Es tut mir leid, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Jetzt müssen Sie auch hier über Homo-Ehe und Frauenquote lesen. Unbedingt.
Gelegentlich relativieren Zahlen die Erregung, auch im heraufziehenden Bundestagswahlkampf. Wochenlang hat uns beschäftigt, ob auch homosexuelle Partnerschaften Ehegattensplitting kassieren. Derzeit gibt es nur 27.000 eingetragene Lebenspartnerschaften. So heißt verschwiemelt die Homo-Ehe, um die Normal-Ehe wenigstens dem Wort nach noch etwas abgrenzen zu können. Teuer wird das Homo-Splitting nicht. Denn wenn, wie bei den meisten homosexuellen Paaren, beide Partner verdienen, gibt es keinen Splittingvorteil. Den gibt es ja nur, wenn einer der Partner sehr wenig oder nichts verdient, etwa weil er oder sie sich um die Kinder kümmert. Nun gibt es nur 6000 Kinder in Lebenspartnerschaften; in den allermeisten Fällen nur bei Frauen-Paaren. Nun soll bei Gerechtigkeitsfragen die Zahl der Betroffenen nicht zählen – trotzdem sind die für diese Diskussion ausgeschütteten Talkshow-Honorare vermutlich höher als der Betrag, der steuerlich für die völlige Gleichstellung fällig würde.
Nun spürt man ja, wie sich manche freuen, dass sie wenigstens ein bisschen schreiende Ungleichheit entdeckt haben, die energisch bekämpft werden muss – auch wenn die klassische Aufgabenverteilung in der Ehe zwischen Verdiener und Kindererzieher von Rot-Grün sonst so entschieden bekämpft wird: Da gilt das Ehegattensplitting als Fehlanreiz, weil es Berufstätigkeit unattraktiv mache, und steht daher auf der Streichliste beider Parteien – während man gleichzeitig für die Ausdehnung kämpft: Abschaffen durch Ausdehnen also. Zur kuriosen Debatte passt die grüne Neben-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt, die ihrer Parteichefin Claudia Roth den Ruf der unfreiwilligen Ulknudel streitig macht: “Ehe für alle”, twittert sie, als ob neben den vielen neuen Zwangsabgaben auch die Zwangsehe im Programm stünde.
Kaum ist die Home-Ehe abgeräumt, geht es um die Frauenquote in Aufsichtsräten. Auch dabei geht es um Symbole, nicht um Zahlen: Mit rund 102 Aufsichtsrätinnen in Dax-Konzernen ist jede fünfte Position schon heute mit Damen besetzt; die Quote fast schon erfüllt. Putzig, wie sich die neue Frauenbewegung um die Einkommensmaximierung einiger Millionärinnen bemüht; Gehaltspegel also, die man in der nächsten Rede dann als gierig geißelt. Es kommt halt nur noch auf das Geschlecht des Kontobesitzers an. Den Vogel schießt die CDU ab: Sie will die Quote erst 2020 einführen. Spätestens dann wird die Quote auch ohne Gesetz erfüllt sein – so entsteht mit großem Gestus ein Gesetz, das nicht mehr gebraucht wird, wenn es kommt.
Aber Symboldebatten sind ideal für Wahlkämpfe, denn es geht mit viel Getöse – um nichts. Nur gelegentlich kollidiert man mit der Wirklichkeit. Das ist der SPD passiert. Nun hat sie sich so bemüht, eine Gerechtigkeitslücke zu finden und alle Statistiken so hinzubiegen, dass der Eindruck entsteht, Deutschland wäre ein zutiefst unsoziales Land. Und was stellt die Europäische Zentralbank fest? Deutschland ist tatsächlich arm – so betragen die Vermögen der Privathaushalte in Malta, Zypern, Spanien und Italien ein Vielfaches der deutschen Vergleichswerte. Arme Deutsche – das passt zwar in die gefühlte Gerechtigkeitslücke der SPD, aber nicht zu ihrer Forderung nach noch viel mehr Solidarität; sprich Transfer in die Südländer, die nicht so arm sind wie der Glaube der SPD. Was macht man da? Um das Abkassieren ihrer Wähler trotzdem zu rechtfertigen, wird jetzt die Aussagekraft dieser Statistik angezweifelt: Was nicht passend ist, wird passend gemacht. Die SPD denkt eben vor allem an das Wohlergehen – leider immer an das der anderen.
So betäubt uns derzeit die Aufregung um Nebensächliches. Wie es weitergehen soll mit dem Euro, der verpfuschten Energiewende, der Bildungsmisere, der Integration von Zuwanderern: alles Nebbich! Hauptsache, die Quote und das Splitting für jeden der wenigen Betroffenen kommen.
(Erschienen auf Wiwo.de am 20.04.2013)