Als hätte Hertha BSC Berlin nicht schon genügend sportliche Probleme in der Fußball-Bundesliga, kommen nun kommunikative und wirtschaftliche Diskrepanzen zwischen der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA und der Tennor Holding zum Vorschein, die bereits 274 Millionen Euro in den Club investiert hat. Es geht um eine weitere Windhorst-Rate von 100 Millionen Euro, die gemäß einer gemeinsamen Verlautbarung vom 1. Juli 2020 bis spätestens Ende Oktober an die Hertha überwiesen werden sollte. Erst nach einem forschen Nachhaken der Sport-Bild und der Berliner Lokalpresse antworteten die Lager zuerst sehr unterschiedlich und dann einträchtig. Man habe sich mit der Tennor Holding bezüglich der ursprünglichen Zahlungsplan verständigt, teilten die Blau-Weißen mit und weiter: “Somit ist gewährleistet, dass der gesamte Betrag innerhalb eines laufenden Geschäftsjahres der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA zufließt.” Die Tennor Holding pflichtete bei: “Wir können bestätigen, dass es jetzt eine Vereinbarung über einen Zahlungsplan gibt”. Der Zeitpunkt und die Art und Weise, wie beide Seite über die Vereinbarung denken, ist irritierend. Will heißen: Eine Zahlungsvereinbarung, wie sie am 1. Juli 2020 kommuniziert wurde, habe es also gar nicht gegeben.
Es knarrt gewaltig beim Hauptstadtclub und immer mehr kommt zum Vorschein, dass es große Differenzen gibt zwischen Wunsch und Wirklichkeit beim Team Hertha BSC/Tennor Holding. Wer 274 Millionen Euro für 49,9 Prozent der Anteile des Clubs kauft, will, dass mit diesem Geld nicht nur Schulden abgebaut werden, sondern in den Kader investiert wird. Erst Ende Oktober hatte Finanzchef Ingo Schiller bekannt gegeben, dass man weiterhin die Verbindlichkeiten abbauen und das Eigenkapital stärken will. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man bedenkt, dass seit Ausbruch der Pandemie weitere Mindereinnahmen von mehr als 35 Millionen Euro entstanden sind.
Die Tennor Holding erhöht zurecht ihre Ansprüche
Man mag Lars Windhorst und seiner Investorengruppe Dank sagen für die insgesamt 374 Millionen Euro, doch war schon vor dem Einstieg in Berlin klar, dass das Engagement weit mehr Mühen bedarf als ehemalige Lichtgestalten des deutschen Fußballs (zuerst Klinsmann, jetzt Lehmann) zu installieren. Für die Pandemie sind weder Hertha BSC noch die Tennor Holding verantwortlich, doch hätten Experten, die nicht nur auf den schnellen Euro aus sind, warnen können, dass ein Einstieg in den Profifußball mehr sein muss als einen Investition von 374 Millionen Euro. Schon gar nicht bei einem Verein, der seit Jahren erfolglos ein reines Fußballstadion bauen will. Und schon gar nicht in einer Stadt, die mehr zu bieten hat als Hertha BSC Berlin. Da hätte sich das Nachfragen bei den Scheichs und Oligarchen dieser Welt gelohnt, die in den vergangenen 20 Jahren in Großclubs wie Manchester City, FC Chelsea, Red Bull Leipzig oder Paris St. Germain investiert haben. Denn vor der Rendite kam zuerst die horrende Investition in den Standort und in diese Struktur des Vereins. Lars Windhorst, der in den vergangenen Jahren schon sehr viele Höhen und auch Tiefen durchlebt hat, tut gut daran, jetzt Nägel mit Köpfen zu machen und nicht nur als Investor zu glänzen.
Ex-Sky Deutschland Chef Schmidt wird der neue starke Mann
Immer noch kein neuer Hauptsponsor
Lange Zeit war es ruhig im Berliner Westend. Nach dem Hollywood-Gebaren von Jürgen Klinsmann Anfang des Jahres war Ruhe rund ums Olympiastadion eingekehrt. Trainer Bruno Labbadia und Manager Michael Preetz konnten mit den Millionen von Lars Windhorst ein schlagkräftiges Team zusammenstellen und sprachen unisono vom internationalen Geschäft und den gemeinsamen Zielen mit dem neuen Investor und den Geldgebern. Aus Imagegründen hatte man sich auch vom langjährigen Hauptsponsor TEDi getrennt, der jährlich 7,5 Millionen Euro bezahlt hatte. Auf der Brust sollte es schon mehr sein als ein deutscher Non-Food Händler. Man sprach von globalen Unternehmen wie Tesla, Amazon oder Google. Doch Pustekuchen. Das Jersey der Hertha hatte bisher als Hinweis auf die AHA-Regeln in der Pandemie gedient und das wird sich auch nach dem 3:0-Auswärtssieg in Augsburg am letzten Bundesliga-Spieltag noch nicht so schnell ändern. Denn solange der Spitzensport vor leeren Rängen stattfindet und dementsprechend auch die TV-Einschaltquoten stagnieren oder sogar sinken, werden starke Player keinen Grund dafür haben, bei Hertha BSC Berlin zu investieren. Vielleicht hat Lars Windhorst nun mit Carsten Schmidt eine passende Antwort gefunden. Der ehemalige Sky-Chef genießt eine guten Ruf in der Branche und scheut nicht davor, mit eisernem Besen durch zu kehren. Vielleicht wäre das eines der Erfolgsrezepte für eine rosige Zukunft von Hertha BSC Berlin.