Von der italienischen Insel Lampedusa, südlich von Sizilien, kommen neue, alt bekannte Nachrichten. Etwa stündlich erreiche ein Boot mit Migranten aus Nordafrika die Insel, berichtet die Welt unter Berufung auf die Nachrichtenseite mediterraneocronaca erreicht derzeit pro Stunde durchschnittlich ein Boot mit Flüchtlingen. Das Aufnahmezentrum mit 100 Plätzen sei mit knapp 1000 Menschen überfüllt.
Das ist auch die Stunde Matteo Salvinis, des ehemaligen Innenministers und Initiators der „Porti chiusi“, der geschlossenen Häfen, der als Oppositionsführer und Legachef nun wieder voll in seinem Element ist und die Regierung um Premier Giuseppe Conte angreift. Das Thema der (unkontrollierten) Migration ist schließlich seins.
Manchmal auch nur auf Nussschalen oder Schlauchbooten, kommen die mehrheitlich männlichen Migranten in Italien an. Die meisten wie gehabt auf Sizilien, in Lampedusa. Auch Fischer mit ihren Motorbooten sowie die Küstenwache, tun ihre Pflicht, und helfen den illegalen Migranten aus ihrer misslichen Lage kurz vor der Küste, besonders wenn doch mal Kinder und Frauen an Bord sind.
In seinen auch kurzfristig anberaumten Pressekonferenzen oder Hintergrundgesprächen mit Journalisten, klärt der Lombarde Salvini gern über seine Erkenntnisse vor Ort und über die politische Situation generell auf. Wenn Salvini ruft, folgt ihm und den Medien die Zuhörerschaft. Auch der italienische Blätterwald und die Onlineredaktionen warten auf Salvinis Attacken.
Die aktuellste, auch auf Facebook oder auf der Seite der Lega zu verfolgen, lautete dann mit sorgenvoller Miene vorgetragen in etwa so: „Mit den neuesten Ankünften von heute Morgen, sind wir insgesamt bei 1.400 Migranten in den vergangenen 48 Stunde. Ja, sagt selbst, wo wir uns befinden, in welcher absurden Lage …“
Hinzu komme, dass auch die Zahlen der Infizierten ansteigen würden. Und dann, so Salvini eher müde denn hämisch wirkend, würden Journalisten schreiben, es gäbe neue Brandherde des Covid-19-Virus, der Staat befinde sich wieder im Notfallstatus, in einer Ausnahmesituation. Dazu Salvini, „aber natürlich, das glaube ich sofort …“
Warum? Nun, im schwierigsten Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg, so Matteo Salvini, besonders für die Tourismusbranche, sendet diese Regierung die falschen Signale. Weiterhin die Häfen sperrangelweit offen zu halten und Bilder in die Welt zu senden, Italien und besonders Sizilien seien das größte Auffanglager für Asylsuchende und Migranten, sei einfach fatal.
Allein diese Menge an Migranten danach in ganz Italien zu verteilen, „ein paar in Udine, eine große Menge auf Sizilien und Sardinien, oder in Kalabrien und oben in Ligurien, zeigt doch das ganze System … “, wiederholt Salvini. An Machtlosigkeit oder Dilettantismus, und er tippt sich mit dem Zeigefinger an die Stirn, wolle er schon gar nicht mehr glauben. Es sei schlichtweg kriminell, den Bürgern, der Wirtschaft und Italien so zu schaden.
Ob das nicht etwas zu krass und großspurig sei? Nun, Salvini hatte noch vor anderthalb Jahren als Innenminister eindeutig den Beweis erbracht, wenn auch mit seinen rigorosen Gesetzen, wie der illegale Menschenschmuggel übers Mittelmeer und die Todeszahlen fast gen Null gesunken waren. Skurrilerweise wurde die Lega und besonders Salvini umso mehr von Deutschlands Regierung und der EU attackiert. Deshalb meint Salvini auch, die italienische Regierung begehe eine Art „Komplizenschaft“. Eine Kooperation mit Kriminellen, die den Menschenschmuggel wollen, und von diesem profitieren.
Salvinis Nachfolgerin im Innenministerium, die parteilose Spitzenbeamtin Luciana Lamorgese, bläst gerade ein eisiger Wind ins Gesicht. Denn jetzt ist herausgekommen, dass etliche Migranten mit dem Coronavirus infiziert allein umher reisten oder sogar auf Anweisung weiter transferiert wurden.
Die Zeitung Il Giornale und auch La Repubblica berichten, dass Migranten auf Lampedusa noch negativ getestet wurden, in der Region Basilicata aber, in Potenza, plötzlich Corona positiv waren. Gerade mal acht Tage später, und das bei 26 Migranten. Nun geht in der Basilikata die Furcht um, das Virus könne weiterverbreitet worden sein. Der Bürgermeister von Potenza überlegt, strafrechtlich gegen die Innenministerin vorzugehen.
Der Bürgermeister Marco Guarente aus Potenza, einer Stadt und Region, die vom Corona-Virus auch dank der Disziplin quasi verschont blieb, liest der Innenministerin nun die Leviten: „Es ist inakzeptabel, dass die Migranten mit einem offiziell negativen Testergebnis hier angekommen sind, und nach unserer Testung hier acht Tage später offenkundig positiv sind … “. Der Bürgermeister wolle nun Schritte gegen Innenministerin Lamorgese in Erwägung ziehen, weil sie die Verantwortung für die Umverteilung trage. Die Italiener hätten sehr viel entbehrt in der Vergangenheit, und dürften sich nun um neu angekommene Infizierte kümmern?
Oppositionsführer Salvini weiß, die Chancen stehen nicht schlecht, den Wunsch nach Neuwahlen in der Bürgerschaft, noch stärker Ausdruck zu verleihen. Die lange Quarantäne, dann die minimalen finanziellen Hilfen, für gerade einmal zwei gefüllte Einkaufswägen in 12 Wochen und dann der Anstieg der Migranten-Ankünfte während der Lockdownphase, dies alles sorgt für eine latente Unzufriedenheit.
In Lampedusa aber schlägt auch der bekannte und sich selbst als links verortende Bürgermeister, Totò Martello, was auf Deutsch Hammer heißt, Alarm. Aber auch auf Salvini drauf. Der Bürgermeister von Lampedusa meint: „Die Auffangzentren stehen vor dem Kollaps. Um die 800 weitere Personen wurden in den letzten 48 Stunden aufgenommen … “, dort, wo jedoch nur Platz für 200 sei.
Und einmal in Rage, lädt der linke Bürgermeister seinen Frust über Matteo Salvini ab, der neulich auch in Lampedusa auf Stimmenfang und Sympathietour unterwegs war: „Schön, dass er (Salvini) heute in Lampedusa Präsenz zeigt, und moniert, dass das Zentrum mit Migranten überfüllt sei, und weitere ankommen … Ja, er hat Recht“, doch als Innenminister habe sich Salvini trotz Einladungen „nicht blicken lassen…“
Vielleicht tut er dem rechtskonservativen Oppositionsführer aber auch Unrecht. Wir erinnern uns noch an Salvinis Einsatz damals, nämlich auch für Lampedusa, als die Sea Watch 3 der Carola Rackete mit einem gewaltsamen Manöver ihre Migranten an Land brachte. Heute ist es wie damals, als von der EU nichts zu vernehmen war, außer die Order, „nur“ Italien müsse die Migranten aufnehmen.