Für den einen oder anderen ist es wohl so, dass es schwer fällt, die Sehgewohnheiten zu verändern, wenn die Platzierung auf der Fernbedienung einen Sender wie Servus-TV erst so weit hinten anbietet. Aber es werden mehr und mehr Zuschauer aus dem deutschsprachigen Raum und das ist vor allem einem Talkformat wie Hangar-7 zu verdanken, einer permanten Ohrfeige aus Salzburg in Richtung deutsche Zwangsgebührentalks von Illner bis Plasberg.
Übrigens noch einmal mehr, so man weiß, dass es sich dabei um einen privaten Sender im Besitz von Red Bull Salzburg handelt, der den deutschen Öffentlich-Rechtlichen vormacht, wie ausgewogene Debatten und schmissige wie faire Talks funktionieren können, wenn man nur will.
Könnte man Mäuschen spielen, würde man gerne einmal zusehen, wie sich Will, Illner, Maischberger und Plasberg heimlich nicht ab- sondern anschauen, wie es Michael Fleischhacker bei Talk im Hangar-7 auf Servus-TV macht, nein, wie er es soviel besser macht.
Am gestrigen Donnerstag ging es um Donald Trump. Und das war schon deshalb spannend, weil hier zu erwarten war, dass es Fleischhacker nicht dazu kommen lassen würde, eine Häme- und Hetzveranstaltung zuzulassen, beispielsweise darüber, wie sich der Präsident der freien Welt (so früher der inoffizielle Titel für US-Präsidenten) mit Corona infiziert und daran erkrankt sein soll.
Berufen bei Hangar-7 über Trump, seine Corona-Infektion, über seine Erfolge wie Misserfolge und über die in vier Wochen bevorstehende mögliche Wiederwahl zu sprechen, fühlten sich – und sind es in der Reihenfolge, wie sie vom Moderator vorgestellt wurden: der in Katowice geborene amerikanische Unternehmer George Weinberg, er ist Vorsitzender der „Republicans Overseas Germany“, einer Organisation für republikanische Amerikaner im Ausland. Für ihn sei Trump ein Glücksfall für die USA und er bleibe im Amt, wie Fleischhacker anmoderiert.
Weinberg stellt sich zum Auftakt gleich einmal als großer Trump-Fan vor, es ginge dem Präsidenten „hervorragend, fantastisch“. Weinberg informiert die Zuschauer weiter auch darüber, dass Trump „hervorragende Gene“ hätte. Das ist schon eine leicht verstörende Endlosschwärmerei zu Beginn, aber hören wir weiter zu: „Was er als Manager immer gemacht hat, macht er auch für Amerika weiter.“, so Weinberg begeistert.
Roland Tichy startet mit einer Mahnung, Europa sterbe an der Angst. Und Tichy schaut dabei auch auf die kleinen Dinge des Lebens, die mit absterben, wenn ihm bei seiner Ankunft die „Eitrige“ in der geliebten Würstlbude am Akademieplatz fehlt, die geschlossen werden musste. Die Eitrige, eine Bratwurst, aus der der Käse tropft wie selbiger.
Und Roland Tichys Prognose für die Zukunft ist alles andere als rosig zu nennen: „Wir werden eine gigantische Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsvernichtung bekommen.“ Der Magazinmacher, der die Gefahren von Corona sieht, findet es aber auch wichtig, einen Weg zu finden, damit im täglichen Leben umzugehen, „den Menschen auch einmal wieder Mut zu geben, dass wir nicht zusammenklappen wie die Hasen uns im Stall einsperren lassen, sondern dass man sagt: Ja, ich stelle mich der Krankheit, (…) wir brauchen ein starkes optimistisches Signal.“
Anders Indset ist zunächst einmal schon von der Erscheinung anders, eine faszinierende Person. Mal reinhören, was er als Wirtschaftsphilosoph zu sagen hat. Also demnach als jemand, der eine Meta-Ebene intellektuell immer wieder vermessen muss.
Indset meint zu wissen, dass Trump alles samt Krankheit für seinen Wahlkampf ausschlachten wird, da sei er Profi genug. Nicht Corona wäre das Problem, so der Norweger weiter, unser Denken sei infiziert. Er nennt es, etwas kryptisch vielleicht, eine „Vernachlässigung der Weltverständlichkeit“. Auch Weinberg wird später noch das Problem haben, Indsets Ausführungen zu folgen: „Ich habe nicht verstanden, was Sie sagen“, sagt da der Amerikaner zum Norweger und es hat etwas sympathisch Entwaffnendes, wie er das sagt. Vielleicht sollte man so etwas in einem Dialog viel öfter sagen, als aneinander vorbei zu reden.
Indset wünscht sich „Verständnis für die Wirklichkeit des Wandels.“ Und er outet sich, ebenso wie Weinberg, nur in eine ganz andere, eher überraschende, Richtung: „Angela Merkel schätze ich als eine sehr intelligente Frau, die viel von der Weltverständlichkeit (versteht), sie versteht die Zusammenhänge unserer Gesellschaft.“ Nun gut. Merkel würde, so geht es weiter, was in der Welt passiert, „eindeutig“ besser verstehen als Donald Trump. „Ich glaube so eine Muttifigur, die verbindet, wäre jetzt das Wichtigste für die USA“, sagt Indset mit Blick auf Merkel und das hat dann schon etwas echt Schräges, wenn es darum geht, hier Beiträge wirklich ernst zu nehmen und mitzudenken. Ein über so eine tollkühne – oder tolldreiste? – Ansage amüsierter Roland Tichy wird eingeblendet.
Weinberg fühlt sich an der Stelle einmal genötigt, darauf hinzuweisen, dass auch Merkel und ihre Entourage ihre Auftritte akribisch inszenieren würden, nur eben auf andere Weise als Trump in den USA, für ein anderes Publikum zugeschnitten.
„Wir leben in einer Heldengesellschaft mit pathetischem Individualismus“, weiß der deutschwortgewaltige Norweger darauf zu antworten und wird damit sicher seiner Aufgabe als Philosoph gerecht, der Debatte nutzt es aber möglicherweise nicht ganz so viel, wie es klingen mag.
„Biden ist früher ein sehr kluger Politiker gewesen, auch sehr charmant, das muss man sagen, aber er ist offensichtlich am Ende seiner physischen Leistungskraft, dafür muss man ihn bedauern“, sagt Roland Tichy. Er wird damit konkret, verweigert dem Herausforderer aber auch nicht den Respekt für dessen Lebensleistung. Und dann mit einem Schmunzeln und als Bayer mit einer Nähe zu Österreich:
„Wenn man das auf Österreich projiziert, auf die nächste Bundespräsidentenwahl, das ist doch so, als wenn man in die Kapuzinergruft steigt und aus den Resten da sich einen neuen Bundespräsidenten zusammenbaut.“
Die Demokraten würden den Wähler betrügen, man könne doch nicht jemanden aufstellen, von dem man weiß, dass er es nicht durchhalten kann. Die Demokraten stellen da jemanden hin, „der wahrscheinlich den Atomknopf nicht mehr von der Toilettenspülung unterscheiden kann.“
Unternehmer Weinberg glaubt aber auch nicht, dass Sanders eine bessere Chance bei den Demokraten gehabt hätte als Biden. Dafür sei Sanders zu links, zu marxistisch. Nun möchte die einzige Dame in der Runde ganz gerne auch einmal Biden verteidigen. Und zugegeben, der hat nun, wenn es um eine Art Gleichgewicht der Stimmen gehen würde, auch Zuspruch verdient: Die Runde würde jetzt schon zu sehr aufnehmen, was Trump da im Wahlkampf „auf dem Silbertablett serviert“ hätte gegen Biden. Sie möchte gar nicht darüber spekulieren, mit wie viel Stereoiden aufgepumpt Biden die „Treppen hochjumpt“. Elizabeth Prommer, glaubt, dass ein Präsident Biden wieder zu einer normalen zivilisierten Debatte zurückfinden wird. Was allerdings die Gegner Trumps an zivilisiertem Debattenverhalten gezeigt haben in den vergangenen Jahren, bleibt Prommer wohlweislich schuldig.
Insgesamt eine wirklich muntere und lebhafte Diskussion. Und wohl auch deshalb so wohlgefällig und damit wieder auf eine Weise herausragend, weil deutsche Zuschauer so eine Debatte in ihrem Zwangsgebührenfernsehen trotz vier aufwendig produzierter öffentlich-rechtlicher Talkshows schon sehr lange nicht mehr angeboten bekommen.
Und weil wir hier bei Tichys Einblick sind, ist es nicht unhöflich, den anderen Gästen gegenüber, ein paar ernste Sätze Roland Tichys zur Lage der Nation als letzte Worte zu Hangar-7 bei Servus-TV zu bringen und diese Sendung damit den deutschen Zuschauern ans Herz zu legen:
„Wir müssen einmal versuchen, die Inszenierung zu durchschauen: Die Inszenierung von Obama war der Friedensfürst. Und der Friedensfürst hat die südlichen Küsten des Mittelmeers in einen Brandherd verwandelt. Wir haben in Österreich, in Deutschland Flüchtlinge aus Syrien, aus Libyen, weil hier die Politik Obamas Krieg gebracht hat und in Afghanistan genauso. (…) Trump hat dummerweise, obwohl er aggressiv auftritt, obwohl er wie ein alter Krieger auftritt, Frieden gebracht. Das ist das Paradoxon, das wir immer wieder erleben, das Politiker am Ende anderes bewirken, als sie in der Inszenierung auftreten.“