Parteimitglied der Grünen war Frank Bsirske, der streitbare linke Gewerkschafter, schon, als er 2001 an die Spitze der mitgliederstärksten deutschen Gewerkschaft Ver.di gewählt wurde. Bis zum September 2019 führte er Ver.di 18 Jahre lang. Jetzt will der 68-Jährige für die Grünen in Niedersachsen in den nächsten Bundestag einziehen, muss dafür aber erst in dem von ihm ausgesuchten Wahlkreis Wolfsburg von der Parteibasis nominiert und dann von einem Landesparteitag auf einem aussichtsreichen Listenplatz positioniert werden. Dass ihm das nicht gelingt, gilt als eher unwahrscheinlich.
Schon in der aktuellen Bundestagsfraktion der Grünen sind die Realos deutlich in der Minderheit. Linke Positionen haben sich in der Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik längst festgesetzt. Mehr Staatsgläubigkeit und Etatismus als heute war bei den Grünen nie. Wirtschaftsliberale Positionen sind nur noch mit der Lupe zu finden. Aufrechte Kämpfer für eine nachhaltige Finanzpolitik, die unseren Kindern und Enkeln keine Schuldenberge hinterlassen wollen, werden gerade bei einer Partei schmerzlich vermisst, die so gern von Generationengerechtigkeit fabuliert. Als ehemaliger Insider behaupte ich, dass die grüne Bundestagsfraktion aus den Zeiten der ersten rot-grünen Koalition (1998 – 2002) mit ihrem Personal und ihren Inhalten deutlich überzeugender für eine Koalition mit der Union gestanden hätte als die heutige und erst recht die künftige Fraktion.
Weil die Grünen mit Aushängeschildern wie Winfried Kretschmann auch konservativ-liberale Wähler an sich binden können, und nur so ihre demoskopischen Prozentzahlen erklärbar sind, werden sie allerdings nicht zu offensiv für eine Koalition mit der SPD und der Linken werben. Sie werden sich auch die schwarz-grüne Option taktisch offenhalten, um möglichst viele Stimmen ihres sehr heterogenen Wählerpotentials an sich zu binden. Doch im Zweifel und bei der nötigen Mandatsmehrheit für eine linke rot-grün-rote Bundesregierung werden sie nur zu gern einsteigen.
P.S.: Weil auch die Grünen das Zitat von Franz Müntefering: „Opposition ist Mist!“ nur zu gut kennen, werden sie allerdings im Bedarfsfall, wenn die linke Regierungsmehrheit doch nicht zustande kommt, auch mit der Union ins gut gemachte Koalitionsbett steigen. Denn nach 16 Jahren Opposition werden auch linke Grüne diese schwarze Kröte schlucken.