Die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, streitet mit US-Finanzminister Steven Mnuchin um das nächste Corona-Hilfspaket. Ein für Dienstag angesetztes Ultimatum lief wirkungslos aus, jetzt sollen an diesem Wochenende Mittel von bis zu zwei Billionen Dollar für ein neues Corona-Hilfspaket gesprochen werden. Die Wall Street schwankt mit Blick auf den ausstehenden Stimulus zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Erfreulicher liefen die bisherigen Bilanzvorlagen der US-Unternehmen. Enttäuschungen gab es zwar vereinzelt, etwa bei Investorenliebling Netflix, die positiven Überraschungen aber überwogen.
Am Freitag war es immer noch das anhaltende Hickhack um das Corona-Konjunkturpaket, das die US-Anleger zur Vorsicht bewog. Die wichtigsten Aktienindizes schlossen nach einem zähen Handelsverlauf nur wenig verändert. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial fiel um 0,1 Prozent auf 28.336 Punkte. Auf Wochensicht ergibt dies einen Verlust von ein Prozent. Der marktbreite S&P 500 legte um 0,3 Prozent auf 3.465 Punkte zu, der technologielastige NASDAQ 100 rückte um 0,25 Prozent auf 11.693 Zähler vor.
Positive Neuigkeiten gab es derweil im Kampf gegen die Virus-Pandemie, denn die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte das Medikament Remdesivir nun zur Behandlung von Covid-19-Erkankungen zugelassen. Die Anteilscheine von Gilead profitierten mit einem Plus von 0,2 Prozent von diesem Schritt. Bislang hatte das Mittel nur eine Notfallzulassung. Zudem veröffentlichte das an der Nasdaq notierte deutsche Unternehmen CureVac von positiven präklinischen Daten für einen Impfstoffkandidaten. Die Aktie stieg um rund zwei Prozent.
Die Papiere von Intel waren mit einem Minus von 10,6 Prozent der klare Verlierer im Dow. Der Chiphersteller hatte in seinem Geschäft mit Rechenzentren im vergangenen Quartal die Markterwartungen verfehlt. Derweil dürften die länger andauernden Produktionsprobleme in Kombination mit einem ungünstigeren Produktmix die Ertragskraft des Konzerns in den kommenden Quartalen erheblich belasten, schrieb Analyst Ingo Wermann von der DZ Bank. Zweitschwächster Wert im US-Leitindex waren die Aktien von American Express, die 3,6 Prozent einbüßten. Geringere Ausgaben von Kreditkartenkunden hatten das Unternehmen auch im dritten Quartal belastet.
Die rasant steigende Zahl von Corona-Fällen belastet die Verbraucherstimmung in Deutschland. Das von der Nürnberger GfK veröffentlichte Konsum-Barometer signalisiert für November einen Rückgang um 1,4 Punkte auf minus 3,1 Zähler. „Die Furcht steigt vor einem weiteren Lockdown“, erklärt GfK-Experte Rolf Bürkl. Die Konsumenten gehen offenbar davon aus, dass sich infolge steigender Infektionszahlen die bislang erhoffte rasche Erholung der Wirtschaft verlangsamt.
Nach einer schwachen Woche hat der deutsche Aktienmarkt am Freitag einen Endspurt eingelegt. Der DAX ging 0,8 Prozent höher bei 12.646 Punkten aus dem Handel.
Starke Firmenberichte lockten die Anleger aus der Deckung, und so legte der DAX zum Wochenschluss wieder zu. Die Indizes für die Stimmung der Einkaufsmanager aus der deutschen und europäischen Industrie überraschten ebenfalls positiv. „Das zeigt, wie ungleich die Corona-Lasten verteilt sind“, sagte Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank. „Während viele Dienstleister unter den Eindämmungsmaßnahmen leiden, kann sich die Industrie weitgehend frei bewegen und sich dem Bann von Corona entziehen.“
Weil Aktien aus dem europäischen Bankensektor Rückenwind von robusten Zahlen der britischen Bank Barclays erhielten, ging es auch für die Aktien der Deutschen Bank und der Commerzbank aufwärts. Der Commerzbank-Aktie kam auch eine Studie von Goldman Sachs zugute, wonach das Frankfurter Geldhaus ein Übernahmekandidat sei.
Auch die Aktien von Daimler waren nach den finalen Drittquartalszahlen bei den Anlegern begehrt. Als Treiber wirkte der angehobene Gewinnausblick des Autobauers. Händler werteten diesen „leicht positiv“. Zudem schraubten die Stuttgarter ihre Ziele für den Barmittelzufluss und die Marge der Kernmarke Mercedes-Benz hoch. Die Zahlen klängen allerdings besser als sie bei genauerem Hinsehen seien, kritisierte ein Börsianer. So sei der angepeilte Freie Cash Flow vor dem Hintergrund des Quartalsergebnisses wenig ehrgeizig. Zum Wochenschluss stand MTU an der DAX-Spitze gefolgt von Merck und Fresenius Medical Care. Als Schlusslicht ging der Essenslieferdienst Delivery Hero ins Wochenende.
Im Brexit-Streit hat der britische Premier Boris Johnson offensichtlich zu hoch gepokert. Erst ließ der Premier mitteilen, dass die Gespräche mit der EU de facto zu Ende seien. Drei Tage später der Rückzieher. Die britische Regierung wolle nun doch die Gespräche über die künftigen Beziehungen zur EU fortsetzen. Ein wichtiger Grund laut Fondsgesellschaft BrandywineGlobal: „Die britische Wirtschaft könnte eine Doppelbelastung aus Pandemie und No-Deal-Brexit nur schwer stemmen. Folglich dürfte Boris Johnson unabhängig von öffentlichen Verlautbarungen kompromissbereit sein.“ Aber auch die Idee einer Brexit-Einigung, die ein übergreifendes Handels-abkommen umfasst und zugleich die Finanzbranche regelt, erscheint aus Sicht der Experten als sehr optimistisch. Wahrscheinlicher ist ein schrittweises Vortasten, bei dem Zwischenabkommen auf Zwischenabkommen folgt und strittige Punkte nach und nach verhandelt werden. Damit könnten auch die befürchteten milliardenschweren Folgen eines harten Brexits vermieden werden. Allein auf deutsche Exportunternehmen kämen in diesem Fall laut einer aktuellen Studie der Allianz Umsatzverluste in Höhe von knapp acht Milliarden Euro jährlich zu.
Viel wird infolge der Corona-Krise über die Lage der Großkonzerne in Europa diskutiert. Doch wie sieht die Lage der Mittelständleraus, die deutlich mehr zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung beitragen? Nicht so gut, legt man eine aktuelle Analyse des Kreditversicherers Euler Hermes zugrunde. Demnach „weisen europäische Mittelständler eine sehr hohe Verschuldung auf, eine erheblich verschlechterte Profitabilität und eine nicht ausreichende Kapitalisierung“, so Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Den Mittelständlern in Italien und Frankreich fehlen aktuell Finanzmittel in Höhe von schätzungsweise insgesamt rund 100 Milliarden Euro — trotz der umfangreichen Konjunkturpakete. Aber ein Großteil der Mittelständler erweise sich auch in der aktuellen Krise als sehr robust, insbesondere in Deutschland, sagt van het Hof. „Diese Tatsache darf aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in ihrem Schatten in Europa zahlreiche Zombie-Unternehmen gibt — auch schon vor der Covid-19-Pandemie. In Italien war beispielsweise schon vor der Krise rund ein Fünftel der Mittelständler wirtschaftlich eigentlich gar nicht mehr lebensfähig, in Frankreich und Deutschland waren es nur etwa halb so viele.“