Tichys Einblick
Ein Testlauf?

Bundespresseamt startet „Journalismus“ von Morgen

Wenn man so richtig intensiv darüber nachdenkt, warum das Bundespresseamt ein fiktives Interview ohne Quellenangabe versendet, kann es sich hierbei nur um einen Testlauf handeln. Oder?

imago images / Christian Spicker

Es ist wirklich wie verhext! Nun hatte ich drei Texte geschrieben, in denen ich die Zukunft dessen beschreiben ließ, was sich die Haltungslinken und die Vertreter der neorassistischen Ideologie des Intersektionalismus unter der Zukunft dessen vorstellen, was sie als Journalismus bezeichnen. Damit, so dachte ich, sei erst einmal genug getan, um den rasanten Wandel des Journalismus zum langen Arm eines künftigen Propagandaministeriums zu beleuchten. Doch weit gefehlt!

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Am 24. Juli die eingegangenen Emails heruntergescrollt, bleibt mein Blick an einer neuen „Information“ aus dem Bundespresseamt hängen. Davon kommen in der Regel mehrere am Tag. Das meiste davon wandert ungelesen in die virtuelle Müllbox – uninteressant oder zu einem Themenkomplex, mit dem sich andere Kollegen herumplagen. Gelegentlich sind auch Links zu offiziellen Äußerungen mehr oder weniger bedeutsamer Vertreter der deutschen Führungsnomenklatura darunter. Die werden gespeichert, um sie für einen späteren Zeitpunkt vorrätig zu haben oder sogar, wenn es der Tagesaktualität dient, unmittelbar zu verwerten.

Bei all dem aber gilt seit eh eine Grundregel: Was ich aus der Informationsflut für die journalistische Arbeit nutze, obliegt ausschließlich mir. Das Bundespresseamt ist ein Servicedienstleister. Sie liefert Informationen – der Journalist entscheidet, wie er damit umgeht. Dieses vorausgeschickt stolpere ich nun im Mailordner über eine für mich ungewöhnliche Überschrift.

Sie lautet: Bundesregierung informiert: „Das Spannende ist: Kein Tag …“.

Komisch, denke ich. So leitet doch eine Pressestelle keine Information ein. Worum geht es? Wer hat sich hier geäußert? Was ist das Thema, das dem Leser vermittelt werden soll? Das Ganze klingt eher nach dem Einstieg in einen Erlebnisbericht aus der Schülerzeitungsredaktion. Also angeklickt.

Und – oh Wunder – was sich vor mir auftut, ist etwas, das üblicherweise unmittelbar und ausschließlich in den Aufgabenbereich der Journalisten fällt – nicht aber in den der Informationsdienstleister einer Regierung. Es entfaltet sich – ein Interview! Ein richtiges, vollständiges Interview! Mit Fragen und Antworten – scheinbar so, wie ein Redakteur es gefertigt hätte, wenn er sich mit einem Vertreter der Bundesregierung getroffen hat, um diesem auf den Zahn zu fühlen.

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Aber eben nur scheinbar. Denn mit dem „auf den Zahn fühlen“ ist hier nichts. Es vermittelt eher den Charakter einer Selbstspiegelung, wie der kleine Hans oder Christoph sie sich zu Hause auf Papier geschrieben hätte, um sich selbst einmal so richtig ins rechte Licht zu setzen. Logisch – bei so einem homemade-Interview sind selbstverständlich keine kritischen Nachfragen vorgesehen. Also ohne dieses lästige Nachbohren, bei dem manch einer schnell ins Wanken kommt, wenn seine Äußerungen sich in Worthülsen und Belanglosigkeiten verlieren, weil hinter dem angeblich so Bedeutsamen dann doch nur heiße Luft zu finden ist.

Um jedoch nicht gleich zu hart zu urteilen, kommt spontan der Gedanke auf: Okay, hier hat die Redaktion irgendeiner mehr oder weniger bedeutsamen Zeitung ein Interview mit einem Regierungsvertreter gemacht, das die Pressestelle derart perfekt fand, dass sie es der breiten Medienöffentlichkeit zukommen lassen wollte. In den Empfänger-Redaktionen hätten dann Journalisten, wenn sie die Bedeutsamkeit der Aussagen nachvollzogen hätten, einen Bericht nach dem Motto „Wie XY in der Zeitung Z sagte, soll oder wird dies oder jenes …“.

Also suche ich, bevor ich meinen Blick auf den Inhalt verschwende, nach dem entsprechenden Hinweis. Wer hat dieses Interview gemacht? In welchem Medien ist es erschienen – oder wird erscheinen?

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Aber nichts. Kein Hinweis darauf, wer die Fragen gestellt hat. Kein Hinweis auf irgendein Medium, welches dieses Interview zu veröffentlichen gedenkt. Einfach nur Fragen und Antworten. Das gibt nun allerdings zu denken. Denn es gibt tatsächlich nur drei Möglichkeiten: Entweder, der Interviewte hat sich vor den Spiegel gesetzt, und sich selbst die Fragen gestellt, um diese dann zu beantworten. Oder irgendein Mitarbeiter aus dem Propagandaministerium hat dem Interviewten mundgerechte Fragen aufgeliefert, welche dieser dann ganz im Sinne der Propaganda beantwortet.

Oder aber auch: Irgendein Schreiberling im Dienste der Regierenden hat sich das alles nur ausgedacht und das klassische Frage-Antwort-Spiel findet nur fiktiv statt.
Was also soll das? Wenn ich als Journalist einem Regierungsvertreter auf den Zahn fühlen will, dann melde ich das bei dessen Pressestelle an und bitte um einen persönlichen Termin.

Sollte dieser tatsächlich zustande kommen, was heutzutage immer seltener wird, wenn man auf der Liste kritischer Journalisten vermerkt ist, dann sitzen sich Fragesteller und Befragter unmittelbar gegenüber. Manchmal auch nur telefonisch, wenn die Distanz anders nicht zu überbrücken ist. Aber es ist immer noch eine unmittelbare Kommunikation zwischen zwei Menschen. Eine Kommunikation, die die Chance hat, Spannung zu erzeugen, wirkliche Informationen heraus zu kitzeln.
Dieses Produkt aus dem Propagandaministerium aber hat all dieses nicht. Und so stellt sich noch einmal die ernsthafte Frage: Was soll es?

Es ist keine offizielle Stellungnahme, aus der entsprechend zu zitieren wäre: „Wie die Bundesregierung mitteilt, ….“ Oder „Wie Minister B. anlässlich einer Rede vor C sagte ….“. Allein schon – wie soll denn die Redaktion aus diesem virtuellen Frage-Antwort-Spiel zitieren? „Wie X in einem Interview mit dem Bundespresseamt sagte …“? Das ist journalistisch absurd. Oder vielleicht: „Wie X auf eine von ihm selbst gestellte Frage antwortete …“? Das wäre, sollte es eine solche Steigerungsmöglichkeit geben, noch absurder.

So bleibt nur eine einzige halbwegs sinnfällige Idee, was mit diesem Pseudo-Interview anzufangen ist: Medien, die unfähig sind, eigene Interviews zu führen, sollen so tun, als ob sie selbst dieses Interview geführt hätten. Alles andere macht keinen Sinn. Wobei – diese Idee macht auch keinen. Dann erscheinen morgen in der NOZ, der FAZ, der SüZ oder sonstwo gleichlautende Interviews, die so tun, als hätte dort ein Redakteur seinen Hirnschmalz auf dieses belanglose Frage-Antwort-Spiel vergeudet. Wie peinlich wäre das denn?

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Eigentlich, wenn man so richtig intensiv darüber nachdenkt, warum das Bundespresseamt ein fiktives Interview ohne Quellenangabe versendet, kann es sich hierbei nur um einen Testlauf handeln. Ein Austester dessen, wie künftig deutscher Journalismus zu funktionieren hat. Wer dieses ominöse Interview veröffentlicht, der bekommt dann jetzt schon ein paar Pluspunkte auf der Liste der künftig durch den Staat zu subventionierenden Staatsmedien.

Etwas anderes kann es nicht sein. Es ist das „Angebot“, hübsch artig in Interviewform aufgelieferte Staatspropaganda zu reprinten. So, wie das in totalitären Systemen längst üblich ist. Das Propagandaministerium liefert ein sorgfältig entwickeltes, gefällig geschriebenes „Interview“, welches alle regierungstreuen Zeitungen ungekürzt zu drucken haben. So, wie wir in der Redaktion des Berliner Kurier im Sommer 1991 noch von der Pressestelle der Deutschen Reichsbahn den nächsten Fahrplan auf den Tisch gelegt bekamen mit dem fett gedruckten Vermerk: „Ist in allen Zeitungen zu veröffentlichen“.

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir eingeflogenen West-Journos uns halbtot lachten – und wie die geschulten Ost-Redakteure überhaupt nicht verstehen konnten, worüber wir uns amüsierten. Schließlich waren sie es aus DDR-Zeiten noch gewohnt, von „oben“ vorgefertigte Texte zu erhalten, die unverändert publiziert werden mussten.

Dieses sogenannte Interview aus dem Bundespresseamt muss etwas derartiges sein. Ein Text von „oben“, den die regierungstreuen Zeitungen bitte unverändert abzudrucken haben.

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Zugegeben, der entsprechende Vermerk der Drucknotwendigkeit fehlt noch. Aber spätestens, wenn dann auch die einstmals unabhängigen Tageszeitungen am Steuertropf hängen, wird ein entsprechender, kurzer Satz hinzugefügt werden. Wer dann nicht spurt, dem werden die Subventionen gestrichen und er kann mangels interessierter und zahlungswilliger Leserschaft den Laden dichtmachen.

Kurz und gut: Wir haben es bei dieser überaus ungewöhnlichen „Information“ aus dem Bundespresseamt mit dem Start des Rückgriffs auf früher geübte Vorgehensweisen zu tun. Zugleich zeigt sie uns, wie der „Journalismus“ von Morgen aus Sicht der Bundesregierung zu funktionieren hat. Vielleicht aber auch ist es nicht nur ein Testlauf, sondern sogar eine unmittelbare, gut gemeinte Reaktion auf meine drei Texte zur Zukunft des Journalismus. Was dann immerhin nachvollziehbar wäre – denn wer will es noch ernsthaft mit solchen mehr oder minder Schreibfähigen zu tun haben wie jenen 15 aus der Deutschen Journalistenschule?

Mutiert das Bundespresseamt nun vollständig zum Ministerium für Propaganda und Volksaufklärung, dann spart mit dieser bislang ungewöhnlichen Vorgehensweise in der schönen, neuen Welt auch gleich die Redaktionen ein. Da reichen dann ein Layouter und der „Sätzer“, wie es früher bei der TAZ hieß, völlig aus, um dem Volk alltäglich die neueste Direktive aus dem Bundeskanzleramt zu vermitteln.

Kritische Berichte? Kritische Interviews, die vielleicht sogar die Mittelmäßigkeit der Regierenden offenbaren könnten? Wo kämen wir denn da hin! Also künftig alles nur noch aus dem Propagandaministerium – hübsch gefeilt auf Liebhab-Niveau, damit ja kein Bürger auf die Idee kommt, er könne vielleicht schlecht regiert werden.

Und wie gesagt: Wer nicht spurt, für den gibt’s keine Subventionen.

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Da wir als TE die allerdings ohnehin nicht beanspruchen werden, weil uns unsere journalistische Unabhängigkeit deutlich wichtiger ist als Finanzspritzen aus dem Steuersäckel, werden wir dieses komische „Interview“ auch keinesfalls veröffentlichen. Und auch nicht daraus zitieren oder erzählen, wer sich so kritiklos selbst bespiegelt hat. Nicht traurig sein, liebes BPA. Aber so einen Rest an journalistischer Ehre haben wir uns noch bewahrt.

Ihr werdet das verschmerzen, denn schließlich stehen manch andere ja bereits Schlange am Tropf des künftigen Subventionsflusses. Die werden dann ohne Zweifel dankbar dafür sein, dass ihr ihnen die Arbeit abnehmt. Vielleicht wird sogar dieser eigentlich unverzichtbare, unangenehm diktatorisch klingende Hinweis „Ist am … zu veröffentlichen!“ unnötig sein. Denn in den Buchhaltungen Eurer Staatsmedien werden dann die richtigen Leute sitzen, um möglicherweise immer noch skeptischen „Journos“ zu erläutern, wer tatsächlich ihre Gehälter finanziert – und dass in solchen Fällen immer noch das alte Motto gilt: „Wes Brot ich fress, des Lied ich sing …“

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