Tichys Einblick
Nein, nicht wieder

Wer gab Anweisungen an Gesundheitsämter, Eltern mit Kindesentzug zu drohen?

Wenn Ämter Eltern drohen, ihnen die Kinder zu entreißen, falls sie sich nicht an Corona-Auflagen halten, dann werden grausige Erinnerung an die Praxis der DDR wach.

imago Images/Westend61

Eine Journalistin nennt Kritiker der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen unwidersprochen „verfassungsfeindlich“, und aus der Union kommen gar Stimmen, die Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen gleich ganz verbieten wollen. Demonstrationsteilnehmer werden pauschal als „Covidioten“ (SPD-Parteichefin Esken via Twitter) und „Verschwörungstheoretiker“ diffamiert, denunziert und diskreditiert. Solche Theorien allerdings bekommen gerade derart Nahrung, dass sie umwegsfrei zur bitteren Wahrheit werden könnten.

Und diese Wahrheit geht so: Die Regierung droht Bürgern mit allen erdenklichen Mitteln, Eingriffen und Übergriffen in die Privatsphäre, sollten diese sich angeordneten Stillhaltemaßnahmen der Regierung gegenüber oppositionell bzw. renitent verhalten. Sie erinnern sich: Zu Beginn des Lockdown gingen Videofilme viral von teils unerträglichen Übergriffen bei Polizeieinsätzen in Privatwohnungen gegen Bewohner und Gäste, die sich angeblich nicht an die Maßnahmen gehalten und beispielsweise zu viel Besuch empfangen hätten, sogar bei einem Reporter des ZDF und seiner Frau, die beim WDR arbeitet.

Das jetzt gerade aktuelle Geschehen im August 2020 stellt sich nach neuesten Meldungen noch einmal bedrohlicher dar und hat das Potenzial, die Theorie zur Gewissheit werden zu lassen:

Örtliche Gesundheitsämter drohen Eltern gerade unverhohlen mit Kindesentzug, wenn diese bestimmte zwangsisolatorische Maßnahmen am Kinde nicht nach Wunsch des Amtes durchführen. Vergleichbare Zustände also, wie sie ganze Regalmeter der Aufarbeitung der DDR-Verbrechen füllen, wo zu Tausenden Kinder den Eltern entrissen wurden, weil diese als Regimegegner galten.

Wer in der bundesrepublikanischen Gegenwart mit solchen Maßnahmen droht, der muss ganz genau wissen, in welche tiefe Wunde er da schlägt. Der muss wissen, welche Reaktionen er hier nicht nur bei denen erzeugt, die das Leben im Unrechtsregime noch am eigenen Leibe erfuhren.

Die BILD zitierte die erstberichtende Neue Westfälische Zeitung und begann ihre Berichterstattung gestern mit dem vor Ausrufezeichen gesetzten „Wahnsinn!“. Bekannt geworden waren Fälle behördlicher Schreiben aus gleich mehreren Bundesländern, die Eltern dazu aufforderten, ihre Kinder in häuslicher Quarantäne getrennt von der Familie in einem eigenen Raum zu isolieren und auch Mahlzeiten getrennt vom eigenen Kind einzunehmen – wohl bemerkt, schon im Verdachtsfalle einer Corona-Infektion. Andernfalls drohe, so die Ämter – man will es kaum glauben, alle antidiktatorischen Alarmsirenen schrillen hier sofort – andernfalls drohe bei Zuwiderhandlung die Wegnahme der Kinder. Für die Dauer der Quarantäne würden diese dann in geeigneten Einrichtungen untergebracht.

Wörtlich heißt es da im Schreiben laut BILD:

„Sollten Sie die Absonderung betreffenden Anordnungen nicht nachkommen oder ist aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens anzunehmen, dass Sie der Anordnung nicht ausreichend Folge leisten, ist eine abgeschlossene Absonderung aufgrund des Bevölkerungsschutzes in einer geeigneten geschlossen Einrichtung erforderlich.“

Nebenbei bemerkt: Man darf gespannt sein, was passiert, sollten die Ämter solchen staatlich beförderten Kindesmissbrauch bei bestimmten kulturfremden Familien durchzusetzen versuchen. Bei solchen Familien eben, die traditionell die Großfamilie hoch halten und bei denen das Kind einen noch gewichtigeren Stellenwert hat, als bei Familien in westlich geprägten Kulturen.

Bei den Empfängern des Schreibens der Gesundheitsämter soll es sich um Eltern von Kindern zwischen drei und elf Jahren handeln. Aber nicht nur die Eltern schlagen hier Alarm, auch Organisationen wie der Kinderschutzbund sind entsetzt. Der Präsident der Organisation spricht hier von „psychischer Gewalt“ gegen Kinder und spricht dabei die Gewalt gegen die Eltern noch nicht einmal an.

Denn so etwas funktioniert ja zukünftig möglicherweise auch umgekehrt. Stellen sie sich so eine apokalyptische Situation einmal vor: Bei jeder Demonstration begeben Sie sich ja generell in Gefahr, anderen Menschen zu nahe zu kommen und schon kann der polizeiliche Zugriff erfolgen und dann werden sie zwangsisoliert.

Aber was passiert dann mit Ihren Kindern?Es gibt hier so viele Möglichkeiten der Einschüchterung, dass man diese kaum alle aufzählen kann.

Panikmache? Keineswegs, wenn die von BILD als „Wahnsinn!“ bezeichneten Maßnahmen jetzt näher rücken bis ins private Kinderzimmer. Und wie real bedrohlich das so vielen Menschen aktuell erscheint, zeigen schon die gigantischen Leserzahlen der Artikel, die gestern zuerst über diese skandalösen Briefe der Gesundheitsämter im Stile des DDR-Regimes berichteten.

Ein betroffenes Amt fühlt sich nun laut Focus-Online „missverstanden“. Aber was soll da missverständlich sein? Schnell wird nachgeschoben, dass die Eltern eben mit zwangsisoliert werden sollen – aber das sieht nicht nach der Bereinigung einer versehentlichen Auslassung aus, sondern nach hastiger Schadensbegrenzung.

Was sind das bloß für Zeiten, wo Angriffe auf die Demokratie und die Menschenrechte durch Behörden, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen so vielfältig geworden scheinen, dass der einzelne Bürger der dagegen ankämpft, schon den Eindruck gewinne könnte, er befände sich in einem sinkenden Faltboot aus Löschpapier und nicht in einem freien Deutschland, wie es doch verfassungsgemäß eigentlich sein müsste?

Wer gab also die Anweisungen an die betreffenden Briefe versendenden Gesundheitsämter aktuell schon aus drei Bundesländern, solche Drohkulissen aufzubauen? Da müsste es ja eine länderübergreifende Koordination gegeben haben. Laut Focus bestätigte die Stadt Bruchsal zwar umgehend das kontaminierte Schreiben, schob die Verantwortung aber an die laut Stadt zuständige Gesundheitsbehörde im Landratsamt weiter. Die Behörde wiederum verteidigte auf Anfrage die Androhung sogar noch, wollte dann aber nichts mehr davon wissen, dass die Kinder weggenommen werden sollen, die Eltern würden ja mit isoliert werden.

Interessanter: Das besagte Schreiben sei keineswegs ein individuelles Papier gewesen, sondern basiere auf einer Musterverfügung auf der Basis von Vorlagen anderer Landkreise. Wenn also jeder von jedem abschreibt, wer hat dann aber die erste Version aufgesetzt oder wo abgeschrieben? Und da sind wir dann beim Bund angelangt, beim Infektionsschutzgesetz: Orientiert habe man sich „insbesondere auch am Wortlaut des Infektionsschutzgesetzes“.

Also schauen wir auch da kurz noch hinein. Schauen, ob dort zu finden ist, was die Ämter voneinander abgeschrieben haben wollen.

Unter § 30 heißt es da:

Absatz 2: „Kommt der Betroffene den seine Absonderung betreffenden Anordnungen nicht nach oder ist nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen, dass er solchen Anordnungen nicht ausreichend Folge leisten wird, so ist er zwangsweise durch Unterbringung in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses abzusondern. Ansteckungsverdächtige und Ausscheider können auch in einer anderen geeigneten abgeschlossenen Einrichtung abgesondert werden. Das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) kann insoweit eingeschränkt werden. Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt entsprechend.“ Und weiter in Absatz 3: „Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz), der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) und das Grundrecht des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel 10 Grundgesetz) werden insoweit eingeschränkt.“

Mehr ist dazu nicht zu finden. Oder haben Juristen nach Studium des Infektionsschutzgesetzes dazu eine andere Auffassung, die eventuell einen Kindesentzug doch noch rechtfertigen würde? Ist das hier impliziert?

Stellen wir abschließend und so nüchtern wie möglich fest, dass auch nach dem Rückzieher der einen Gesundheitsbehörde im Landratsamt gegenüber einer Zeitung die Drohkulisse nun einmal in der Welt ist. Und es braucht hier keinerlei Verschwörungstheorien, festzustellen, dass die Angst der Eltern nicht halt macht, wenn es darum geht, bei der nächsten Demonstration gegen Regierungsmaßnahmen teilzunehmen. Da bleibt man zum Wohle der Familie besser zu Hause?

Die Bedrohungen kommen übrigens längst von allen Seiten: Gerade hatte ein SPD-Politiker und Vorsitzender der SPD-eigenen „AG Migration und Vielfalt“ die Abschiebung der Berliner Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstranten aus Deutschland gefordert. Keine Verschwörungstheorie, sondern realer antifreiheitlicher, also auch antideutscher sozialdemokratischer Wahnsinn.

Anzeige
Die mobile Version verlassen