Letztens hatten wir uns ein Auto geliehen. Es standen Besorgungen an. Elli fuhr, ich saß brav auf dem Beifahrersitz. Ich erfreute mich am Gefahrenwerden und an der an uns vorbeiziehenden Welt. Neugierig schaute ich in die Autos, die sich die Straße mit uns teilten.
Einige der Mit-auf-der-Straße-Fahrenden stierten missmutig vor sich hin. Ein oder zwei sangen zur Musik ihres Autoradios. Hin und wieder fuhr einer Schlangenlinien, doch man sah es ihm stets nach, es ist nicht einfach zu schalten, zu lenken, das Mobiltelefon ans Ohr zu halten und bei all dem noch zu gestikulieren.
So weit, so normal – doch dann erschrak ich für eine Sekunde!
Neben uns war einer dieser SUVs vorgefahren (gesprochen: »Es Ju Vis« – es amüsiert mich noch immer ein wenig, dass diese Stadtpanzer wörtlich »Sports Utility Vehicle« heißen, aber meist mit Sport ähnlich wenig zu tun haben wie eine gewisse Schokolade es tut (wenn diese Fahrzeuge auch gepanzerter und kriegerischer wirken als jene Schokolade, welche doch eigentlich auch die gepanzerten mittelalterlichen Krieger im Namen trägt)).
Dass dieser eine SUV nun neben uns vorfuhr, ließ mich zwar kurz, aber wenig ritterlich aufschrecken, doch nicht (nur) weil es ein kriegerisches Fahrzeug ist – der Grund war: Es sah für einen Moment so aus, als säße niemand am Lenkrad!
Für einen Augenblick hatte ich den Eindruck, dass sich in dem fahrenden SUV überhaupt kein Fahrer befand! Ich richtete mich auf und schaute genauer hin, dann sah ich: Es saß durchaus eine Fahrerin in dem SUV, doch sie war ein eher kleines Persönchen und sie hatte wohl versäumt, den Sitz hochzupumpen. Die Fahrerin saß so niedrig, dass sie kaum übers Lenkrad hinaussah!
Als ich dann die kleine Fahrerin im großen Auto mit dem viel zu niedrig eingestellten Sitz entdeckt hatte, fragte ich mich, ob sie über oder durchs Lenkrad hindurch auf die Straße schaute. Und dann fragte ich mich weiter, was für ein Fahrgefühl es wohl sein muss, mit ihr im Auto zu fahren, wissend, dass sie kaum die Straße sieht – womit wir bei der Politik des Tages wären!
Muss ich mehr sagen?
In manchen amerikanischen Arztpraxen soll, so habe ich im Internet gelesen, ein Aushang angebracht sein, auf welchem sinngemäß erklärt wird: »Wenn Sie mit einer Diagnose ankommen, die Sie sich im Internet ergoogelt haben, zahlen Sie 100 Dollar extra!«
Ich bin kein Arzt, wenn ich auch »lauter schwierige Patienten« behandle (frei nach Reich-Ranicki, welcher damit die schreibende Zunft meinte – aber gut, er sagte über Schreiber auch, es gäbe derer zwei Arten: Schweine ohne Talent und Schweine mit).
Nein, ich bin kein Arzt und nicht nur stört es mich wenig, wenn Sie sich die Nachrichtenlage vorab ergoogelt haben, bevor Sie mich lesen – ich erwäge, dies ab sofort vorauszusetzen! Ein brauchbarer Student geht ja auch nicht ins Hauptseminar, ohne den Stoff vorher zumindest quergelesen zu haben. Ich nehme hin, ein »Schwein« zu sein (und hoffe dabei natürlich, zu den talentierten unter den Schweinen gezählt zu werden, und gestehe gern, auch noch zur Gruppe der faulen Schweine zu gehören, welche sich gern Arbeit sparen würden (und unter diesen wiederum zu den dummen: ich schreibe zwanzig Zeilen, um zehn zu vermeiden)).
Ein Organist in der Kirche – Sie wissen schon: diese Gebäude, die in toleranten Ländern schon mal brennen – ein Organist pustet ja nicht selbst in die Orgelpfeifen, nein, wenn der Organist seine Fuge orgelt, bedient er die Tasten und Hebel seines Instruments, und er verlässt sich darauf, dass die Maschinerie die Pressluft in die Röhren schiebt und den eingestellten Ton erklingen lässt.
In diesem Geiste also: Spahn, Laschet, Maas, Söder, Scholz, Giffey … und natürlich diese Frau, deren Namen ich vergessen habe, weil sie mich so an Margot Honecker erinnert.
Muss ich noch mehr Tasten bedienen? Nein. Genug georgelt! Auf zur Deutung.
Nicht mal deren Wähler
Der Rechtsanwalt und liberale Kämpfer für das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung Joachim Steinhoefel notierte jüngst:
Früher hatte Deutschland in der Krise (Elbflut) Staatsmänner wie Helmut Schmidt. Heute haben wir Jens Spahn und Manuela Schwesig. (@Steinhoefel, 13.10.2020)
Mein Verdacht: Nicht mal deren Wähler nehmen diese Leute noch ernst. Totales Versagen im Amt ist den deutschen Bürgern noch lange kein Grund, einen Politiker und seine Partei nicht wieder zu wählen. Auch Andreas »PKW-Maut« Scheuer wird weiter Politik treiben, wetten?
Das Volk, von dem Lenin einst gesagt haben soll, es würde vor Besetzung des Bahnsteigs zuerst brav eine Bahnsteigkarte lösen, dieses folgsame Völkchen, es wählt nicht mit dem eigenen Wohl im Blick. Die Deutschen wählen nicht mit dem Verstand, die Deutschen wählen aus Gehorsam. Die Deutschen wählen, als wollten sie unbedingt vermeiden, mit ihrer Wahl die Mächtigen zu verärgern.
Den Deutschen Staatspanzer
Das deutsche Führungspersonal sind eher kleine Leute (einige auch körperlich, wobei das allein natürlich kein Vorwurf ist, lediglich treffende Selbstsymbolik) – es sind kleine Leute und sie haben niemanden, der ihnen den Sitz hochstellt.
Diese Gestalten sitzen in einem Fahrzeug, dass viel zu stark für ihre Fähigkeiten ist, und sie treten aufs Gas, und sie überblicken definitiv nicht, wohin sie den Deutschen Staatspanzer lenken, und sie schrammen »funkensprühend« an den Leitplanken der Rechtsstaatlichkeit entlang (vergleiche Essay vom 9.3.2018: »40 Jahre Zähneziehen: das vierte Kabinett Merkel«).
Und doch, so herzzerreißend blöd und zynisch böse das Handeln der Merkeltruppe und ihrer Zuarbeiter im verfluchten Staatsfunk auch ist, die Gegenwart ist nicht meine allergrößte Sorge.
Stell dir vor, du sitzt als Beifahrer in einem gefährlich stark motorisierten SUV, und der Fahrer sieht die Straße nicht, und das Blech scheppert, doch das Auto ist so stark, dass die Fahrt erst einmal dennoch irgendwie weitergeht – in dem Moment sind die Funken nicht dein größtes Problem – es ist die Erwartung der nahen Zukunft, wenn und wie die Fahrt denn eben doch irgendwie endet, das Kommende ist, was deine Panik erst so richtig anfacht.
Wo die Airbags funktionieren
Wer in einem Auto säße, dessen Fahrer nicht auf die Straße sieht, und auch sonst wenig mitbekommt, dafür aber umso selbstbewusster fährt, was sollte er tun?
Klar, man könnte versuchen, auf den Fahrer einzureden, doch wie oft haben wir von Politikern gehört, »all das Geschrei der rechten Hetzer« sei in Wahrheit eine Bestätigung dafür, dass man richtig liege? Oft, erschreckend oft! Wie soll man einem widersprechen, der sich selbst überzeugt hat, jeder Widerspruch würde ihn erst recht bestätigen?!
Prüft, dass eure Sicherheitsgurte gut sitzen. Setzt euch auf einen Sitz, wo die Airbags funktionieren – so ihr noch Zeit und Geld dafür habt.
»Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen«, so sagte Henry Ford, »hätten sie gesagt schnellere Pferde.«
Ach, Pferde riechen mir zu streng und allzu rasantes Fahren ist auch nicht so meines. Mich fragt ja keiner (was mich nicht vom Verbreiten meiner Meinung abhält), aber wenn mich einer doch fragen würde, würde ich weder schnellere Pferde noch komfortablere Kutschen erbitten.
Wenn man mich fragen sollte, was ich mir in politischen Dingen wünschte, dann würde ich mir Politiker wünschen, die groß genug sind, um übers Lenkrad hinaus zu sehen.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.