dienstag gesagt: „Wir halten Wort und mit uns wird es eine Erhöhung nicht geben“. Wenn man jetzt einfach klein beigibt, hat man einen Wortbruch schwarz auf weiß, das wäre ein politischer Gesichtsverlust sondergleichen. Daher muss eine andere Lösung her. Das Haseloff-Lager schmiedet an Plänen wie diesem: Die CDU-Fraktion stimmt zwar dagegen, ein ausreichender Teil an Abweichlern und Enthaltungen ermöglicht die Erhöhung aber dennoch.

Das wäre in anderen Konstellationen sicherlich eine elegante Lösung: In Sachsen-Anhalt hat das Lager gegen die Gebührenerhöhung, bestehend aus CDU, AfD und vier fraktionslosen Ex-AfDlern, aber eine komfortable Mehrheit – 55 Stimmen hat man, man braucht nur 44. Über ein Drittel der CDU-Fraktion müsste hier also ausscheren, das wäre einerseits sehr schwierig zu erreichen, andererseits auch nicht mehr glaubhaft zu erklären.

Es bleibt also dabei: Die CDU hat nur die Wahl zwischen Standhalten und Gesichtsverlust. In Magdeburg wird in den nächsten Wochen so oder so eine zentrale Machtfrage beantwortet.

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