Nachdem der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young sein Testat für den Abschluss 2019 verweigerte, fiel das House of Wirecard in sich zusammen. Nun stehen Finanzminister Scholz und seine rechte Hand Jörg Kukies in der Schusslinie. Wie lange wussten die zwei Bescheid? Und haben sie womöglich ihre schützende Hand über die Ganoven gehalten?
Die vordergründigen Aufgeregtheiten – sinngemäß: Olaf Scholz wusste schon Anfang 2019 von Vorwürfen gegen Wirecard – sind irgendwie schwer nachzuvollziehen. Natürlich wusste der Finanzminister davon, schließlich stand es in der Zeitung, und wie einige deutsche Medien jetzt weltexklusiv berichten, am 19. Februar 2019 wohl auch in Scholzens Pressemappe.
Auslöser der Berichte vor 18 Monaten waren Recherchen und ein Artikel der englischen Wirtschaftszeitung Financial Times über mögliche Geldwäsche und Kontenfälschung bei Wirecard – also ziemlich genau das, was dem Unternehmen (Börsenkurs von knapp 200 Euro auf 2 Euro in 2 Jahren) nun staatsanwaltlich vorgeworfen wird.
Die deutsche Finanzaufsicht, die dem Finanzministerium untersteht, nahm damals sofort die Ermittlungen auf, und zwar angeblich „in alle Richtungen, das heißt sowohl gegen Verantwortliche der Wirecard AG, als auch gegen Personen, bei denen Hinweise zur Beteiligung an Marktmanipulationen vorliegen“.
Tatsächlich aber ging die Bafin wohl zusammen mit der Münchner Staatsanwaltschaft vor allem auf die Journalisten der Financial Times los. Die damalige Lageeinschätzung nennt der Bafin-Chef Felix Hufeld inzwischen „ein Desaster und eine Schande“. Diese heutige Einschätzung ist nun richtig.
Noch im vergangenen November schwärmte etwa das Handelsblatt davon, wie ihm „der Dax-Konzern Wirecard „einen Einblick in die neuesten Entwicklungen des bargeldlosen Zahlens“ gewährte: „Vieles davon wirkt heute noch wie Science-Fiction.“
Nun dürfte es unstrittig sein, dass Scholz also von den Berichten über die Unregelmäßigkeiten bei Wirecard wusste, interessanter ist, was er unternommen, beziehungsweise nicht unternommen hat.
Am 8. März 2019 „fand ein Telefonat zwischen Finanzstaatssekretär Jörg Kukies und dem Präsidenten der Finanzaufsicht, Felix Hufeld, zu Wirecard statt, in dem über die aktuellen Vorwürfe und die getroffenen Maßnahmen gesprochen worden sei“, berichtet nun die FAZ.
Jörg Kukies, Scholzens rechte Hand, ist eine besonders schillernde Figur unter den Sozialdemokraten. Denn der Mann hatte bereits Karriere gemacht (unter anderem als Investmentbanker bei Goldman Sachs), bevor ihm die Partei einen Posten verschaffte. Kukies hat nicht nur mit der Bafin Kontakt gehalten, sondern auch mit dem Wirecard-Chef Markus Braun (derzeit auf Millionen-Kaution auf freiem Fuß).
Das sind Fragen, die inzwischen sogar Oppositionsparteien im Bundestag stellen durften. Jedenfalls wollen sie mehr zu den Treffen von Kukies mit dem Bafin-Chef und dem Wirecard-Chef wissen. Doch das bleibt noch hinter „Geheimschutzinteressen“ (so Olaf Scholzens Finanzministerium) verborgen.
Offen ist ebenso, was Scholz wann und wirklich von den Milliarden-Luftbuchungen der Wirecard AG wusste. Und ob der Finanzminister mal wieder den großen Krisenretter spielen wollte?
Zuletzt hatten sich die auf dem Staatsschatz sitzenden Sozialdemokraten mit ihrer Rolle bei den Cum-Ex-Geschäften der Banken bis auf die Knochen blamiert. Der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, SPD, arbeitet heute als Kabarettist.
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