Kein Wunder, dass der Nobelpreis für Physik in diesem Jahr an Arbeiten über Schwarze Löcher vergeben wurde. Diese Bezeichnung eignet sich auch sehr gut zur Beschreibung des Zustands unserer Republik.
I.
Abgesehen von allem anderen, ist die Bezeichnung Schwarzes Loch nicht korrekt. Sie ist natürlich rassistisch. Viele Menschen denken unwillkürlich an das „Herz der Finsternis“, als das Joseph Conrad den kolonialen Kongo beschrieb. Muss man noch mehr sagen! Das Schwarze Loch ist quasi eine der letzten Kolonien alter weißer Männer wie Albert Einstein oder der neuen Nobelpreisträger Roger Penrose und des Deutschen Reinhard Genzel. Sie haben die Schwarzen Löcher erobert. Kaum jemand kann ihnen folgen. Also weg damit!
II.
Die Sache ist physikalisch eigentlich klar: Ein Schwarzes Loch ist überhaupt kein Loch. Ein Loch ist per definitionem leer. Ein Schwarzes Loch dagegen ist so dicht gepackt mit Materie, dass es wie ein gigantischer Magnet alles an sich zieht, und zwar so stark, dass nichts mehr entweichen kann, nicht einmal das Licht. Deshalb kann man es nicht sehen. Und das wiederum ist der einzige Grund, weshalb wir es als Loch bezeichnen, obwohl es das Gegenteil ist. Eine optische und gedankliche Täuschung.
III.
Wenn Physik so kompliziert ist, dass man sie nur noch in mathematischen Formeln beschreiben kann, dann muss die Sprache auf Vergleiche, Bilder und Metaphern ausweichen. „Schwarzes Loch“ ist eine Metapher. Sie eignet sich auch sehr gut zur Beschreibung einiger terrestrischer Phänomene. Ich will nicht schon wieder darauf herumreiten: Handtaschen nicht weniger Frauen sind quasi schwarze Löcher, die vieles anziehen, doch nie wieder freigeben. Nehmen wir lieber die Politik. Es gibt immaterielle Kräfte, um die sich gleichwohl alles dreht, und die alle Energie aus dem zentralen Diskurs saugen. Viele Argumente werden verschluckt vom Schwarzen Loch. Zum Beispiel ist die immer wichtiger werdende Frage, ob die Verdammung der Kernenergie vernünftige Energiepolitik und gut für das Klima ist, in der derzeitigen Debatte nicht mehr sichtbar. Insgesamt kann man sagen, dass in den massereichen Themen um Klima, Mobilität, Automobilindustrie, Energie wichtige Argumente einfach verschwinden. Kein Automanager, kein CDU-Politiker, kein Intellektueller weit und breit, der es noch wagt, gegen die Schwerkraft, gegen das Schwarze Loch im Zentrum unserer politischen Debatte an zu argumentieren.
IV.
Dass es schon aus Gründen der politischen Korrektheit nichts Schwarzes mehr geben darf, ist nur das eine. Das andere ist, dass sogar die politische Farbe Schwarz im Schlund dieser rotierenden Meinungsschleuder verschollen ist. Zutreffender wäre es deshalb, von einem Grünen Loch zu sprechen, um das unsere Politik strudelt. Grün ist zweifellos das neue Schwarz. Also noch einmal: Das Grüne Loch ist gar kein Loch, sondern das Gegenteil eines Lochs. Wie ein gigantischer Magnet zieht es alle Argumente an sich, und zwar so stark, dass nichts mehr entweichen kann, nicht einmal die Vernunft.
V.
Wie jeder Vergleich, hinkt auch dieser. Das Grüne Loch ist keineswegs unsichtbar. Es strahlt für seine Anhänger heller als tausend Sonnen. Sie beten es an wie einen Sonnengott. Die Anhänger des strahlenden Grünen Lochs sind also eine neue Spielart von Kreationisten. Fundamentalistische Anhänger eines quasi religiösen Weltbilds.
VI.
Zu erkennen sind Schwarze Löcher im Universum an der Krümmung des Raums, die sie verursachen. Dies trifft auch auf das Grüne Loch zu. Der Raum: Das sind die bewährten Koordinaten unseres Denkens: Ratio, Erkenntnis und Moral. Standen sie früher in einem klar erkennbaren Verhältnis zueinander, so krümmen sich Ratio und Wissen zunehmend unter der gewaltig zunehmenden Masse an Moral.