Es gibt sie, die absolut unpassenden „Altherren-Witze“, die in rauchgeschwängerten Hinterzimmern zum kurzweiligen Amüsement eines bestimmten Typus dienen und die untermauern sollen, wie mächtig und himmelweit überlegen doch das männliche Geschlecht gegenüber dem weiblichen sei.
Ja, diese Witze sind oft geschmacklos – und ja, der eine oder andere entlockt aber nicht nur einem Mann ein Schmunzeln. Denn in jedem Witz liegt auch ein Funke Wahrheit, jeder Spaß hat einen Hauch Substanz. Und ohne faktische Grundlage wäre der Witz nichts, ja, hätte der Spaß eben keinen Boden.
Die Parodie, die Glosse, der Sarkasmus und all die anderen Stilblüten können doch gerade deswegen neben der Welt der Ernsthaftigkeit und Seriosität existieren, weil von dort etwas herüberschwappt und eine Parallelwelt nährt, die aus der Not gewissermaßen eine Tugend macht. Und nicht nur das, sie spiegelt sogar eine uralte Lebensphilosophie wider: Nichts ist entweder gut oder schlecht, nur das Denken macht es dazu – dies sagte uns schon der alte Shakespeare …
Es gehört sich also, in diesen Angelegenheiten mehrere Typen zu unterscheiden: Der eine Typus mag sich über etwas echauffieren, der andere mag es schlicht zur Kenntnis nehmen und der „lachende Dritte“, der wahre Lebenskünstler unter den Beteiligten, weiß auch noch die unangenehmste Situation in eine mit Sinn geladene Form zu gießen und kann ihr somit etwas Positives, zumindest aber Lehrreiches abgewinnen, ohne dabei auch nur im Entferntesten die Grenzen eines anderen zu tangieren. Was in jedem Fall dabei herausspringen darf, ist ein kleines Lächeln, das der Bitterkeit einen Hauch Süße beizufügen und auf diese Weise die Schärfe aus einer spannungsgeladenen Situation zu nehmen vermag.
Nun gibt es in dieser Gemengelage aber noch einen weiteren Typus: Denjenigen nämlich, der meint, ein solcher Lebenskünstler zu sein. Er ist mit äußerster Vorsicht zu genießen, neigt er doch dazu, sich unter dem Tarngewand der Heiterkeit einer ganz besonders tückischen Form von Meinungsfreiheit zu bedienen. Gewollt, aber eben meist nicht gekonnt, erhebt er sich dazu, in vermeintlich sprühender Sprachintelligenz unangebrachte, unanständige Äußerungen unter die Öffentlichkeit zu bringen, die weder einen triftigen Kerngehalt vorzuweisen haben noch der Sache recht dienlich sind.
Besonders problematisch ist es, wenn Themen rund um Frauen, Feminismus und Geschlechtergerechtigkeit in Rede stehen; so wie es sich jüngst im Falle einer Berliner Staatssekretärin ereignete. Es gab einen unqualifizierten und leider auch noch völlig unfruchtbaren Satz in einem Satirebeitrag in diesem Magazin, dessen Schwerpunkt um die Tatsache rankte, dass diese – wie die allermeisten anderen Frauen auf der Welt – einen G-Punkt hat.
Dieser sagenumwobene Punkt ist schon vielfach Gegenstand so manches „Witzes“ gewesen, indes wurde er wissenschaftlich gut erforscht und nach seinem Entdecker, dem deutschen Gynäkologen Ernst Gräfenberg, benannt. Es handelt sich um eine angeblich besonders erogene Zone in der Vagina, deren technisch versierte Stimulation so manche Frau in luftige Höhen erotischer Leidenschaften befördern können soll. Und Fakt ist: Diese Zone existiert tatsächlich nur im weiblichen Körper. Ein Mann mag darüber gern zu witzeln versucht sein, vielleicht steckt ihm dabei auch eine Portion Neid im Leib, weil er selbst nicht in der Lage ist, derartig lustvolle Momente zu erfahren … es wurde auch im Sexualkundeunterricht in der Schule viel gekichert, als man noch nicht wirklich verstand, worum es bei Anatomie, Physiologie und Pathologie gehen kann; als man noch nicht wirklich verstand, dass der Schöpfer solche Dinge eher weniger zur Belustigung als vielmehr um der Erhaltung unserer Spezies willen geschaffen hat.
Es ist natürlich (gerade für Fachpersonal) immer wieder betrüblich, mitansehen zu müssen, dass diverse Laien schlichte anatomische Tatsachen in schlüpfrige Kontexte einbetten, um damit Aufmerksamkeit, einen Alibi-Lacher und eine witzig klingende Textpassage zu generieren. Aber auch wenn das Ziel die Zurschaustellung einer etwaigen sprühenden Sprachintelligenz sein sollte – es bleibt, was es ist: ein „Spar-Witz“.
Mir als Frau fehlt leider jedwedes Verständnis für Vorkommnisse rund um das „G-Punkt-Gate“, sowohl bezüglich der einen wie auch der anderen Seite. Wir sprechen hier über das Spannungsverhältnis zwischen grundgesetzlich manifestierter Meinungs- und Pressefreiheit einmal und der Gesamtheit des Themenblocks Frauen, Geschlechtergerechtigkeit, Diskriminierung des Weiblichen sowie Sexismus zum anderen. Aber mit Verlaub: Ein Skandal ist es nicht, wenn über eine in der Öffentlichkeit stehenden Politikerin in einem Magazin des medialen Mittelgewichts, in einer Rubrik für Satire, überspitzt über eine Gräfenberg’sche Zone geschrieben wird, die Kolleginnen als einzigen Vorteil festgestellt haben wollen.
Im Minenfeld von (verbindlichen) Frauenquoten, Scheindebatten rund um die Begabung gewisser augenscheinlich unbegabter Frauen und Gremien-Wahlen, die wieder und wieder durchgeführt werden müssen bis der Frauenanteil endlich erreicht ist, ist es meiner bescheidenen Ansicht ein absolutes Unding, wenn Vorfälle wie dieser dazu missbraucht und auf das Unsachgemäßeste instrumentalisiert werden, um Aufmerksamkeit auf ein Thema zu lenken, das für wirklich intelligente, talentierte, ambitionierte und leistungsorientierte Frauen hanebüchener nicht sein könnte.
Es ist ein ganz klares Statement: Eine wirklich gute Frau von heute will keine Quote. Eine wirklich gute Frau von heute braucht sie auch nicht. Der Feminismus des vergangenen Jahrhunderts in allen Ehren – heute ist die Lage doch eine andere, heute braucht die Idee des „Feminismus“ mehr und heute darf sich auch eine Feministin wieder erlauben, weiblich zu sein. Eine Quotenfrau hingegen wird nach noch mehr Quoten verlangen. Und sie wird damit alle wirklich begabten Frauen diskriminieren. Wer kann wohl den Unterschied feststellen: Wird eine gute, begabte Frau z.B. auf einen Vorstandsposten besetzt und das unter dem Schleier einer Frauenquote – warum ist sie dann dort? Weil sie eine Frau ist oder weil sie es einfach kann? Wer wird all diese Quotenfrauen ernst nehmen? Wer wird aufhören, „Altherren-Witze“ zu erzählen, wenn Frauen nicht endlich aufhören, in die immer gleiche Kerbe zu schlagen und sich unter dem Deckmäntelchen des „Female Empowerment“ zu nehmen, was ihnen angeblich zusteht?
Die Frauenquote ist, mit Verlaub, das Unanständigste, was den begabten, talentierten und potentialträchtigen Frauen passieren konnte. Die Quote diskriminiert! Sie diskriminiert Männer wegen ihres männlichen Geschlechts, und das in Zeiten, wo man an fast jeder Stelle „Antidiskriminierungsbeauftragte“ antrifft. Sie diskriminiert aber zugleich auch die Frauen, die überhaupt keine Quote bräuchten, um eine ihren Kompetenzen angemessene Karriere zu machen. Der Gedanke ehrt die Verfechter: Gute Frauen sollen eine gute Chance bekommen, sich zu beweisen und Karriere machen können. Vielleicht ist sogar die ein oder andere sehr gute Frau von einer Quote erfasst und schafft dadurch schneller, leichter und reibungsloser den Sprung auf ein neues Karriere-Level. Aber wenn man es überhaupt so bezeichnen kann, dann ist die Quote nur für eine einzige Gruppe wirklich nützlich: für all diejenigen Frauen nämlich, die es ohne sie niemals an die Stellen geschafft hätten, an denen sie nun dank ihrer stehen.
Die Frauen, die von der Frauenquote profitieren und sich hierfür stark machen, erweisen ihren tatsächlich förderungswürdigen Kolleginnen schlicht einen Bärendienst. Nun kann man sich über die Quotenfrauen aufregen und gewiss zu Recht sagen, dass der Gesellschaft ohne die Quote eine Reihe von Aufregern und der Wirtschaft eine Reihe von personalpolitischen Problemen erspart blieben. Aber wäre an der fraglichen Stelle nicht eine ungeeignete Frau, wäre es vielleicht ein ungeeigneter Mann. Und auch dies kann niemand hinweg diskutieren: Es gibt sie, die guten, begabten Männer, aber unter ihnen gibt es mindestens genauso viele unbegabte wie sie es vice versa unter den begabten Frauen gibt.
Um an dieser Stelle noch einmal auf die Tatsache zurückzukommen, dass jüngst ein deutscher Publizist mitunter auf’s Übelste gesellschaftlich gescholten wurde, weil er über seine Plattform einem scheinbaren Skandal Tür und Tor geöffnet hat: Es ist wohl bezeichnend, dass einige Menschen in diesem Land inmitten von Corona, Asylpolitik, einer anstehenden Bundestagswahl und allerlei anderer politischer Sachfragen noch genügend Aufmerksamkeitskapazitäten zur Verfügung haben, um sich über eine derartig geschmacklose Quisquilie aufzuregen. Keine Staatssekretärin hat es verdient, auf einen G-Punkt reduziert zu werden. Aber ebenso wenig verdient es ein streitbarer Journalist, gesellschaftlich herabgewürdigt zu werden, weil unter seinem Namen eine Bagatelle ihren Weg in den Druck gefunden hat. Im Johannes-Evangelium heißt es da:
„Frühmorgens aber kam er wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm; und er setzte sich und lehrte sie (…) und sprach zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein“ (Joh. 8, 1-6)