Machen wir uns nichts vor: Die Lücken, die das Bildungssystem hinterlässt, wirken sich längst auch in der Lehrerschaft aus. Wer als Gymnasiast etwa einen miserablen Geschichtsunterricht oder womöglich gar keinen hatte, der wird im Lehramtsstudium fachlich gar nicht wettmachen können, was er bräuchte, um später seinen Schülern einen soliden Geschichtsunterricht bieten zu können. Zudem ist gerade Geschichte ein Fach, das bildungspolitisch stiefmütterlich behandelt wurde: Man kann es in manchen Bundesländern in der Oberstufe ablegen, oder ein Schüler erlebt es allenfalls als Appendix in einem Mischmasch-Sammelsuriumfach Geographie/Politik/Weltkunde/Wirtschaft/Geschichte.
Nun gibt es im kleinsten Bundesland, in Bremen, ein besonders peinliches, ja empörendes Beispiel von fachlicher Inkompetenz einer Lehrkraft. Sehen wir mal davon ab, dass Bremen bei ziemlich allen innerdeutschen Leistungsvergleichen immer einen der hinteren drei Plätze einnimmt. Stellen wir auch einmal die Frage zurück, ob Achtjährige, also Drittklässler wirklich wissen müssen, wer Hitler war.
Aber was dort eine Lehrerin (wir wissen nicht welchen Alters) in einer dritten Klasse der Grundschule am Buntentorsteinweg geboten hat, schlägt dem Fass den Boden aus. Es wurde ein Arbeitsblatt verteilt, das überschrieben war mit: „Ich kann historische Ereignisse der deutschen Geschichte aufsagen.“ Es sollten den Schülern damit wichtige Etappen von der Zeit Karls des Großen bis zur Wiedervereinigung der beiden Staaten in Deutschland vermitteln werden. Bodenlos, was sich darin findet!
Beispiele:
- „1933 bekam Deutschland wieder einen König. Er wurde auch Führer genannt.“ 1938 (sic!) habe Adolf Hitler dann den Zweiten Weltkrieg begonnen.
- Nach dem Ersten Weltkrieg sei das Deutsche Reich in „Republik Deutschland“ umbenannt worden.
- Über das Jahr 1918 heißt es: „Nun bekamen die Bürger im Land ein Wahlrecht. Mit dem Wahlrecht konnten sie mitbestimmen.“
- Deutschlands Wiedervereinigung habe 1998 stattgefunden.
Der örtliche Weser-Kurier konfrontierte die Bremer Bildungsbehörde mit dem Unterrichtsmaterial. Dort reagierte man geschockt. „Es darf nicht sein, dass so ein Unsinn verbreitet wird. Dafür kann man sich nur entschuldigen“, sagte die Sprecherin von Senatorin Claudia Bogedan (SPD), Annette Kemp. Nach ihrer Darstellung wurde das Material zwei Tage, nachdem es ausgeteilt worden war, von der Schulleitung wieder eingezogen.
Aber damit der Peinlichkeit nicht genug: Normalerweise werde solches Material, so die oberste Schulbehörde, von schulinternen Fachkonferenzen vor der Verwendung geprüft und freigegeben. Das sei im vorliegenden Fall offenbar nicht geschehen.
Wie bitte? Geht’s noch? Kann man nicht einmal mehr in einer dritten Klasse eine Lehrkraft ohne fachliche Supervision auf Schüler loslassen? Oder aber traut man den eigenen Lehrer – zu Recht? – nicht mehr viel zu?
„Bildungsnation Deutschland“ – Teilstaat Bremen! Da kann man nur noch mit einem Satz von Karl Jaspers aus dem Jahr 1966 antworten: „Es ist ein Schicksal des Volkes, welche Lehrer es hervorbringt und wie es seine Lehrer achtet.“ Ja, Jaspers hat Recht. Ein Land, in dem in Ermangelung von Bewerbern jeder offenbar unabhängig von fachlicher, charakterlicher und pädagogischer Eignung Lehrer werden kann, und ein Land, das diesen Berufsstand so „achtet“, dass solche Personen wie in Bremen Lehrer werden können, hat keine Zukunft.