Jetzt ganz langsam und zum Genießen für alle bitte, keine Hektik aufkommen lassen, fangen wir piano an, damit nachher keiner erstickt vor Lachen. Also: Der Intendant des SWR, Kai Gniffke wünscht sich ein breiteres Meinungsspektrum in den Angeboten der ARD.
Der da hoch oben auf der öffentlich-rechtlichen Karriereleiter also in Büßerlaune? Jedenfalls hatte der bald sechzigjährige Gniffke schon 2018 auf einem Forum – ausgerechnet moderiert vom linkspopulistischen Monitor-Moderator Georg Restle und in Anwesenheit von Dunya Hayali – hatte Gniffke den Öffentlich-Rechtlichen bescheinigt, dass diese einen „gewissen missionarischen Eifer“ während des „AfD-Großwerdens“ an den Tag gelegt hätten. Zwischen den Zeilen sagte er gegenüber Restle und Co, sei es dieser Eifer, der bei der ARD aus allen Poren getropft ist. Und Gniffke befand weiter, dass seine Sendeanstalt die AfD absichtsvoll als „rechtspopulistisch“ stigmatisiert hätte.
Irgendwer muss dem neuen Intendanten des SWR 2018 allerdings gesagt haben, dass er lange noch nicht genug Ablass geleistet hat. Und so schneidet sich Kai Gniffke aktuell ein weiteres Stück seiner bei den Tagesthemen so lang gewachsenen Holznase ab und beichtet gegenüber der ZEIT seine und der Kollegen Sünden: Die Sender der ARD müssten noch stärker ein divergierendes Meinungsbild abgeben usw.
Aber das ist leider alles so halbseiden und verwinkelt. Nein, so sieht echte Buße nicht aus. Noch weniger, wenn sie so kleinteilig und selbstgerecht daherkommt. Zu viele meinungsstarke Stimmen hat man hier über die Klinge springen lassen, als das solche Zugeständnisse in Sarotti-Taktik (politisch korrekter: Schogetten-Taktik) – also Stückchen für Stückchen – noch irgendeinen hinterm Sofa hervorholen angesichts solchen Geständnisse eines SWR-Intendanten: Er wisse, dass bestimmte Haltungen der Leute in der Belegschaft der ARD vielleicht nicht abgebildet wurden. Ach.
Nein, solche Statements sind fast wertlos. Sind keinerlei Genugtuung. Nach Jahren der systematisch betriebenen und später eingestandenen Ausgrenzung und der hoffnungsvoll kalkulierten Förderung einer Radikalisierung der AfD durch Stigmatisierung möchte Gniffke jetzt keine Auftrittsverbote mehr in der ARD für die AfD.
Aber Moment einmal, ist der Mann denn von allen guten Geistern verlassen, jetzt quer zu schießen, wo die Bude des Oppositionsführers im Bundestag quasi sturmreif geschossen wurde und die ARD mit ihrer Einladungspolitik beispielsweise in den vier öffentlich-rechtlichen Talkshows die massive Förderung der Grünen bis hin zur zweitstärksten Partei in den Umfragen so erfolgreich vorangetrieben hat?
Aber was genau reitet einen der öffentlich-rechtlichen Vorreiter der Diffamierung, der Denunzierung und der Diskreditierung? Was treibt Kai Gniffke über das schlechte Gewissen hinaus noch um? Da können wir nur vermuten und landen bei einer neuen Studie ausgerechnet des WDR, die – oh Wunder – dem WDR und der ARD bescheinigen, das so viele Menschen wie noch nie die Medien im Land für glaubwürdig halten würden. Dieser monströse Kalauer wird bis ins Extrem gezerrt: ARD twittert, „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk überzeugt auch bei der Berichterstattung zu Corona“, hätte die Studie erwiesen.
Aber, und das wird auch ein Gniffke ebenso wie ein Restle begreifen müssen: Die Gesellschaft ist bereits nachhaltig gestört, der öffentliche Raum auch von öffentlich-rechtlichen Übergriffen nachhaltig kontaminiert über die Glotze bis in die privaten Wohnzimmer der Menschen hinein.
Doch dass der SWR-Chef jetzt fordert, wie die Stuttgarter Zeitung auf Gniffke bezogen titelt: „AfD-Politiker wie Höcke nicht aus Talkshows verbannen“, das ist bigott, noch bigotter, wo es unterfüttert wird mit einem weltvergessenem Zitat Gniffkes:
„Wenn wir anfangen zu unterscheiden, wer bei uns auftreten darf und wer nicht, kommen wir argumentativ ganz schnell in den Wald.“
Dabei steht er schon kilometerweit zwischen lauter Bäumen. Wie soll man so etwas nennen? Fernseh-Nachrichten direkt aus dem Unterholz? Wie großmütig weiter von Gniffke, wo er der Zeit gegenüber erklärt, der Oppositionsführer im deutschen Bundestag müsse nicht nur abgebildet werden, man müsse mit „denen“ auch reden. Sonst würde man riskieren, dem öffentlich-rechtlichen Auftrag nicht mehr gerecht zu werden, die Gesellschaft zusammenzuhalten. Dieser gesetzliche Auftrag, mehr oder weniger gleichlautend in allen Rundfunkgestzen verankert, fällt ihm etwas spät ein.
Ehrlich, wer so etwas ausgerechnet aus dem Munde des Hauptverantwortlichen für die ARD-Nachrichten bis 2019 hört, der ahnt, wie schlimm es wirklich zugeht auf der Entscheiderebene des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Hier werden argumentativ keine Gefangenen gemacht und jetzt also quasi noch politische Leichenfledderei.
Aber möglicherweise ist alles auch ganz anders: Möglicherweise hat eine im Giftschrank der ARD verschwundene Umfrage ja ergeben, dass die Stimmung kippt, dass man es deutlich zu arg getrieben hat. Aber diese Pendelbewegungen kennt der Zuschauer schon zur Genüge aus den Jahren davor, sie unterstützt nur die inflationäre Unglaubwürdigkeit des ÖRR und seines Führungspersonals.
Und um zum Anfang zurückzukommen: Sicher ist das alles ziemlich lächerlich. Aber das Lachen bleibt einem bei soviel Unverfrorenheit durchaus einmal im Halse stecken.