Nun also Dieter Nuhr. Er hat so etwas wie eine Art Gotteslästerung begangen, und das mehrfach. Er macht sich über linke und grüne Ideologie und ihre Prediger lustig. Dass er sich auch die AfD vornimmt, und sei es bloß, um sich abzusichern: Es hat ihm nichts genutzt. Jetzt hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft einen anfänglich hochgelobten Kurzbeitrag von ihm gelöscht. Das linke Tribunal hat per Twitter sein Urteil gesprochen, Nuhrs Sturz aus dem Himmel der ARD in die Hölle der Einsamkeit kann vielen nur noch eine Frage der Zeit sein. Allerdings wird er dort nicht allein sein.
Dort trifft er beispielsweise Ludger K.. Dessen größtes Vergehen ist, dass er 2016 vor einer Partei, deren Namen wir nicht nennen sollen, seine Show zum Besten gegeben hat, und das gegen Honorar. Seither kein TV mehr, kein Veranstalter – und trotzdem volle Säle. Allerdings muss er die Tour selbst organisieren. Lachen ist längst politisch, und wenn es um sie selbst geht, verstehen Rote, Grüne und GroKos keinen Spaß. Auch Nuhr stürzt vom Hochseil.
Auch Veganismus schützt vor Sünde nicht
Die Liste von Denunziationsopfern wird mit jedem Tag länger. Dazu gehört sicher Marcel Bohnert, ein Offizier ohne Fehl und Tadel, der zwei Instagram-Posts eines alten Kameraden aus den Kämpfen in Afghanistan mit einem „Like“ versehen hat. Panorama hat die gesamte Wucht der ARD aufgeboten, um diesen Mann politisch und seine Karriere zu vernichten. Klar, dass die Wehrbeauftragte Eva Högl, die eigentlich die Interessen der Soldaten gegen die Bundeswehrführung und das Verteidigungsministerium vertreten soll, sofort eingeknickt ist. Fürs Einknicken wurde sie ja da hin gewählt; und Annegret Kramp-Karrenbauer, die große Ahnungslose auf dem Posten des Verteidigungsministers, hat sich auch nicht vor ihren Soldaten gestellt.
Manche kommen dabei einfach nicht mit, wenn sie vom Star zum Aussätzigen werden und drehen dann endgültig durch: Der einstige Starkoch Attila Klaus Peter Hildmann gehört dazu; als Propagandist des Veganismus eigentlich von der anderen Baustelle. Tief in den Kaninchenbau gefallen und feststellend: auch Veganismus schützt vor Strafe nicht. Hildmann reagiert verletzt, radikalisiert sich mit jedem Tag mehr, bis sich auch die letzten Gutmeinenden von ihm abwenden müssen. Das Ziel ist erreicht.
Wie in den düstersten Zeiten des Stalinismus bitten die Verräter um ihr Todesurteil, das in modernen Zeiten der Kommunikationsgesellschaft heißt: Ausschluss aus dem Raum der staatsnahen und staatsbeherrschten Kommunikation. Wer als „Rechts“ identifiziert wird, riskiert Karriere, Fort- und Auskommen für sich und seine Familienmitglieder. Es gilt die Kollektivschuld oder schuldig ist auch, wer einen Schuldigen besser kennt oder noch Kontakt zu ihm pflegt.
Das hohe Gericht der Denunzianten wacht über jede Rede, über jeden Tweet, über jeden Facebookeintrag, schnüffelt im privaten hinterher; Professoren an Hochschulen verbringen damit ihre Amtszeit und schicken Studenten in Kneipen, wo „Rechte“ noch geduldet werden. Spitzelei statt Lehre; Haltung statt Wissen verschafft Jobs im Berufsbeamtentum, das früher dazu geschaffen wurde, um die Neutralität des Rechts zu gewährleisten. Der Rechtsstaat ist unbequem, weil er Regeln gegen Jeden ohne Ansehen der Person durchsetzen muss. Wenn er aber beginnt, zweierlei Maß an das Verhalten anzulegen, demontiert er sich selbst.
Das ist bei den jüngsten Demonstrationen geschehen: Wenn es um Black Lives Matter Demonstrationen ging, die Party-Szene in Stuttgart oder um ausufernde Feierlichkeiten eines Clans im Ruhrgebiet, um Demonstrationen der Linken, die Polizisten mit Feuerwerkskörpern beschossen und mit Flaschen beworfen haben – da war und ist keine Rede von Mundschutzpflicht und Abstandsregelung. Erst, wenn es um Demonstrationen gegen die fortgesetzte Einschränkung von Grundrechten geht – da zählt die Strenge des Meterstabes. Dass der Bundespräsident sich am selben Tag mit Musikantinnen aus dem Südtiroler Krisengebiet ganz enge und ohne Maske zeigt – die Regierenden zeigen den ihnen Untergebenen, dass sie darüber erhaben sind und die Medien weisen nicht darauf hin.
Der Reiz des Undemokratischen
Das Vorgehen hat mittlerweile Methode, ist aber eher zufällig entstanden. Vor fünf Jahren öffnete Angela Merkel die Grenzen für einen seither ungehemmten Zustrom von Zuwanderern aus Nordafrika, Afrika und Afghanistan.
Wer sich damals gegen Merkels Politik stellte, wurde als „Rechter“ diffamiert; dieser Begriff ist so dehnbar geworden wie einst „Klassenfeind“. „Rechte“ sind CDU- oder FDP-Mitglieder, die bislang nicht Schlimmes daran finden konnten, „Rechte“ zu sein, als Gegenstück zu den Linken. Aber schrittweise gelang es, die Grenzen zwischen bürgerlich-konservativ, liberal und „Rechtsradikalismus” ganz zu verwischen. Damit wurden die Positionen denunziert, die Deutschland getragen hatten.
Der Kampf gegen „Rechts“ ist unbedingt, gnadenlos, unbarmherzig. Entschuldigungen werden nicht akzeptiert. Jede Abweichung wird bestraft, Hand in Hand wirken in heiligem Zorn Bundesregierung, eilfertige Medien, eifernde Kirchen und staatlich geförderten NGOs. Das Vorgehen ist undemokratisch, aber wirkt.
Die Ausdehnung der Ausgrenzung
Im Falle von Merkels rechtswidriger Grenzöffnung wurde diese Ausgrenzung politisch Andersdenkender eingeübt; sie war so erfolgreich für den Machthalt, dass diese Politik der Spaltung für praktisch alle Felder der Politik eingesetzt wird. Wer gegen Windräder protestiert, gerät in diesen Sog, auch wenn er sonst treu und brav sein Kreuz den grünen GroKo-Parteien angedient hat.
Klimaglaubensskeptiker sind sowieso im Nirgendwo, weil sie es wagen, offenkundige Diskrepanzen zwischen dem offiziell als eherne Wahrheit Verkündetem und tatsächlichen Befundenem hinzuweisen. Schweigen sollen wir über die Geldschwemme der Europäischen Zentralbank für die Südstaaten der EU oder 750 Milliarden „Wiederaufbauhilfe” für intakte Volkswirtschaften. Reden darüber könnte für Sie heute schon persönlich so teuer werden, wie es möglicherweise für die wirtschaftliche Zukunft unserer Kinder wird. Bauern, die gegen den Ruin ihrer Höfe protestieren, Auto-Bauer, die um ihre Arbeitsplätze fürchten? Alles „Rechte”. Es kann nicht anders sein, ein und dieselbe Medizin wird nun gegen alle und jeden Widerspruch eingesetzt.
Die Unterwerfung des Staates
Unter Merkel hat sich ein Politikstil etabliert, der jeden Widerstand denunziert, ausgrenzt, mit sozialer Ächtung und wirtschaftlichem Ruin bedroht. Wir schauen dabei zu, wie staatliche Institutionen dieser Politik unterworfen werden, Schulen, Universitäten, Polizei und Verfassungsgerichte politisiert und der Inlandsgeheimdienst instrumentalisiert werden. Die sozialwissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten sind zu Akklamtationsmaschinen verkommen: „Die Geisteswissenschaften könnte man erst nach einer intellektuellen Währungsreform wieder ernst nehmen,“ so Norbert Bolz.
Die Rückkehr zu einer kühlen, weitgehend um Neutralität bemühten und nachrichtlich geprägten Berichterstattung wird schwierig und via Fernsehen mit den Gesichtern der bekannten Bannerträger nicht möglich sein. Während früher Teams von ARD und ZDF gerngesehene Gäste waren, um die man sich bemühte, werden sie heute von radikalisierten Gegnern angegriffen. Faktisch sind weite Teile Ostdeutschlands heute so etwas wie No-Go-Areas für diese Sender. Das ist keine Rechtfertigung für Pöbeleien, aber eine Zustandsbeschreibung der Kluft zwischen Sendern und Besendeten.
Die Wilden in den Wäldern
Da hilft es wenig, dass der komplette, irgendwie von den Parteien beeinflußbare und durchsetzte gesellschaftliche Machtapparat gegen Kritiker mit immer mehr Millionen aus Steuergeldern in Stellung gebracht und personell immer weiter aufgerüstet wird. Es ist nicht allein Kalkül einer Regierung, die glaubt, sich mit Spaltung an der Macht halten zu können. Es geschieht auch vielfach in vorauseilendem Gehorsam. Es braucht keine Weisung. Hier genügt das, was die Kollegin Evelyn Roll von der Süddeutschen schon vor 15 Jahren als „freiweillige Gleichschaltung“ bezeichnet hat: Vorauseilende Anpassung und Duckmäusertum sind wirksamer als Anordnungen. Die Prinzipien einer offenen und demokratischen Gesellschaft werden über Bord geworfen. Die Regierung befiehlt es nicht, es geschieht im blinden Eifer der Angst, der Anpassung, mit gebeugten Rücken.
Die gesellschaftlichen Gewichte verschieben sich. Immer mehr Ausgegrenzte könnten bald eine neue Mehrheit sein, gerade weil die Ausgrenzung so willkürlich funktioniert und so unterschiedliche und immer neue Themen zum Anlass nimmt. Der Medienwissenschaftler Poensken, eher einer der Epigonen des Verlangten, spricht davon, dass ein Drittel der Bevölkerung nicht mehr am offiziellen Mediengeschehen teil nimmt.
Die Kluft der Sprachlosigkeit vertieft sich. Die Eliten ziehen sich in ihre gentrifizierten Geistesviertel zurück; die Wilden in den Wäldern werden täglich mehr und dort blühen Kunst, Kultur und Kreativität, jenseits der staatlich alimentierten Staatskünstelei und Bestätigungswissenschaft.
Die, die drin sind im System, haben es nur noch nicht gemerkt.