Tichys Einblick
Das werden Siv Bublitz und S. Fischer nie los

Früher nannte man es Zersetzung

Nach dem Rauswurf Monika Marons bei S. Fischer versuchen etliche Wohlmeinende, das Motiv gewissermaßen nachzuliefern. Nicht nur die Verlagssäuberung ist ein Novum – sondern auch die Strategie der Gerüchte und Falschbehauptungen.

imago Images/Gerhard Leber

Möglicherweise war der Leiterin des Fischer-Verlags Siv Bublitz gar nicht klar, dass sie mit dem Hinauswurf der Autorin Monika Maron nach vierzig gemeinsamen Jahren Literaturgeschichte schreiben würde. Ein Verlag feuert einen Schriftsteller ausdrücklich nicht aus künstlerischen Gründen, sondern aus politischen – das war in der Geschichte der Bundesrepublik bis dahin noch nicht vorgekommen. Falls Bublitz vom Feuilleton Sträuße weißer Rosen für ihre Entscheidung erwartet hatte, dann wusste sie es zumindest am Tag nach der Bekanntgabe besser. Es gab Kritik an diesem Einschnitt – Harald Martenstein nannte ihn Kulturbruch – sowohl in Medien als auch von anderen Schriftstellern. Zur Erinnerung: Die Verlagschefin erklärte zum einen, Maron sei „eine wichtige Schriftstellerin für die deutschsprachige Literatur“, sie verhandle „klug politische Themen und spielt raffiniert mit gesellschaftlichen Widersprüchen“. Über ihren nun im Wortsinn letzten Roman bei Fischer, „Artur Lanz” habe sie sich sehr gefreut. Warum dann der Bruch? Der, so Bublitz, liege „nicht an den politischen Themen der Bücher oder in den journalistisch-politischen Äußerungen von Monika Maron“.

Zu dem Hinauswurf nach vier Jahrzehnten sei es gekommen, weil sie ihren Essayband „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen“ in der Edition des Dresdner Buchhauses Loschwitz herausgebracht habe. Das Buchhaus „kooperiere“ wiederum mit dem Antaios-Verlag, der, wie die Fischer-Chefin feststellt, Bücher mit völkisch-rassistischen Positionen verlege. Damit habe sie eine absolute Grenze überschritten. Man könne nicht gleichzeitig Fischer-Autor sein und sich in dieses Umfeld begeben.

Dass ein Verlag mit langer Tradition eine Autorin heraussäubert, der das Haus viele gute Verkäufe verdankt, liegt also nicht an ihren Büchern, nicht an ihren Ansichten, noch nicht einmal an dem Verlag, in dem sie zum ersten Mal in den vergangenen vierzig Jahren einen Band außerhalb von S. Fischer publizierte, ein Buch, das Fischer übrigens ursprünglich nicht machen wollte. Es liegt also im „Umfeld“ dieses anderen Verlages.

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Nun veröffentlichten schon etliche Medien eine offenbar nötige Anmerkung zu Antaios. Es handelt sich dabei um einen Kleinverlag, aber vor allem um einen Buchvertrieb, der prinzipiell jedes in Deutschland erhältliche Buch anbietet, auch etliche andere Titel von Fischer, etwa die Kafka-Biografie von Reiner Stach, aber auch Werke von Margarete Stokowski und anderen. Zur Entfernung von Maron führt also das Umfeld ihres Umfeldes. Das stellt gewissermaßen ein Problem des Raums dar. Dazu kommt noch das Problem der Zeit. Genauer, der Chronologie.

Unterläuft einem Autor mit einer Romanfigur so etwas, etwa eine Schwangerschaft von 12 Monaten oder eine Teilnahme an Napoleons Russlandfeldzug von 1811, dann spricht man von einem Datierungsfehler. Von der Absicht ihrer Autorin, Essays in der Edition Buchhaus Loschwitz zu veröffentlichen, wusste S. Fischer spätestens Anfang des Jahres. Vorher hatte Maron gefragt, ob ihr Heimverlag das Buch machen wollte. Der winkte damals ab. „Krumme Gestalten, vom Wind gebissen“ erschien im März 2020. Dass dieses Buch wie viele andere bei Antaios vertrieben wird, wussten die Zuständigen in Frankfurt auch. Dass Antaios-Chef Götz Kubitschek weit rechts steht, dürfte dort ebenfalls bekannt gewesen sein. Alle Anklagepunkte gegen Maron lagen also schon im Frühjahr vor. Weitere „Vergehen” kamen bis zur Mitteilung des Rauswurf-Urteils im Oktober nicht dazu. Wenn also die unerträgliche Grenzüberschreitung Marons darin bestanden hätte, sich in ein Umfeld zu begeben, dass wiederum den falschen Umgang pflegt, dann hätte sich Fischer von ihr zwingend allerspätestens im März trennen müssen. Bekanntlich passierte das nicht. Weil das Haus in Frankfurt vorher schnell den Roman „Artur Lanz“ herausbringen, doch noch ein Essayband für 2021 anschieben und Maron erst dann vor die Tür setzen wollte?

Ihr Essayband „Was ist eigentlich los“ wird nun nicht bei Fischer erscheinen, „auf Wunsch der Autorin“, wie ein nachträglich eingefügter Aufkleber im Verlagskatalog mitteilt. „Auf Wunsch der Autorin“ ist gut. Tatsächlich, eine Schriftstellerin, die mit fast 80 Jahren den Verlag wechseln muss, möchte das nächste Projekt dann doch lieber in ihre neuen Heimat mitnehmen, als es dort erscheinen zu lassen, wo sie gerade zur Unberührbaren erklärt wurde, weil sie mit jemandem Tuchfühlung unterhält, der wiederum das Gebiet des ganz und gar Unberührbaren berührt. Der Plan, mit der Autorin erst noch ein bisschen das Verlagsgeschäft voranzutreiben und sie dann zu feuern, scheiterte vermutlich an Marons neuer Mischlingshündin Bonnie Propeller, über die die Autorin eine gewissermaßen außerplanmäßige Erzählung schrieb.

Dieser Text zwang Fischer, das Verhältnis zu ihr schon zwischen Sommer und Herbst zu klären und nicht erst später. Der Verlag schickte das Manuskript ungelesen zurück und vollzog den Bruch. In diesem Zusammenhang fiel von der Frankfurter Seite der Satz, Maron sei als Autorin „politisch unberechenbar“. Wenn ein Traditionsverlag politische Berechenbarkeit ihrer Autoren zur neuen Kerntugend erhebt und gleichzeitig mit der Haltungsdemonstration dem Geschäft zuliebe noch monatelang wartet, dann schwankt das Charakterbild der Fischer-Chefin Siv Bublitz und ihres Führungsteams erheblich, selbst in den Augen von manchen Feuilletonautoren, die ansonsten an Maron und deren unzeitgemäßen Ansichten viel auszusetzen haben.

Aber wo die Argumentationsnot am größten ist, wächst auch der Wille, noch zu retten, was zu retten ist. Also müssen stichhaltige Gründe für die einseitige Trennung nachgeliefert werden, um die verkorkste Dramaturgie der Geschichte noch halbwegs zu begradigen.

„Rittergutspublizistik“ – vom Umdichten der Fakten

Der erste Begradigungsversuch läuft darauf hinaus, die Geschichte mit der Veröffentlichung von Monika Marons Essay-Band etwas umzuschreiben. Plötzlich soll der Verlag nicht mehr der des Buchhauses Loschwitz sein, sondern gleich der Antaios-Verlag von Götz Kubitschek. Aus Kontaktschuld wird also durch Umschreiben der Story ein Direktkontakt. Für diese Neueinrahmung tritt die Zeit-Literaturredakteurin Iris Radisch auf den Plan. Eigentlich müsste das Hamburger Blatt strikt auf besondere Akkuratesse im Fall Fischer und Maron achten – denn es gehört hälftig zur Verlagsgruppe Holtzbrinck, zu der auch der Fischer-Verlag zählt, jeder Bericht schließt also indirekt das eigene Haus mit ein. Stattdessen dichtet Radisch kurzerhand die faktische Basis um:
„Zum ersten Mal hat sich eine bedeutende Repräsentantin der deutschen Literaturgeschichte publizistisch in die Arme der neurechten Parallelwelt begeben. Mit Ultrarechten geduldig und immer wieder zu reden ist die eine Sache. Bei Ultrarechten zu veröffentlichen definitiv eine andere.“ Und fügt an, offenbar scharf auf das nächste große Berichterstattungsthema: „Und man darf neugierig sein, wie der Suhrkamp Verlag reagieren wird, dessen Autor Uwe Tellkamp, deutscher Buchpreisträger des Jahres 2008, ebenfalls in der Loschwitzer Reihe Exil veröffentlicht hat.“

Damit ihre Leser die Botschaft auch wirklich verstehen, wirft Radisch Maron explizit vor, sie habe sich „ins Exil der wehrhaften Rittergutspublizistik“ begeben. Iris Radisch schreibt seit vielen Jahren über den Literaturbetrieb, auch über Literatur, letzteres mit einem gelegentlich skurrilen Blick, etwa dem Vorwurf, dass Romanfiguren der Phantasie des Autors entspringen („Und all die Effis und Emilias, die Käthchens und die Gretchens, die Lottes und die Lulus der Literaturgeschichte sind reine Männerfantasien“.) Ihre Expertise sollte jedenfalls genügen, um den Unterschied zwischen einem Verlag und einem Buchvertrieb zu kennen. Vermutlich kennt sie ihn. In diesem Fall würde sie wissentlich eine falsche Botschaft streuen. Genau das tut auch die Süddeutsche Zeitung, indem sie über den Verlag des Buchhauses Loschwitz schreibt: „Der kleine Dresdner Verlag gilt vielen Kritikern als eine Art verfeinerte Astgabel der treudeutschen Eiche in Schnellroda, wo der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek seinen Antaios-Verlag betreibt.“

Tellkamp und Bernig für Maron
„Verwahrlosung in der Berichterstattung“
Der eigene Miniverlag des von Susanne Dagen geführten Buchhauses Loschwitz existiert übrigens schon seit den neunziger Jahren, Antaios – als Vertrieb wie als Verlag – erst seit dem Jahr 2000. Es wäre also der erste Fall, in dem es die Astgabel früher gab als die Eiche. Aber auf einen Datierungsfehler mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr an. Interessanterweise stellt die Süddeutsche ihre These zur politischen Botanik nicht selbst auf. Sie gibt nur wieder, was namenlosen Kritikern gilt. Was man so hört eben. Was die Leute halt so sagen.

In genau diesem Fach kennt sich auch der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz aus, der auf Twitter und Facebook eine nicht ganz kleine Gemeinde mit seiner Weltdeutung versorgt. Für den „Twittergott der CDU“ (taz) steht es außer Frage, dass es sich bei der Edition des Buchhauses Loschwitz um einen „rechtsextremen Verlag“ handelt. Zum Beweis führt er an, Dagens Kleinverlag sei eine „Außenstelle von Kubitscheks Institut für Staatspolitik“. Allerdings meint er das ebenfalls nicht eigentlich selbst. Das, so Polenz, sagen „mutige Leute in Dresden“. Die bei ihm genau so namenlos bleiben wie die Kritiker, denen die Süddeutsche an den Lippen hängt. Auf diese Weise sickert die Mär weiter, Maron säße irgendwie auf Kubitscheks Rittergut beziehungsweise in dessen verfassungsschutznotorischem Institut. Die Gerüchtestreuer wissen natürlich, dass es sich bei ihrer Suggestion um Quatsch mit toxischer Soße handelt. Deshalb bemühen sie sich ja auch sorgfältig um Formulierungen, die sie vor Anwaltsschreiben schützen. Der Autor Per Leo („Mit Rechten reden“, „Flut und Boden“) hatte Polenz auf Facebook entgegenhalten, wenn Dagens Verlag rechtsextrem sei, dann müsste es sich um das weltweit erste rechtsextreme Publikationshaus ohne rechtsextremes Schriftgut handeln. Denn egal ob die Dresdner Regionalia, die Dagen verlegte, die Texte Jörg Bernigs, die Erzählung „Das Atelier“ von Uwe Tellkamp oder eben Marons Essays – nichts davon fällt in die Rubrik extremistisch. Noch nicht einmal in die Kategorie radikal. Aber das, so lautet die Beschuldigung, sei ja gerade das Raffinierte: Rechter Extremismus ohne nachweisbare Spuren von Rechtsextremismus.

Das Nachweisbare zählt naturgemäß nicht für Leute, die mit dem Gegenteil von Evidenz arbeiten, nämlich dem Gerücht. Gerüchte breiten sich bekanntlich aus wie Ölflecken. Unter der Insinuation von Radisch in der Zeit findet sich eine Lesermail, die hier beispielhaft für etliche Zuschriften der gleichen Sorte zitiert werden soll:
„Eine sehr gute Entscheidung! Monika Maron kann ja bei ihren neuen Freunden weiter publizieren. Ein Buch über eine Mischlingshündin werden die Ritter aber kaum bringen, da geht es reinrassig zu.“

Das Hamburger Blatt, das in anderen Fällen oft Lesermails löscht und das mit strengen Kommentaren begründet wie „verzichten Sie auf Unterstellungen“ oder „bleiben Sie sachlich“, ließ diese und ähnliche Zuschriften stehen.
Neben Dagens Verlag muss auch die Buchhändlerin selbst entsprechend markiert werden, damit sie ausreichend auf Maron zurückwirkt.

Richard Kämmerlings, literarischer Korrespondent der Welt, schreibt: „Susanne Dagen ist auf vielfältige Weise mit dem Antaios Verlag und der AfD vernetzt.“ Die Loschwitzer Buchhändlerin sitzt im Ortschaftsrat und im Dresdner Stadtrat – allerdings für die Freien Wähler. Kämmerlings liefert keinen Beleg für eine „Vernetzung“ – obendrein eine Vielfältige – der Buchhändlerin mit der AfD. Auch nicht auf Anfrage von TE und Publico. Dagen saß einmal kurzzeitig im Kuratorium der Desiderius-Erasmus-Stiftung, die von der AfD als parteinahe Stiftung anerkannt wurde. Für eine „vielfältige Vernetzung“ in der Gegenwart gibt das kein Material her, abgesehen davon, dass selbst eine AfD-Mitgliedschaft Dagens immer noch nicht auf Maron abfärben würde.

Zwei Welt-Autorinnen fanden offenbar durch Internetrecherche heraus, dass Dagen und Kubitscheks Frau Ellen Kositza seit einiger Zeit eine auf Youtube verankerte Literatursendung produzieren, in der sie gemeinsam mit einem Gast Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt vorstellen*. Auch in ihrem Welt-Artikel wird wieder durchgekoppelt: Kubitschek, Kositza, Dagen, Maron. Denn: Seit es die Sendung gibt, wurden dort auch zwei Bücher Marons vorgestellt. „Die Autorin selbst war nie in der Sendung zu Gast“, heißt es in der Welt: „Das ist aber auch gar nicht nötig, denn beim Zuschauen bekommt man den Eindruck, Maron spreche unmittelbar durch ihre Figuren zu den Kritikerinnen.“ Buchfiguren sprechen zu den Kritikerinnen! Möglicherweise sogar zu den sonstigen Lesern. Alerta, alerta. Erstaunlich, wer alles zum Thema Literatur und Kontaktverfolgung bei der Welt in die Tasten greifen darf, bei einem Blatt, das auch die 1925 von Ernst Rowohlt und Willy Haas gegründete Literarische Welt herausgibt.

Im Deutschlandfunk kommt eine Literaturwissenschaftlerin namens Andrea Geier zu Wort, die eine Art Gutachten zu Maron abgibt. Der Sender fasst seine Sachverständige so zusammen: „Zwar dürfe man Aussagen und Haltungen von Marons literarischen Figuren nicht auf die Autorin übertragen. Die meldete sich jedoch auch als öffentliche Person mit undifferenzierter Islamkritik zu Wort und mit Vokabular aus neurechten Diskursen.“

Ein durchsichtiges Spiel
Wer bleibt, der wechselt die Seiten
Wie eine nach Geiers Maßstäben differenzierte Islamkritik auszusehen hätte, erfahren wir nicht. Maron äußert sich zum Thema des politischen Islam etwa so wie Alain Finkielkraut, Pascal Bruckner oder neuerdings sogar Emmanuel Macron. Für eine einigermaßen offene Gesellschaft stellt das kein Skandalon dar. In neototalitären Diskursen, in denen Literaturwissenschaftlerinnen von Autoren bei bestimmten Themen nach allen Seiten abgesicherte Stellungnahmen erwarten und Verlegerinnen politische Berechenbarkeit, sieht das offenbar anders aus.
Die Gerüchterstattung über die Schriftstellerin entspricht ziemlich genau dem, was die Staatsicherheit unter „Zersetzung“ verstand, festgehalten in der Richtlinie 1/76:

„Systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben.“

Natürlich werden die maßgeblichen Verantwortlichen von Fischer diese Parallele genau so empört zurückweisen wie Journalisten, die systematisch den Ruf einer Autorin mit Halb-, Viertel- und Nichtwahrheiten diskreditieren. Sie weisen es schon mit dem Argument zurück, sie hätten biografisch nichts mit dem DDR-Apparat zu tun. Das trifft zu, es macht den Vorgang aber eher gespenstischer als harmloser, wenn ganz ähnliche Muster unter ganz anderen Bedingungen und dreißig Jahre später wieder auftauchen.

Feuilleton in Zeiten des Verdachts

Ein Autor konnte in den goldenen Zeiten der Bundesrepublik noch verlangen, für seine Bücher beurteilt zu werden und nicht dafür, wer sie neben vielen anderen Unternehmen auch vertreibt. Er durfte darauf bestehen, mit seinen Ansichten wahrgenommen zu werden und nicht mit denen von Freunden beziehungsweise deren Bekannten, und erst recht nicht anhand von Hörensagen-Kolportagen im Feuilleton.

Götz Kubitschek mit seinem Institut für Staatspolitik steht ohne Zweifel weit rechts, aber nicht weiter als die Rowohlt-Autorin Margarete Stokowski links steht, die immerhin mit „Antifa ist Handarbeit“ politische Gewalt nur leicht verblümt rechtfertigt. Ihr Verlag stößt sich nicht daran, der Spiegel, für den sie schreibt, ebenfalls nicht. Und Götz Kubitschek ist eben nicht Susanne Dagen und Susanne Dagen nicht Monika Maron. Es mag ja in Zeiten von Zuschreibungen, Poststrukturalismus und Verdachtshermeneutik eine unerhörte These sein: Aber nur Monika Maron ist Monika Maron.

Monika Maron
Der Rausschmiss
Die Hanser-Autorin Kübra Gümüsay empfiehlt in ihrem Buch „Sprache und Sein“, den türkischen Autor Necip Fāzıl Kısakürek in Lehrpläne deutscher Schulen aufzunehmen, einen Schriftsteller, der aus seinem Antisemitismus, seinem Hass gegen Jesiden und Aleviten keinen Hehl machte (die er an einer Stelle mit Unkraut vergleicht). Bei ihr und Stokowski müssen die Positionen nicht erst durch Assoziationsketten mühsam hergeleitet werden. Es handelt sich erkennbar um die Ansichten der Autorinnen selbst.

Auch nur einen halbwegs ähnlichen totalitären Flirt findet bei Maron niemand. Im Gegenteil: Sie stand schon in den achtziger Jahren in der DDR gegen eine totalitäre Herrschaft, sie machte mit „Flugasche“ auf die von der SED betriebene Umweltzerstörung in der Phase der Diktatur aufmerksam, als Zeit-Chefredakteur Theo Sommer durch die DDR reiste und dort eine „stille Verehrung“ für Erich Honecker wahrnahm. Bis heute steht Maron auf demokratischem Boden. Von diesem Ausgangspunkt attackiert sie den Machtanspruch des Islam und fragt, was dem Westen die Aufklärung wert ist. Vor dieser Folie lässt sich erst die Perfidie ermessen, wenn gegen sie die Tradition des Fischer-Verlags in Stellung gebracht wird, etwa von Kämmerlings in der Welt:

„Um zu verstehen, warum gerade dieses kleine Bändchen einen Bruch endgültig machte, der sich schon länger abgezeichnet haben soll“, schreibt er, „muss man sich die Geschichte und das Selbstverständnis des Hauses klarmachen. Der S. Fischer Verlag, gegründet 1886 vom jüdischen Publizisten Samuel Fischer und von dessen vor den Nazis geflohenem Sohn Berman Fischer nach 1945 neu aufgebaut, ist der Exilverlag der Bundesrepublik, in doppeltem Sinne: Der Verlag ging (nach der komplizierten Trennung von Suhrkamp) aus dem Exil hervor, und er ist bis heute ein Verlag nicht zuletzt von ins Exil gezwungenen Autoren wie Stefan Zweig, Franz Werfel oder Thomas Mann.“

Nun war Gottfried Bermann nicht der Sohn, sondern der Schwiegersohn Samuel Fischers, und der Verlag ging auch nicht ganz ins Exil, ein Teil blieb unter der Leitung von Peter Suhrkamp in Deutschland. Die Verlagsgeschichte ist also etwas komplexer. Aber wenn jemand schon versucht, aus der Tiefe der Geschichte heraus zu argumentieren, dann müsste er sie auch umfassend erzählen. Fischer ist, siehe oben, kein selbständiger Verlag, er gehört zur Holtzbrinck Verlagsgruppe. Dessen Chef Stefan von Holtzbrinck kann nichts für seinen Vater. Aber Georg von Holtzbrinck war nun wirklich weder äußerer noch innerer Exilant, sondern NSDAP-Mitglied (Nummer 2126353) und Profiteur des Regimes. Zusammen mit seinem Partner August-Wilhelm Schlösser verlegte er die Mitgliederzeitschrift der Deutschen Arbeitsfront und druckte Hans Grimms „Volk ohne Raum“, beides in hoher, profitabler Auflage.

Würde jemand schreiben: ‘Verlag, der einem Nazi-Sohn gehört, feuert Autorin aus jüdischer Familie‘, dann wäre das ungerecht, verzerrt und böswillig. Mit anderen Worten: Es wäre so ähnlich wie etliche Texte über Marons Rauswurf bei Fischer.
Gerade wegen der Geschichte sowohl der Verlagsgruppe als auch der Autorin ist es absurd, so zu tun, als hätte Siv Bublitz in letzter Sekunde ein antifaschistisches Erbe vor der Befleckung durch eine langjährige Autorin gerettet.

Deren verlogen begründeter Rauswurf stellt ein Novum in der bundesdeutschen Verlagsgeschichte dar, das dauerhaft an Bublitz kleben bleiben wird. Leider bleibt der Vorgang auch an S. Fischer haften, einem Haus, das entschieden größer ist als seine aktuelle Verweserin.

*In der Büchersendung „Aufgeblättert, zugeschlagen“ des Buchhauses Loschwitz war auch der Autor dieses Textes zu Gast.

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