Tichys Einblick
Der Marktausblick

Techs profitieren mit digitalen Geschäftsmodellen strukturell von der Krise

Vor etwa drei Wochen kippte plötzlich die Stimmung, und Technologiewerte gerieten in den Fokus kritischer Kommentare. Die Tech-Aktien seien viel zu hoch bewertet, hieß es - und kein Wunder, die Kurse stürzten ab.

© Getty Images

Die US-Technologiebörse Nasdaq erfuhr nach wochenlangen überproportionalen Gewinnen einen Rücksetzer um gut zehn Prozent. Doch der befürchtete Ausverkauf der Hightech-Titel blieb bislang aus — auch wenn die Schwankungen in diesem Segment gerade wieder zunehmen. Die jüngsten Turbulenzen trafen jedoch in erster Linie zyklische Aktien. Steigende Corona-Zahlen führen Investoren die Schwächen konjunktursensibler Unternehmen vor Augen: Sobald Lockdowns drohen, trüben sich die Erwartungen dramatisch ein, wenn es um Produkte aus Branchen wie dem Maschinenbau, der Chemie oder um den Verkauf von Autos geht. Viele Techs haben hier einen systematischen Vorteil: Sie profitieren mit digitalen Geschäftsmodellen strukturell von der Krise. Tech-Aktien sind somit nicht nur das, was viele konservative Anleger vornehmlich in ihnen sehen: riskante Überflieger. Sie sind auch eine Absicherung gegen weitere Corona-Wellen.

Die Handelswoche lief für Anleger am deutschen Aktienmarkt nicht sonderlich rund. Der Leitindex DAX schloss am Freitag mit 1,1 Prozent im Minus bei 12.469 Punkten – der tiefste Stand seit Anfang August. Auf Wochensicht verzeichnete der DAX damit ein Minus von über fünf Prozent.

Wegen des Anstiegs der Zahl der Corona-Neuinfektionen und der Furcht vor wieder schärferen Gegenmaßnahmen seien „Konjunkturprognosen mit einer hohen Unsicherheit behaftet“, sagte Volkswirt Carsten Mumm von der Bank Donner & Reuschel. Die Aktienmärkte befänden sich daher in einer Phase der Konsolidierung.

Gewinner am Freitag war die Aktie des Autozulieferers Covestro mit fast einem Prozent im Plus. Verlierer im Leitindex war die Deutsche Bank-Aktie mit einem Abschlag von mehr als 2,7 Prozent. Der Börsengang des bayerischen Rüstungselektronik-Herstellers Hensoldt verlief für die Aktionäre wenig erfreulich. Nach einem ersten Xetra-Kurs von 12,00 Euro exakt auf Höhe des Ausgabepreises ging es abwärts bis auf 10,95 Euro. Dabei war der Ausgabepreis angesichts einer Spanne von zwölf bis 16 Euro bereits denkbar niedrig. Hensoldt ist die ehemalige Radarsparte von Airbus, die im Jahr 2017 vom US-Finanzinvestor KKR übernommen worden war.

Mit der Eintragung ins Handelsregister wurde am Freitag die Abspaltung von Siemens Energy vom Mutterkonzern Siemens vollzogen. Nun gehen die gut 700 Millionen Aktien des neuen Unternehmens an ihre Besitzer. 55 Prozent werden an die aktuellen Siemens-Aktionäre verteilt, dabei gilt der Schlüssel eine Energy-Aktie pro zwei Siemens-Papiere. 35,1 Prozent bleiben bei Siemens, 9,9 Prozent gehen an den Siemens Pensions-Fonds. Am Montag sollen die Papiere in die Depots eingebucht sein und der Handel an der Börse beginnen.

Lufthansa -Chef Carsten Spohr erwartet in den kommenden Wochen grünes Licht seitens der Regierungen für die geplanten Corona-Schnelltests auf Flügen zwischen Deutschland und Nordamerika. Die Tests seien der Schlüssel zur Wiedereröffnung zahlreicher Strecken, sagte der Vorstandschef des MDax-Konzerns am Freitag auf einer virtuellen Luftverkehrskonferenz. Ohne diese Tests werde der Transatlantik-Verkehr nicht in Schwung kommen.

Die überraschend anziehenden Kurse der Technologiewerte haben am Freitag eine schwungvolle Erholung an den US-Börsen angeführt. Wegen konjunktureller und politischer Sorgen war der Dow Jones Industrial zwar lustlos in den Handel gestartet, dann aber wurden die Anleger immer mutiger. Am Ende gewann der Leitindex 1,3 Prozent auf 27.174 Punkte. Sein Wochenminus, das ihm der Kursrutsch am Montag einbrockte, konnte er so in letzter Minute noch auf unter zwei Prozent reduzieren. Der technologielastige Auswahlindex NASDAQ 100 stieg um 2,3 Prozent auf 11.151 Punkte. Der marktbreite S&P 500 legte 1,6 Prozent auf 3.298 Punkte zu.

Im Dow erholten sich die Boeing-Aktien als Spitzenreiter um 6,8 Prozent von ihrem jüngsten Tief seit Anfang Juni. Anleger sahen hier Licht am Ende des Tunnels beim Krisenflieger 737Max. Zuerst stützten ermutigende Aussagen der europäischen Flugsicherheitsbehörde die Hoffnung auf eine baldiges Ende des Flugverbots. Dies verdichtete sich, als es hieß, der Chef der FAA werde selbst für einen Testflug in das Flugzeug steigen, um das Vertrauen in den Jet zu untermauern. Zweitbester Dow-Wert und damit auch ein Wegweiser für die Technologiewerte an der Nasdaq wurden die Apple-Aktien mit einem Anstieg um 3,8 Prozent. Im Nasdaq 100 rückten die zuletzt unter Druck geratenen Tesla-Papiere dieses Mal um fünf Prozent vor.

Erholt zeigten sich vor allem die Aktien von Fluggesellschaften sowie aus dem allgemeinen Reisesektor. Dort heimsten die Papiere der Kreuzfahrt-Reedereien Carnival und Royal Caribbean ein Plus von bis zu 9,7 Prozent ein. Verwiesen wurde hier auf eine Stimme des britischen Barclays-Bank, die die Branche am Wendepunkt sieht. Expertin Vicki Stern erhofft sich baldige Signale für eine kurzfristige Rückkehr in den Kreuzfahrtbetrieb.

Sehr schlecht, aber nicht ganz so schlecht wie befürchtet, dürfte sich die deutsche Wirtschaft 2020 entwickeln, glaubt man einer neuen Prognose des Ifo-Instituts. Derzufolge wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 5,2 Prozent schrumpfen. Im Sommer waren die Münchner Ökonomen noch von minus 6,7 Prozent ausgegangen, womit der bisherige Rekordrückgang aus der Finanzkrise 2009 übertroffen worden wäre. „Der Absturz der deutschen Wirtschaft verläuft glimpflicher als gedacht“, so die Ifo-Ökonomen. Dafür spreche auch der Ifo-Geschäftsklimaindex, der von August auf September leicht gestiegen ist. Dennoch: „Beim unterstellten Erholungstempo wird das Brutto-inlandsprodukt erst im vierten Quartal 2021 sein Vorkrisenniveau erreichen,“ meint Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

Zunehmend untreu werden deutsche CFD-Anleger gegenüber ihren Brokern. Wechselten 2017 nur 13 Prozent der Investoren ihren Anbieter, waren es 2020 schon 20 Prozent. Das ergab die aktuelle umfassende Studie des unabhängigen Reseach-Instituts Investment Trends über den deutschen CFD-Markt, die seit 2012 einmal jährlich durchgeführt wird. Dafür wurden knapp 7000 deutsche Anleger befragt, von denen 1243 in den vergangenen zwölf Monaten gehandelt haben. Hauptgrund für den Wechsel war für ein Viertel der Investoren, dass diese mehrere Konten bei verschiedenen Brokern hatten und deren Zahl reduzieren wollten. Es gab jedoch noch andere wichtige Motive: Ebenfalls ein Viertel war vom Service enttäuscht. Auch zu hohe Gebühren und Handelsspannen waren vielen ein Dorn im Auge. Hinzu kamen Unzufriedenheit mit der Handelsplattform und zu große Mindestanlagesummen. Die hohe Wechselbereitschaft manifestiert sich auch in der Beurteilung des Hauptbrokers der jeweiligen Anleger. Fanden 2018 und 2019 noch 88 Prozent diesen gut oder sehr gut, waren es 2020 nur noch 75 Prozent. Immerhin drei Prozent fanden dessen Leistungen sogar schlecht, während in den Vorjahren stets nur ein Prozent der Trader ihren Unmut dergestalt ausdrückte.

Europafans betonen gern die große Vielfalt des Kontinents. Diese spiegelt sich auch bei der Wertentwicklung der Börsen wider. Denn in der Rangliste der besten und schlechtesten Aktienmärkte der Welt sind Europas Finanzmärkte sowohl bei den Tops als auch bei den Flops stark vertreten. So landet Dänemark mit dem OMX Copenhagen und 17 Prozent Plus bisher auf Platz 1 des Global-Rankings 2020, auf Platz 2 und 3 folgen die Börsen Litauens und Lettlands, Platz 5 geht an die Slowakei. In den Niederungen sind die Europäer allerdings noch stärker vertreten. Sieben der zehn Flop-Indizes weltweit sind derzeit auf dem alten Kontinent beheimatet. Darunter der spanische IBEX und der österreichische ATX. Während Letztere unter den starken Auswirkungen der Corona-Pandemie leiden, haben die Dänen als Weltmeister wohl den passenden Mix. Knapp 40 Prozent des OMX Copenhagen machen Unternehmen aus der Gesundheitsbranche aus.


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