Gestern veröffentlichte die New York Post, die viertgrößte Zeitung der USA, einen Artikel, in dem geleakte Emails veröffentlicht wurden, die zeigen, wie sich ein ukrainischer Geschäftsmann bei Hunter Biden (dem Sohn von Joe Biden) dafür bedankt, dass der ein Treffen mit seinem Vater, der damals Vizepräsident der USA war, arrangiert hat. Seit langem sieht sich Joe Biden dem Vorwurf ausgesetzt, er habe zugunsten der Geschäftsinteressen seines Sohnes seine politische Stellung missbraucht.
Die Vorwürfe rund um Hunter Biden und das ukrainische Unternehmen Burisma sowie eine mögliche Verbindung zu Joe Biden sind schon lange Grund für Kontroversen in den USA. Das demokratisch geführte Repräsentantenhaus leitete Ende letzten Jahres ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump ein – weil er auf die Ukraine Druck ausgeübt haben soll, diese Verbindung zu untersuchen und gegen Biden zu ermitteln. Trump bestreitet die Anschuldigungen und wurde Anfang dieses Jahres vom Senat freigesprochen.
Bemerkenswert ist aber, was nun in den Sozialen Medien mit der Story passiert. Der Policy Communications Director von Facebook, Andy Stone, schrieb auf Twitter, das Unternehmen werde die Verbreitung des Artikels einschränken, noch bevor überhaupt sog. Faktenchecker den Beitrag überprüft hätten.
Twitter hingegen ging sogar noch drastischer vor, ab einem bestimmten Punkt konnte niemand mehr den Link zum Artikel twittern. Nutzer, die das getan hatten, wurden gesperrt.
Teilweise waren Twitter-Nutzer sogar nicht in der Lage, den Link in privaten Direktnachrichten auf der Plattform zu teilen:
Sohrab Ahmadi, Redakteur bei der New York Post, sprach von einem “digitalen Bürgerkrieg” und schrieb auf Twitter: “Ich, ein Redakteur bei der New York Post, einer der größten Zeitungen des Landes, kann keine unserer eigenen Geschichten veröffentlichen, in denen die Korruption eines Präsidentschaftskandidaten einer der großen Parteien, Biden, beschrieben wird.”
Da der Account der New York Post den Link vor der Blockierung geteilt hatte, wurde auch deren Account eingeschränkt bzw. für das Posten weiterer Beiträge blockiert.
Twitter blockierte allerdings nicht nur aktiv die viertgrößte Zeitung in den Vereinigten Staaten, irgendetwas auf der Plattform zu veröffentlichen, auch der Privat-Account der Sprecherin des Weißen Hauses Kayleigh McEnany wurde zeitweise gesperrt, weil sie jeweils die NYP-Story über Biden geteilt hatten. Auch der Account des Schauspielers James Woods wurde abermals „vorübergehend eingeschränkt“.
Einige Nutzer twitterten in Reaktion darauf dann eine im Web archivierte Variante des Links, was zunächst möglich war. Aber auch diese URL wurde kurz darauf gesperrt.
Die Republikaner im Justizausschuss des Repräsentantenhauses veröffentlichten daraufhin Informationen und den Link zum Artikel auf Seiten des US-Kongresses.
Wenn man auf Twitter versucht, den Link zu deren Seite zu öffnen, wird man mit einem Hinweis konfrontiert, der davor warnt, dass es sich eventuell um “irreführende Inhalte“ handelt, „die zu realem Schaden führen könnten, oder bestimmte Kategorien von Inhalten, die, wenn sie direkt auf Twitter veröffentlicht werden, einen Verstoß gegen die Twitter-Regeln darstellen”.
Ein Twitter-Sprecher bestätigte die Blockade gegen den New York Post-Artikel gegenüber dem Washington Examiner und erklärte: „Angesichts des Mangels an maßgeblicher Berichterstattung über die Herkunft der in dem Artikel enthaltenen Materialien ergreifen wir Maßnahmen, um die Verbreitung dieser Informationen zu begrenzen.“
Viele Nutzer merkten daraufhin an, dass Artikel mit unklaren Quellen für Attacken gegen Trump nie blockiert oder entfernt wurden. Etwa ein Artikel des Atlantic, in dem behauptet wurde, Trump hätte verstorbene Soldaten beleidigt, obwohl hochrangige Regierungsmitglieder, selbst scharfe Trump-Kritiker wie der ehemalige nationale Sicherheitsberater John Bolton, das vehement bestritten haben. Ebenso kann das iranische Regime ungestört Gewaltphantasien gegen Juden verbreiten. Aber ein Artikel zu Hunter und Joe Biden ist zu gefährlich für das Soziale Netzwerk?
Die offensichtliche Doppelmoral und das gezielte Vorgehen gegen Konservative wird in den USA schon lange von Republikanern kritisiert. Dieser Vorfall stellt aber eine neue Dimension dar, es handelt sich schließlich um eine der größten Zeitungen in den USA.
Unter Republikanern führt Senator Josh Hawley aus Missouri die Gruppe der besonders scharfen Kritiker von “Big Tech” (den großen Internetunternehmen) an. Er fordert seit langem Gesetzesänderungen und droht den Unternehmen, den Status als Plattform, durch den sie von der Haftung für Inhalte auf den Plattformen befreit sind, zu entziehen, da sie wie Publikationen redaktionell in ihren Inhalt eingreifen würden und damit auch wie solche voll haftbar gemacht werden sollen. Jedes Online-Medium wird schließlich auch für seine Kommentarsektion haftbar gemacht.
Senator Hawley schrieb umgehend einen Brief an Facebook und Twitter und forderte die Unternehmen auf, Stellung zu beziehen, welche Standards es für die Sperren verwendete, und ob das Unternehmen im Kontakt mit der Biden-Harris-Kampagne stand:
Einen ähnlichen Brief verfasste auch Senator Ted Cruz aus Texas als Vorsitzender des Unterausschusses für die Verfassung, der fragte, ob die New York Times oder Washington Post oder ein Trump-kritischer Artikel jemals von so einer Sperre betroffen waren:
Inzwischen äußerte sich auch Twitter-CEO Jack Dorsey auf Twitter und erklärte: “Unsere Kommunikation rund um unser Handeln mit dem New York Post Artikel war nicht so toll.” Es hätte nicht entsprechenden Kontext gegeben, die Zensuraktion an sich kritisierte er aber nicht.
Nach der Wahl 2016 wurden die Sozialen Netzwerke von linker Seite heftig für personalisierte Werbung kritisiert, deren Algorithmus Trumps Sieg angeblich erst möglich gemacht hätten. Das Vorgehen der Sozialen Netzwerke jetzt hat allerdings eine ganz andere Dimension. Dass zwei derart mächtige Unternehmen, die zur Unabhängigkeit verpflichtet sind, um ihren Rechtsstatus zu behalten, in dieser Weise in den US-Wahlkampf eingreifen, ist ein handfester Skandal. Gut möglich aber, dass man den Demokraten damit einen Bärendienst erwiesen hat: Durch das unglaubliche Vorgehen der Sozialen Netzwerke bekommen die Vorwürfe gegen Joe Biden am Ende wohl eine noch höhere Aufmerksamkeit. Und Joe Bidens einziger wirklicher Image-Vorteil – er, der Saubermann gegen den Rüpel Trump, der alle Grenzen überschreitet – gerät ins Wanken.
Sebastian Thormann (20) ist Autor des Jugendmagazins Apollo News.