Tichys Einblick
Für Realität statt Fiktion

Grüne und Linke tragen Mitschuld an Moria

Die Lernkurve einer europäischen Migrationspolitik, die mit klaren Regeln Krisen wie die in Moria verhindern könnte, ist nicht erkennbar. Dazu gehörte auch, dass Europa eine Bevölkerungsdichte erreicht hat, die nicht mehr ansteigen sollte. Von Chris Veber

imago Images/ANE Edition

Versuchen wir es mal mit einem anderen Zugang zum Migrationsthema. Nicht „Rechts” ist schuld am Elend der Menschen in Moria, sondern die guten „Linksgrünen”. Vor allem in Deutschland und Österreich. Weil sie gegen jede Regulation der Migration sind und die Leute in armen Ländern im Glauben lassen, nach Europa wandern zu können.

Die österreichischen Grünen haben zum Beispiel am Bundeskongress 2018 unter Anleitung von Vizelandeshauptfrau Ingrid Felipe (im Beisein von Vizekanzler Kogler und Gesundheitsminister Anschober) einen Antrag auf Einführung des kanadischen Migrationsmodells mit 100 Prozent der Stimmen abgelehnt. Jede Regelung, die auch Menschen abweist, ist für die Grünen rechtsradikal und menschenverachtend. Jede Abschiebung ist unmenschlich. Jedes Drittland unsicher. Und das wissen natürlich die Schlepper und deren Kunden. Darum wandern Menschen in Bürgerkriegsländer wie Libyen ein. Weil sie wissen: Das Rettungsschiff bringt sie sicher nach Europa, eine Anlandung in Tunesien oder Ägypten wäre für die Hilfsorganisationen undenkbar. Darum setzen Menschen auf die griechischen Inseln über. Weil sie wissen, sobald sie einen Fuß in Europa haben, können sie bleiben.

Keine Spur einer politischen Lernkurve oder einer europäischen Migrationspolitik, die mit klaren Regeln Krisen wie die in Moria verhindern könnte. Denn eine europaweite Regelung von Flucht und Migration erfordert eine rationale Herangehensweise, ohne „no borders no nations” Dogmatismus (was übrigens auch „no democracy no wellfare” bedeuten würde) und ohne Verletzung der Menschenrechte.

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Schauen wir uns also zunächst die rechtlichen Grundlagen an. Entgegen der linksgrünen Darstellung gewährt die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nur ein Recht auf Nichtzurückweisung an Europas Grenzen, wenn ein Mensch aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität oder politischen Überzeugung verfolgt wird und er unmittelbar aus dem Fluchtland kommt. Selbst Kriege oder Naturkatastrophen sind keine ausreichenden Begründungen für eine Definition als Flüchtling in Sinne der GFK. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) erlaubt die Abweisung von Migranten an Europas Grenzen. Ausschließlich Personen, die sich rechtmäßig in Europas Hoheitsgebiet aufhalten, haben Anrecht auf ein Verfahren vor einer Ausweisung. Im Gegenteil erlaubt die EMRK ausdrücklich die Festnahme von Personen zur Verhinderung der unerlaubten Einreise oder im Falle eines Ausweisungsverfahrens.

Rechtlich gesehen hatten fast alle Migranten, die seit 2015 nach Europa gekommen sind, keinen Anspruch auf Einreise nach und keinen Anspruch auf Asyl in Europa. Darum hat inzwischen auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die sofortige Zurückweisung illegal eingereister Migranten erlaubt.

Nachdem wir niemanden aufnehmen müssen, können wir uns überlegen, wen wir aufnehmen wollen. Denn bisher haben wir hauptsächlich junge Männer aus arabischen, (vorder)asiatischen und afrikanischen Ländern aufgenommen. Also eher 18-jährige Afghanen statt alleinstehender syrischer Mütter mit kleinen Kindern.

Ich bin für eine strikte Trennung von Asyl und Migration sowie die Wiedereinführung des weltweiten Botschaftsasyls. Wer ein Anrecht auf Asyl hat, beziehungsweise wen wir aus humanitären Gründen aufnehmen wollen (kleine syrische Kinder zum Beispiel), der wird von uns vor Ort abgeholt und muss sich nicht in die Lebensgefahr einer geschleppten Einreise begeben. Wer aus wirtschaftlichen Gründen einwandern will, muss unsere Kriterien erfüllen (kanadisches Modell) und erhält ein Einreisevisum. Wer weder ein Anrecht auf Asyl hat noch unsere Kriterien erfüllt, muss an der Grenze zurückgewiesen werden. Sonst sind sämtliche Regelungen Makulatur. Und entgegen der von linksgrün verbreiteten Darstellung ist zum Beispiel die Überstellung von Bootsmigranten nach Tunesien statt nach Italien rechtlich erlaubt. Tunesien gilt als sicherer Drittstaat. Wobei die Liste der sicheren Drittstaaten dringend überarbeitet werden muss, in Österreich stellen die EU-Länder mehr als die Hälfte der sicheren Drittstaaten, unter anderem fehlen auch Staaten wie Japan oder die USA.

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Die Rücknahme der Migranten könnte Europa als weltgrößte Wirtschaftsmacht mit den Instrumenten Reisewarnung, Wirtschaftssanktion inklusive Strafzoll, Aussetzung von EU-Förderungen und Abkopplung vom Finanzsystem bei sämtlichen Staaten durchsetzen. Nachvollziehbare Regeln, die ausnahmslos umgesetzt werden, sind die einzige Möglichkeit, Menschen in Not zu helfen. Wer die Regelung von Migration verweigert, verringert die Akzeptanz jeglicher Migration, spaltet Europa und schafft im Endeffekt die europäischen Staaten ab.

Jetzt bleibt noch zu klären, wie viele wir aufnehmen wollen. Eng damit verbunden ist die Frage, wie viele Menschen wollen wir in Europa sein.

Ich finde die EU-Länder haben mit ihren 448 Millionen Einwohnern (ohne Großbritannien) eine Bevölkerungsdichte erreicht, die nicht mehr ansteigen sollte.

Die EU 27 sind mit 100 Einwohnern pro Quadratkilometer mehr als doppelt so dicht besiedelt wie Afrika (40 EW/QKm). Und wie unter anderem die Grünen und Fridays for Future nicht müde werden zu betonen: Wir verbrauchen zu viele Ressourcen. Ein weiteres Ansteigen der Bevölkerung würde die Umwelt mehr belasten und zu einem weiteren Rückgang von Artenvielfalt und naturbelassenen Räumen führen. Ganz nebenbei würde Europas Selbstversorgungsfähigkeit bei steigender Bevölkerung sinken. Wie Covid19 gezeigt hat, sind Importe zur Sicherung der Versorgung nicht immer zuverlässig.

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Im Jahr 2019 gab es EU-weit eine halbe Million mehr Todesfälle als Geburten, dieses „Defizit” kann als Migrationsquote festgelegt werden. Ein Anteil würde für Flüchtlinge mit Anspruch auf Asyl verwendet, der Rest für Wirtschaftsmigranten. Das klingt jetzt sehr hart. Moralisch einfacher und schöner ist sicher die grüne „open borders” Forderung nach Aufnahme aller Menschen in Not. Nur führt dies eben zu Lagern in Libyen und Moria. Menschen bringen sich in Gefahr und die Schwächsten bleiben zurück.

Apropos Moria. Laut EKKA – National Center for Social Solidarity (von EU & Unicef unterstützt) – waren 2019 von 3.700 unbegleiteten Minderjährigen in Griechenland 93,8% männlich, 6,2% weiblich. Und nur 7,3% Kinder im eigentlichen Sinn, also unter 14 Jahre alt. Die UNHCR schreibt von 407 unbegleiteten Minderjährigen in Moria, das dürfte 30 alleinstehenden Kindern unter 14 entsprechen. Die sollten wir jetzt aufnehmen. Für syrische Familien eine solidarische Unterbringung in Europa organisieren. Und den übrigen Jugendlichen und Erwachsenen sofortige Hilfe bei der Heimreise und eine Neustartunterstützung anbieten.

Denn ebenfalls laut UNHCR stammen nur 19% der Menschen auf den griechischen Inseln aus Syrien, 49% kommen aus Afghanistan, der Rest großteils aus afrikanischen Ländern. Es handelt sich also nicht um Leute, die vor Krieg um ihr Leben rennend ins Nachbarland geflüchtet sind, sondern um Migranten, die viele tausend Kilometer in ihr Wunschzielland gereist sind. Ich verstehe die große Anziehungskraft, die Europa auf arme Menschen weltweit ausübt. Aber ich sehe keine Möglichkeit, ihnen allen in Europa zu helfen. Sinnvoller wäre es, dazu beizutragen, den Menschen vor Ort ein besseres Leben zu ermöglichen.

Wie schon erwähnt, mir ist klar, moralisch einfacher wäre es zu sagen: Kommt, wir nehmen alle auf. Aber in der Realität ziehe ich einen unperfekten, aber funktionierenden Lösungsansatz einer schönen Fiktion vor.


Chris Veber, Ex-Philosoph, Ex-Grüner, Unternehmer, freier Journalist.

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