Tichys Einblick
Durchblick schenken 2020

Linker Hass in Reimform

Musik von linken Rappern und Punk-Bands wird verharmlost oder als Satire abgetan. Dabei sind die Texte vieler Bands voller Hass, Gewaltverherrlichung und demokratieverachtenden Aussagen.

Im Oktober 2020 markierten die drei Mitglieder der Band „Die Ärzte“ einen weiteren Höhepunkt ihrer Karriere, als sie für die musikalische Untermalung der ARD-Tagesthemen sorgen durften. Die Einladung der gealterten Punk-Rocker erschien durchaus begründet, denn diese wiesen mit ihrem Auftritt auf die dramatischen Einschnitte der Corona-Krise für die Musik- und Kunstszene hin. Wer jedoch erwartete, dass der zwangsgebührenfinanzierte Moderator bei dieser Gelegenheit einmal kritisch die hasserfüllten und polizeifeindlichen Texte der Band hinterfragen würde („Hängt die Bullen auf […] Schlagt sie tot, macht sie kalt“), der wurde enttäuscht – nicht zum ersten Mal. Die ARD-Tagesschau hatte einige Monate zuvor der umstrittenen Band „Feine Sahne Fischfilet“ sogar einen dreizehnminütigen Beitrag anlässlich der Veröffentlichung ihres neuen Albums eingeräumt. Dabei wurde auch ein Ausschnitt aus einem Musikvideo der Band gezeigt („Wir sind zurück in unsrer Stadt / Und scheißen vor eure Burschenschaft“) – als wäre es „Atemlos“ von Helene Fischer. Auf die etwas irritierte Nachfrage des Moderators, wie Hass zu Problemlösungen beitragen könne, antwortete der Sänger der Gruppe, Hass sei ein Gefühl, was man bei den „jetzigen Zuständen“ einfach haben könne.

„Links und Gewalt schließen einander aus“
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit – in Theorie und Praxis
Musik mit menschenverachtenden und gewaltverherrlichenden linksmotivierten Texten ist ein weites, aber weithin vernachlässigtes Themenfeld. Dabei ist Musik ein effektives Mittel zur Ideologievermittlung, insbesondere bei Jugendlichen. Das stellte bereits die Politikwissenschaftlerin Ulrike Madest in einem der wenigen Texte zu diesem Thema fest. Einen der möglichen Gründe lieferte die Autorin gleich mit: Wer sich mit linksextremistischer Musik beschäftige, setze sich dem Vorwurf aus, rechtsextremistische Musik zu verharmlosen. Dabei gab und gibt es eine ganze Reihe von linken Politmusikern, die ihrem rechtsextremen Gegenüber in Puncto Gewaltverherrlichung in nichts nachstehen. Die Gruppe „Die Zusamm-Rottung“ erklärte in einem ihrer bekanntesten Stücke: „In dem Land, von dem wir träumen / hängen die Bonzen an den Bäumen“.  Und der linke Polit-Rapper „Boykott“ meint: „Liegt ein Bulle schussverletzt vor mir auf Hilfe angewiesen / frag ich mich, warum konnte der Gangster nicht genauer schießen.“  Wer die Gewaltbereitschaft des linken Spektrums mit drastischen Zitaten belegen möchte, wird mehr finden, als ihm lieb sein darf.

„Linke Hassmusik“ ist spätestens seit den achtziger Jahren bekannt, war zu dieser Zeit jedoch fast ausschließlich im Punk-Milieu angesiedelt. Obwohl es heute kaum noch Anhänger findet, gilt „Punx not dead“ immerhin noch für die Musik-Szene. So gibt es mit Gruppen wie „B.T.M.“ (2002), „Feine Sahne Fischfilet“ (2007) oder den „Trümmerratten“ (2014) sogar immer wieder Neugründungen.  Nicht jedes Punk-Lied ist politisch. Wie die meisten Musiker beschreiben Punks in ihren Stücken ihr Leben und ihre Umwelt. Aber Punkmusik trägt manchmal auch deutlich politische und antidemokratische Züge, etwa wenn die Gruppe „Die Zusamm-Rottung“ im Hinblick auf das „System“ singt: „Manipulation und Korruption sind ihre Strategie / für uns heißt das Lüge und Betrug / doch sie nennen es… Demokratie/“.

Neben Sex, Alkohol, Fußball und „Faschos“ spielt im Leben der Punk-Rocker vor allem die Polizei eine Rolle. Sie verarbeiten in ihren Texten Gewalterfahrungen mit Polizisten, meist in überzeichneter Form, etwa wenn „Die Zusamm-Rottung“ singt: „Und wenn sie mich dann haben / dann machen sie mich kalt / diese bullenschweine / sind voller gewalt“.  Die Darstellung der über die Maße gewaltbereiten Polizei dient dem Zweck, nachfolgende Gewaltaufrufe zu legitimieren. So heißt es bei den „Pestpocken“. „Besetzt du mal ein leeres Haus / kommen die Bullen und hauen dich raus. / Wähle jetzt denselben Weg / Gewalt – weil es so nicht weitergeht“.  Und „Feine Sahne Fischfilet“ texteten für ihr Album aus dem Jahr 2009: „Wir stellen unseren eigenen Trupp zusammen / Und schicken den Mob dann auf euch rauf / Die Bullenhelme – Sie sollen fliegen / Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein“.

In Gesamtheit auf den Prüfstand
Mit Rundfunkgebühren gegen "Bullenschweine"
Das Motiv „Bulle“/ „Bullenschwein“ kommt bei nahezu jeder Punkband vor und zieht sich bis heute wie ein roter Faden durch ihre Geschichte. Einer der ersten Texte ist der bereits in den frühen Achtzigern verfasste „(Wir wollen keine) Bullenschweine“ der Gruppe „Slime“: „Dies ist ein Aufruf zur Revolte / dies ist ein Aufruf zur Gewalt / Bomben bauen, Waffen klauen / Den Bullen auf die Fresse hauen […] / Haut den Pigs die Fresse ein / Nur ein totes ist ein gutes Schwein“. Mindestens bis Ende 2010 spielte die Band das Lied auf ihren Konzerten. 2011 wurde es der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert, nachdem es im Anschluss an ein „Slime“-Konzert zu Angriffen auf Polizisten gekommen war.

Es sei eben „nur“ Punk-Musik, ist nicht selten die Argumentation, wenn es zu Kritik an den gewaltverherrlichenden Texten kommt – als ob sie nicht ernst gemeint oder zumindest nicht ernst zu nehmen wären. Gegen diese These spricht, dass es am Rande von Punk-Konzerten immer wieder zu Gewalttaten kommt. Aber wie die gesamte Punk-Bewegung wollen auch ihre Musiker vor allem eines: provozieren. Die „Trümmerratten“ fotomontierten auf ihren Werbeplakaten Rattenköpfe auf Bilder von Trümmerfrauen. In ihrem Album druckten sie ein Foto eines Playmobil-Polizisten mit Nazigruß in einem Kothaufen, und beantworteten in einem ihrer Stücke einen Angriff auf eine Polizeiwache mit der Parole: „Scheißbullen – Habt Ihr immer noch nicht genug!“

Während linke Hassmusik bis in die neunziger Jahre hauptsächlich von Punk-Gruppen verbreitet wurde, tun dies heute vor allem linksgerichtete Rap-Musiker über Plattformen wie Youtube und Vimeo. Nicht selten untermalen unbekannte Dritte die musikalische Botschaft mit Gewaltszenen eskalierter Demonstrationen. Eine Häufung solcher Videos kann als Indiz für die Gewaltbereitschaft der Szene gewertet, jedoch nicht zwangsläufig den Urhebern des Textes unmittelbar zum Vorwurf gemacht werden. Tatsächlich distanzierte sich etwa „Captain Gips“ in einem Interview 2013 von einem gewaltverherrlichenden Video mit den Worten: „Auch wenn es Polizisten sind, können wir nicht einfach anfangen die umzubringen oder so was.“ Dennoch scheint er der Gewalt gegen Polizisten nicht grundsätzlich abgeneigt zu sein, enthält das von ihm verbreitete Musikstück doch unter anderem die Zeilen: „Wenn sich 800 Leute mit Motorradhelmen und Knüppelfähnchen vor die Flora stellen / heißt es Eighties-Flashback – Ausnahmezustand! / Wo Bullen für ein Jahr keine Pause im Dienst haben.“ Das Album wurde also nicht grundlos von der Bundesprüfstelle auf den Index gesetzt.

Bettina Röhl „Die RAF hat Euch lieb“
Nachhaltige Erschütterung einer in Beton gegossenen RAF-Rezeption
Nicht nur an diesem Beispiel ist ersichtlich, dass linke Rap-Texte gewaltverherrlichend, staats- und polizeifeindlich sein können. Der Münchner Rapper „Crument“ etwa fantasiert von Molotowcocktails und Steinwürfen, die Gruppe „Kurzer Prozess“ meint, es sei „voll ok“ Nazis zusammenzuschlagen. Insbesondere die Akzeptanz der Rap-Musik in Jugendszenen begünstigt eine Annäherung der Hörer an die militanten Inhalte. Während Punk-Texte einfach gehalten sind, zeigen sich Rap-Texte wesentlich komplexer, und sie enthalten immer wieder feine Anspielungen oder Klassenkampfrhetorik. Die Protagonisten legen Wert auf ihr Äußeres und wollen Öffentlichkeit. Sie pflegen ihre Facebook-Seiten und machen deutlich, wofür und wogegen sie eintreten. Crument, der für seinen RAF-Song „Ulrike“ bekannt ist, forderte etwa in einem Interview „eine Weltrevolution, die den Kapitalismus international überwindet, […] als Schritt zu einer klassenlosen Gesellschaft […]“.  Bezugnahmen auf die RAF sind in Rap-Texten nicht ungewöhnlich. Der Sprechgesangsinterpret Makks Damage etwa bekannte (bevor er sich entschloss, von der linken in die rechte Rap-Szene zu wechseln): „Die Welt wird scheitern, wenn wir scheitern. also leiste deinen Beitrag in der R.A.F.“  Und der Rapper „Boykott“ formuliert, er teile seinen Hass „mit Andreas und Ulrike“ und textete für ein weiteres Stück, „bis das Bullenrevier brennt und jeder Fascho platt ist“.

Während die Punkmusikszene diffus erscheint, lassen sich im linken Rap-Spektrum ideologische Strömungen erkennen. Da gibt es die „Zeckenrapper*innen“ und das „Ticktickboom“-Kollektiv mit Interpreten wie „Neonschwarz“, „Sookee“ und „Kurzer Prozess“, denen eine Nähe zur antideutschen Szene nachgesagt wird.  Der Rapper „Albino“ versteht sich als Antispeziesist und erklärt die „Vegane Revolution“ zum Ziel.  Mit „Kaveh“ gibt es einen Protagonisten, der die westlichen Staaten als „Gangster-Nationen“ verunglimpft, einen Israel-Boykott fordert und nach der dritten Intifada ruft.  Im antiimperialistischen Spektrum machte zudem der dem „Jugendwiderstand“ nahestehende Rap-Musiker „Taktikka“ auf sich aufmerksam, der in seinen Stücken Politiker „Blei fressen“ lassen will.

Während die Punk-Musik-Szene ein mehr oder weniger autochthones Publikum erreicht, findet Rap-Musik auch das Interesse von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, insbesondere aus dem arabischen Raum. Vor allem aber findet die Polit-Rap-Szene Anschluss an die vermeintlich „unpolitische“ Rap-Szene, die zwar gewiss nicht gegen Kapitalismus ist, aber ebenfalls „gegen Bullen“ und „gegen den Staat“ agitiert. Wie beim Punk-Rock geht es auch beim linken Hip-Hop hauptsächlich gegen Polizisten. Der Rapper „Boykott“ macht deutlich: „angenommen ein Beamter würde mich was fragen / würd‘ ich die Aussage verweigern oder ihm den Kopf einschl…“  Auf eine ähnliche Zielsetzung treffen wir bei Holger Burner. Im Song „Hass“ heißt es: „Wir haben Hass auf die Polizei / Hass auf den Staat / Hass auf eure Fressen / Hass auf die Waffen, die ihr tragt“.  Entscheidend für die Bewertung eines Liedtextes ist jedoch nicht allein seine Dramatik, sondern gleichermaßen seine Resonanz in der linken Szene, in der eine kritische Auseinandersetzung mit gewaltverherrlichenden Texten in der Regel nicht stattfindet.

Politisch gewolltes Staatsversagen
Steinmeier: Bundespräsident setzt in Chemnitz auf Konfrontation
Einen besonderen Fall stellt die Berliner Rap-Formation „K.I.Z“ dar. Die Gruppe gilt als eine der am häufigsten missverstandenen, denn ihre oberflächlich gewaltverherrlichenden Textzeilen wie „Ich ramm die Messerklinge in die Journalisten-Fresse“ sind eingebettet in ironische, satirische und maßlos übertriebene Parodien. So erklärten die Hip-Hopper: „Es liegt an eurem geistigen Fassungsvermögen, wenn ihr bei K.I.Z nicht lacht, ihr Amöben.“ Die (Selbst-)Ironie ist offensichtlich. Wenn „K.I.Z“ jedoch texten: „Ich schleich mich ein bei den Sarrazins / sechs Uhr, alles pennt noch / Selbstmordattentat / ich trink drei Liter Cola mit Mentos“  oder in Bezug auf die ehemalige NDR-Moderatorin Eva Herman formulieren: „Ich f*** sie grün und blau, wie mein kunterbuntes Haus“ , dann fällt folgendes Muster auf: Die Band wählt drastische und menschenverachtende Bilder, um sie anschließend mit einer ironischen Formulierung zu relativieren. Witzig sind die Textzeilen gewiss nicht, sodass sich der Verdacht aufdrängt, dass „K.I.Z“ das Mittel der Satire nutzen, um unter ihrem Deckmantel den Hass und die Ressentiments ihrer Fans zu bedienen. Die Gruppe provoziert, um direkt im Anschluss zurückzurudern. Damit verschiebt sie die Grenze des Sagbaren und verwendet genau die Taktik, die Kritiker immer wieder der AfD vorwerfen.

Umso trauriger also, dass linke Hassmusik von weiten Teilen der etablierten Politik nicht als solche erkannt oder bewusst nicht geächtet wird. Als etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im September 2018 für ein Musikkonzert mit „Feine Sahne Fischfilet“ warb, hätte er wissen müssen, dass sich deren Texte nicht nur gegen Rechtsextremismus, sondern auch gegen die Polizei und die demokratischen Parteien richten. Wie zum Beleg erklärte der Sänger der Gruppe auf besagtem Konzert, er finde die „räudige Hetze der Regierungsparteien“ einfach nur abstoßend. Und zu diesen Regierungsparteien gehört letztlich auch die SPD.

Dr. Karsten D. Hoffmann, Jahrgang 1977, ist Politikwissenschaftler und befasst sich seit über einem Jahrzehnt mit militanten Strömungen von rechts und links.

Exklusiver Auszug aus: Karsten D. Hoffmann, Gegenmacht. Die militante Linke und der kommende Aufstand. Hess Verlag, 252 Seiten, 16,99 €


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