Jetzt melden sich sogar Nobelpreisträger zu Wort: Bisher haben 107 von 296 noch lebenden Preisträgern eine Aufforderung unterzeichnet, Greenpeace solle seine berüchtigte Kampagne gegen den „Goldenen Reis“ sofort stoppen.
Goldener Reis gegen Nachtblindheit
Wir erinnern: Da hat der deutsche Biologe Ingo Potrykus am Institut für Pflanzenwissenschaften der ETH Zürich mit seinem Freiburger Kollegen Peter Beyer Reis genetisch so modifiziert, dass er im Reiskorn Beta-Carotin anreichert. Sie bauten Gene von Narzissen, Pilzen und Bohnen in den Reis ein. Der produziert daraufhin Beta-Carotin, die Vorstufe von Vitamin A. Das sind gelbe Pflanzenfarbstoffe, in geringen Mengen wichtig für den Menschen; der Reis leuchtet aufgrund seines Gehaltes an Beta-Carotin wie Karotten gelb-orange, daher der Name „Golden Rice“.
Das soll Kinderleben in der Dritten Welt retten und vor allem vor der gefürchteten Nachtblindheit, der weitverbreiteten Xerophthalmie, bewahren. Denn Beta-Carotin ist eine Vorstufe zu Vitamin A und wird wie die anderen Carotine mit Hilfe eines Enzyms vor allem in den Darmzellen zu Vitamin A umgebaut. Ein Mangel an Vitamin A kann zu dieser Blindheit führen.
Die Idee der beiden Biologen: Reis ist in den meisten Ländern der Dritten Welt ein Grundnahrungsmittel. Wenn der mit Beta-Carotin angereichert wird, dann, so die Hoffnung der beiden, Ingo Potrykus und Peter Beyer, könne man solche Armutskrankheiten wie Nachtblindheit bekämpfen.
Dieser „Goldene Reis“ habe das Potential, Tod und Erkrankung wegen Vitamin-A-Mangel zu verhindern. Allerdings kann der Organismus sie nur aufnehmen, wenn er gleichzeitig Fett zu sich nimmt. Eine Portion purer Golden Rice nutzt den Dritte-Welt Kiddies wenig.
Ein nützlicher Nebeneffekt des Goldenen Reises: Man kann damit nicht gefährlich überdosieren wie mit Vitamin-A-Tabletten, die Greenpeace statt des Goldenen Reises für die Menschen in den Slums fordert. Doch zu viel Vitamin A wiederum, wie es bei Tabletten droht, ist lebensgefährlich, der Körper kann es nicht abbauen und reichert es in der Leber an.
Greenpeace gegen Forscher – aber für Vollkorn
Die Bill & Melinda Gates Stiftung fördert Arbeiten, Reis so zu verändern, dass mit einer Schale Reis den armen Dritt-Welt-Menschen auch gleichzeitig lebenswichtige Stoffe wie Beta-Carotin, Vitamin E und Eisen und Zink zugeführt werden können.
Für den Protestkonzern Greenpeace wiederum schrilles Alarmzeichen: Das geht ja nur mit Gentechnologie. Die Pflanzen produzieren diese Stoffe nicht freiwillig, sie müssen entsprechend gezüchtet werden. Und Gentechnologie muss bekämpft werden, weil nur mit dem Kampf dagegen die Spendenmillionen fließen.
Also: heftig Ängste gegen die böse Gentechnik schüren. Jeder für eine Anti-Gentechnik-Kampagne ausgegebene Dollar ist eine gute Investition. Er kommt mehrfach als Spende wieder zurück.
Und große Gefahr droht dem Angstkonzern, wenn ein einigermaßen nützlicher Aspekt dieser Technologie offenbar würde. Das könnte ja die Akzeptanz dieser Technologie erhöhen.
So raten stattdessen Greenpeace & Co allen Ernstes den armen Menschen in der Dritten Welt, mehr Gemüse im eigenen Garten anzubauen. Vollkornkost in die Slums – ziemlich dämliche Idee.
Der Appell der Nobelpreisträger
Jetzt also haben Nobelpreisträger Greenpeace öffentlich aufgefordert, mit dem Widerstand gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel aufzuhören. Vor allem solle Greenpeace seine Blockaden gegenüber dem gentechnisch veränderten Stamm der Reispflanze beenden.
„Wir fordern Greenpeace und seine Anhänger auf, die Erfahrung der Landwirte und Verbraucher weltweit im Hinblick auf Getreide und Lebensmittel, die mit Biotechnologie verbessert wurden, zu überprüfen, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Gremien und Aufsichtsbehörden anzuerkennen und ihre Kampagne gegen gentechnisch veränderte Organismen und Golden Rice insbesondere aufzugeben.“
Schreiben zum ersten Male so hoch dekorierte Nobelpreisträger öffentlich.
„Wir sind Wissenschaftler. Wir verstehen die Logik der Wissenschaften. Man kann leicht erkennen, dass Greenpeace beschädigt und Anti-Wissenschaft betreibt.“
Richard Roberts, Chefwissenschaftler des New England Biolabs, sagt der Washington Post deutlich:
„Greenpeace macht den Menschen Angst, um so Geld zu verdienen.“
Allerdings: Die Geschichte ist nicht so einfach, wie sie klingt. Je mehr Beta-Carotin – desto besser. Einfach die Menge wieder erhöhen – und schon erkranken die Menschen nicht mehr. So leicht macht es uns die Natur leider nicht. Viel hilft häufig nicht immer. Auch hier nicht. Vor allem weiß niemand, wie viel oder wenig dosiert werden müsste. Es gibt keine verlässlichen Daten über Vitamin-A-Spiegel im Blut der Dritte Welt-Kinder.
Im Gegenteil. Studien ergaben: Mehr Vitamin A ließ sogar mehr Kinder sterben. Bekannt ist seit langem, dass es Parasiten umso besser geht, je mehr Vitamin A im Wirtsorganismus vorhanden ist.
Die Grenzen der Therapie mit Nahrungsmitteln
Seit längerem diskutieren Wissenschaftler, wie weit Vitamin A tatsächlich gegen Blindheit unter Kindern in armen Ländern hilft. Dagegen fanden die Forscher einen anderen auffälligen Zusammenhang, nämlich mit Infektionen, mit Durchfall und Erkrankungen wie Masern. Es gibt sogar Untersuchungen, nach denen mehr Kinder gestorben sind, nachdem sie Vitamin A bekamen.
Einfach ausgedrückt: Mehr Geld für mehr Hygiene würde den Kindern in der Dritten deutlich mehr helfen als Vitamin A.
Gentechnik als probates Werkzeug dort, wo sie notwendig ist und nützlich ist. Aber sehr viel gegen den Wahn, Menschen müssten nur zusätzlich Vitamine in sich hineinstopfen, die tägliche Nahrung würde nicht genügend davon liefern und deswegen teure Zusatzstoffe einwerfen. Vor allem stimmt das in unterentwickelten Ländern nicht, in denen die Menschen aufgrund mangelnder Hygiene in erheblich höherem Maße als hierzulande Krankheitserregern ausgesetzt sind. Klar, dass dieser Zusammenhang wiederum Greenpeace nicht interessiert.
Es ist in der Natur übrigens kein Einzelfall, dass Erhöhungen eines bestimmten Stoffes schädliche Auswirkungen hat wie hier Beta-Carotin, das auch mit mehr Krebs und Herzinfarkt verbunden ist.
Der „Eisenmangel“ geistert immer wieder durch die Ratgeberspalten verbunden mit der Aufforderung, entsprechend nachzulegen. Schwangere beispielsweise haben einen geringeren Eisengehalt im Blut. Doch wem die Gesundheit wichtig ist, der lässt die Finger davon. Die Reduzierung des Eisenspiegels ist in der Regel ein Schutzmechanismus des Organismus gegenüber Bakterien. Die benötigen selbst dringend Eisen. Wenn der Organismus seinen Eisengehalt reduziert, macht er also Bakterien das Leben schwer.
Es ist ein wenig schade, dass sich gestandene Nobelpreisträger so vor einen Karren spannen lassen, ohne kritisch Fakten geprüft zu haben.