Moral-fixiert, ideologisch, aktiv, interessiert an den großen Themen dieser Zeit, links – das ist das mediale Bild von der „Generation Z“, also der nach 1999 Geborenen. Die Linke beruft sich auf diese große Jugendbewegung: junge Leute, die den alten weißen Männern den Spiegel vorhalten und um ihre geklaute Zukunft kämpfen.
Schlaue Werbeagenturen empfehlen Unternehmen ein „Rebranding“, um die jungen bewusst konsumierenden Leute nicht als Kunden zu verlieren. Die Rügenwälder Mühle ist jetzt vegan, McDonalds hat ein grünes Logo, Mercedes verkauft Elektroautos.
Die Bürgerlichen wiederum schimpfen über die moralinsauren Besserwisser und Schulschwänzer. Auch sie aber beugen sich letztendlich größtenteils dieser Skizze einer Generation. Nur: Hat diese Zuschreibung überhaupt etwas mit der Wirklichkeit zu tun?
Keine Sorge, jetzt kommt nicht die große Moralkeule – lediglich ein wenig Realismus in die Debatte. Es gab wohl in der Geschichte der Bundesrepublik kaum eine unpolitischere Generation als meine.
Wenn Sie etwas über junge Leute erfahren wollen, ist das Letzte, was Sie tun sollten, die Tagesschau gucken. Schauen Sie sich etwas Verifizierbares an, die Charts zum Beispiel. Ein zufälliger Blick in die Deutschen Single-Charts am 12. August zeigt: Unter den ersten 9 Songs ist genau ein einziger, der nicht dem Genre Deutschrap zuzurechnen ist (auf Platz 4).
Das ist die bei jungen Leuten unangefochten dominierende Musikform, wenn man es denn als solche bezeichnen will. Allein der deutsch-ukrainische Rapper Capital Bra landete in einem Jahr 13 Nummer-Eins-Hits in Deutschland, mehr als die Beatles in ihrer ganzen Karriere. Der 25-Jährige ist jetzt schon der erfolgreichste deutsche Musiker aller Zeiten. Was denken Sie, worum es in den Texten geht? Wie oft kommen die Themen Umwelt, Klima, LGBT- und Frauenrechte vor?
Nada, null Komma null, Zero und koffeinfrei. So ziemlich jeder zweite dieser Songs besteht aus nichts anderem als der Huldigung eines konkreten Luxusautos. Sie heißen „Mercedes“, „Murcielago“, „Lambo Diablo GT“, „CL500“. Der Rest handelt von Rolex, Karibik-Stränden, Clans, Drogenhandel und Alkoholkonsum.
Im Musikunterricht durften wir in der letzten Stunde vor Weihnachten einmal alle unsere Lieblingslieder der Klasse vorspielen. Als dann so ein Deutschrap-Werk an der Reihe war, versuchte unsere Musiklehrerin das irgendwie links-progressiv zu deuten. So nach dem Motto der „Gesellschaftskritik“: Das sind alles Übertreibungen, um auf die Probleme weniger privilegierter Schichten aufmerksam zu machen.
Alle Deutschrap-Songs haben in der Tat so ziemlich die gleiche Story: Jemand kommt von ganz ganz unten, ist aufgestiegen (mit mehr oder weniger krummen Dingern), und jetzt fliegt er im Privatjet. Das Anliegen der Künstler ist allerdings nicht soziale Mobilität, sondern vor allem teure Mobilität.
Zu Protz und Drogen gesellt sich immer auch ein arabisch-muslimischer Einfluss, da die Rapper mehrheitlich aus diesem Kulturkreis kommen. Mal von arabischen Wörtern und Musikeinflüssen abgesehen, geht es um die große Loyalität zu seinen Brüdern, die große Demut vor der eigenen Mutter und ohnehin um Familie, die Ehre der Schwester usw.
Das, was man allgemein als Jugendkultur bezeichnet, ist aktuell also durch eine pseudo-arabische Ehre-Blut-Dollar-Ideologie geprägt. Dabei spielt natürlich eine Rolle, dass es von Generation zu Generation mehr Menschen mit diesem Migrationshintergrund gibt. Aber auch die jungen Deutschen ganz ohne Migrationshintergrund versuchen, sich einen zu konstruieren; kleiden, sprechen und verhalten sich so, als würden sie zu den Arabboys gehören. Die Jugend auf dem Land übernimmt die Trends der Stadt-Jugend und für die Stadt-Jugend gilt: je arabischer, desto cooler.
Natürlich ist der durchschnittliche Jugendliche weder auf harten Drogen noch täglich in Schlägereien verwickelt. Wahrscheinlich muss er am Sonntag sogar zu Tante Gertrude zum Kaffeekränzchen. Aber er würde gerne ein Maserati-fahrender Gangster sein, oder hofft zumindest, dass alle glauben, er wäre so einer. Und mit einem Guave-Saft oder Holunder-Litschi-Smoothie mit Tofusuppe öffentlich gesehen zu werden – das ist so ziemlich sein schlimmster Albtraum.
Diese Szene ist die größte unter heutigen Jugendlichen, es gibt auch andere, die sind aber nicht unbedingt besser, auf keinen Fall aber idealistischer.
Da gäbe es noch die große YouTuber- und Influencer-Szene, die Millionen Aufrufe generiert und das Fernsehen in der Reichweite oft bei weitem hinter sich lässt. Etliche dieser Stars schaffen locker eine Millionen Abonnenten.
Mal abgesehen von Rezo, bei dem sich Ströer-Media mal einen progressiven Marketinggag erlaubt hat, um frustrierte Oberstudienrätinnen glücklich zu machen. Und außer einigen placebo-haften „ich bin auch ganz dolle gegen Klimawandel engagiert und so“-Sätzen einiger dieser neuen Superstars hat das alles mit Klimaschutz oder Give Peace a Chance wenig zu tun.
Es geht mehr darum, Menschen beim Computerspielen zuzuschauen. Ein ganz großer Trend mit Millionen-Reichweite sind Outfit-Bewertungen. In den sozialen Netzwerken ist beinahe jedes Foto durchgestylt: Die Haare sitzen perfekt, Malediven-Strand, am Himmel keine Wolke. Alles muss modern, hyper-ästhetisch und perfektioniert sein. Instagram heißt das Soziale Netzwerk der Jugend. Hier geht es nur um Bilder, Texte sind nur im Sinne einer Bildunterschrift überhaupt möglich zu posten.
Die jungen Leute sind technikbegeistert bis unter die Haarwurzeln. Ob man jetzt das iPhone X oder XR hat, ist entscheidender als vieles andere. Auch in visueller Hinsicht das absolute Gegenteil von Sonnenblumen, Atomkraft-Nein-Danke-Stickern und Friedenskeksen.
Wenn man sich die Mode anschaut, fällt einem Ähnliches auf. Wuschelhaare, Pluderhose, Römer-Sandalen, bunte Blusen? Pusteblümchen-Hanfcookie! Alle, wirklich alle Mädchen heute sehen gleich aus: aufpolierte, weiße Sneaker, hautenge hellblaue Jeans, die im Laden bereits serienmäßig mit Löchern ausgestattet sind, die Haare zu Tode geglättet und brutal zu einem perfekten Mittelscheitel gekämmt und das Gesicht ist so dick geschminkt, dass man sich wundert, dass das nicht irgendwann lawinenartig herunterkommt. Wenn man da reinfasst, sieht man aus wie ein Maler nach der Arbeit.
Die Linken könnten nun eigentlich auf allerlei Probleme mit der Jugend aufmerksam machen. Von der neuen macho-arabischen Kultur wird mehr LGBT-Feindlichkeit und Frauenherabwürdigung ausgehen, als von AfD, Werte-Union und Katholischer Kirche in den nächsten 100 Jahren zusammen. Oberflächlicher Materialismus, Frauen als Objekte, da würde schon was zusammen kommen. Stattdessen malt man sich die Welt einfach wiesewiese eim gefällt, und in dem Fall bleibt Pippi Langstrumpf auch das Ideal.
Inwieweit die Jugend jemals so wirklich politisch war, vermag ich nicht zu sagen. Aber eines weiß ich schon: Diese Generation ist es nicht. Die Legende von Generation Greta stammt von alten, weißen Männern, die damit andere alte, weiße Männer diskreditieren wollen, nur um davon abzulenken, dass sie selber alte, weiße Männer sind.
Sie waren in ihrer Jugend bei der KPD/ML, beim KB oder KBW, bei den Spontis, beim SDS, sie liefen auf Anti-AKW-Demos oder marschierten für den Frieden und gegen Pershing-Raketen. Sie, die alten, weißen Männer bei der ARD oder den Grünen, waren vielleicht wirklich so etwas wie eine politische Jugend, zwar eine bescheuert-politische Jugend, aber immerhin. Sie wollen heute mit Greta ihre zweite Jugend erleben, sie fühlen sich wieder jung, wenn wieder Spruchbanner gegen die angeblich Mächtigen unserer Zeit, die Industrie, das umweltfeindliche Establishment skandiert werden, und merken dabei nicht, dass sie längst selbst dieses Establishment geworden sind.
Sie haben sich die schlechtmöglichste Projektionsfläche für ihre politische Agenda ausgesucht, denn die Jugendlichen heute sind wohl am weitesten überhaupt von den ’68ern entfernt. Sie sind völlig unidealistisch und unideologisch (aber nicht von der angenehmen Sorte). Vielleicht sind sie die unfreiwillige Antwort auf den Moraltotalitarismus ihres Umfeldes – was gibt es heute für ein schlimmeres Verbrechen als unpolitisch zu sein?
Soweit, so gut. Allein: Da wäre mir Bob Dylan im Radio doch lieber.