In magischen Zeiten, als die heutigen Identitätsrevolutionäre alle noch nicht geboren waren, nämlich 1969, produzierte „Monty Python’s Flying Circus“ ihren Film über den komischsten Witz der Welt. Bei dem Stück handelt es sich um eine Dokumentation über die Entdeckung des funniest joke in the world, seine zahlreichen Opfer (wer ihn hört oder liest, lacht sich tot) und seinen Einsatz als Wunderwaffe der britischen Armee, wo er, übersetzt ins Deutsche und verheerend auf die Entfernung von 50 Yard, die Gegner massenhaft niedermäht.
(Diese deutsche Übersetzung lautet übrigens: „Wenn ist das Nunstück git und Slotermeyer? Ja! Beiherhund das Oder die Flipperwaldt gersput!“)
In dem Film kommt auch eine Szene vor, in der ein SS-Offizier (John Cleese) einen britischen Kriegsgefangenen verhört. Mit den Antworten des Gefangenen unzufrieden, bellt er: „That’s not funny“. Der Gefangene kommt auf die Idee, ihm den ins Deutsche übersetzten Todeswitz zu erzählen. Cleese schreit noch einmal that’s not funny und fuchtelt mit seiner Verhörpeitsche. Eine Sekunde später kann er das Lachen nicht mehr unterdrücken, er fällt tot um, vom Witz erledigt.
In der Gegenwart, in der Identiätslinke Denkmäler stürzen, Filme oder Serien verbannen – zum Beispiel die von Monty Python – und Polizisten auf den Müll befördern wollen, gibt es den John-Cleese-SS-Offizier gleich doppelt. Einmal mehr oder weniger im Original mit Peitschenknall und dem Ruf that’s not funny (beispielsweise, wenn sich Dieter Nuhr einen kleinen Scherz über Greta Thunberg erlaubt).
Und zweitens als Weiterentwicklung, die man bis vor kurzem genau so wenig kannte wie westliche Taliban beziehungsweise eine nichtbinäre taz-Kolumnistin mit echten SS-Fantasien. Die Cleese-Spiegelgestalt marschiert vorzugsweise in öffentlich-rechtlichen und anderen Tugendmedien auf und erklärt neuerdings in bestimmten ausgesuchten Fällen mit unterstützendem Peitschenknall: das ist komisch! Beziehungsweise Satire. Ja, Beiherhund! Lustigkeitsleugner, die an bestimmten Stellen das Lachen oder Satireverständnis verweigern, kommen jetzt genau so auf die lange und mittlerweile fast bevölkerungsumfassende Feindliste wie diejenigen, die sich über die falschen Witze amüsieren.
Wenn sich große Teile der Bevölkerung falsch verhalten, dann tritt sehr zuverlässig der Deutschlandfunk auf den Plan. Gerade erst, um Immanuel Kant als Rassisten zu brandmarken und die kulturelle Revolution zu loben, und gleich danach, um der oben erwähnten nichtbinären taz-Schreiberin Hengameh Yaghoobifarah beizuspringen, der zurzeit etwas Gegenwind ins Gesicht bläst, auch und gerade von Lachverweigerern. Yaghoobifarah machte sich am vergangenen Montag in ihrer Kolumne Gedanken, was mit den 300.000 Polizeibeamten in Deutschland nach der von ihr gewünschten Polizeiauflösung passieren sollte. Da sie einen „Fascho-Mindset“ besäßen und „strenggenommen noch nicht einmal in die Nähe von Tieren“ gelassen werden dürften, gäbe es für sie nur einen angemessenen Ort: „Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“
Nach einigen Strafanzeigen, Anzeigen beim Presserat und Abokündigungen eigener Leser fiel taz-Chefredakteurin Barbara Junge ein, dass ihre Zeitung niemals Menschen zu Müll erklären würde – aber in diesem Fall handle es sich um Satire. Es sei lustig. „Satire darf fast alles – und greift manchmal in seiner Wortwahl daneben“, schrieb Junge als Antwort auf eine entsprechende Frage des Portals „Übermedien“. „Lustig” schreibt die nichtbinäre Jokusnudel mit Y nicht nur über „Müllmenschen” und „Menschenmüll”, sondern auch über die deutsche „Dreckskultur“ (2017)“, weiße Frauen („Trust no white bitch“, 2016), und wiederum über Deutsche („Vielleicht betrachten Almans Rex & Co. als ihresgleichen, weil sie oft selber Hunde sind“, 2019). Ein Feuerwerk von Pointen und Hintersinn auf doppeltem Bedeutungsboden, das vielleicht nicht jeder auf den ersten Blick so würdigen kann wie eine taz-Chefredakteurin, bei der sich gerade die Abonnentenkartei lichtet.
Um das Urteil der taz-Schriftleiterin über die eigene Kolumnistin zu erhärten und überhaupt zu klären, was Lustigkeit nach Kant und in der laufenden Kulturrevolution bedeutet, legte sich also der oben erwähnte Deutschlandfunk ins Zeug und lud als Experten Christian Brandes ein, so, wie der Sender fast immer Experten einlädt, die exakt die Meinung des Redakteurs mitbringen. Brandes führt die Berufsbezeichnung Komiker und den irgendwie jüdisch klingenden nom de plume Schlecky Silberstein. Diese beiden Punkte machen ihn objektiv komisch. Über seine sonstige Fallhöhe als Witzschmied gibt seine Webseite kompetent Auskunft http://schleckysilberstein.com/
Brandes jedenfalls bestätigt im Gespräch mit dem öffentlich-rechtlichen Sender sehr gern, die taz-Kolumne über Menschenmüll sei „sehr gelungen“. „Darin seien alle Mittel einer Satire genutzt worden. Problematisch seien vielmehr die Reaktionen“, fasst der Deutschlandfunk zusammen. That’s funny! Wer das nicht verstehe, gehöre, so Brandes, zu den „geistig Geringsten“.
Besonders wenig Nachsicht hat der geladene Humorsachverständige mit dem Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt*, der (nicht als Einziger) wegen der Müll-Kolumne Strafanzeige gestellt hatte. Das, so Brandes, sei eine „AfD-Methode“, mit der die Gerichte belastet würden: „Die Gerichte sind nicht dafür zuständig, dass man den Leuten erklärt, wie ein Text zu verstehen ist.“
Doch, Gerichte sind unter anderem auch dafür zuständig; beispielsweise erklärte ein Gericht vor einiger Zeit der taz, dass der niedergeschriebene Wunsch ihres damaligen Autors Denis Yücel, Thilo Sarrazin möge an seinem nächsten Schlaganfall sterben, nach Junge-Yaghoobifarah-Brandes-Maßstäben vielleicht subjektiv lustig war, nach BGB-Maßstäben aber eine Beleidigung, für die das Blatt Sarrazin objektiv 20.000 Euro zu überweisen hatte.
Möglicherweise, meinte Brandes im Gespräch mit dem Deutschlandfunk-Redakteur, sei es ja so, dass Wendt den vielbödigen taz-Text „absichtlich Text falsch versteht – also sich absichtlich blöd stellt. Das ist bösartig, weil er diesen Text für seine eigene PR missbraucht.“
Irgendetwas für eigene PR missbrauchen – das fiele Christian Brandes nie ein. Brandes gehört zu dem „Bohemian Browser Ballett“, das für den öffentlich-rechtlichen ARD-Ableger Funk Filme produziert, beispielsweise ein Video, in dem er, Brandes-Silberstein, zu Beginn der Corona-Epidemie das Virus als „schönen und sinnvollen Reflex der Natur“ lobte. Denn „es rafft die Alten dahin, aber die Jungen überstehen diese Infektion nahezu mühelos. Das ist nur gerecht, hat doch die Generation 65+ diesen Planeten in den letzten fünfzig Jahren voll gegen die Wand gefahren“.
Brandes wünschte sich in dem Video reichlich Tote weltweit: „Mit weniger Menschen gibt es weniger Ressourcenknappheit und damit weniger Hunger, weniger Krieg und weniger Fluchtursache.“
Von ihm gibt es auch andere Videos, etwa von einem Vortrag, den er auf einer Medienkonferenz an der Hochschule Mittweida zum Thema „Woher kommt der Hass?“ hielt. Hass, erklärte er ziemlich zutreffend, sei ein starker Affekt, er aktiviere das Gehirn und sorge beispielsweise bei sozialen Medien für mehr Interaktionen als sanfte Themen. Er triggert also ein bestimmtes Verhalten. Brandes beherrscht Theorie und Praxis. Er kann über das Reiz-Reaktionsschema von Hass referieren, rundfunkgebührenfinanziert vielen Menschen den Virustod wünschen, das für lustig erklären, ein so genanntes reverse trolling praktizieren und damit seine Bekanntheit steigern. Und er verleiht, ebenfalls im öffentlich-rechtlichen Funk, einer ganz ähnlich versierten Hasstriggerin das Prädikat ‚Satire’ und ‚sehr gelungen’. Der Mann mit dem erfundenen Namen Silberstein kommt also ganz schön herum, vor allem im Umfeld von gebühren- und steuerfinanzierten Institutionen. Die oben verlinkte Webseite von Brandes macht nicht den Eindruck, als könnte er davon seinen Lebensunterhalt bestreiten (was mit Textseiten, dieser hier beispielsweise, ja durchaus möglich ist).
Wie die personellen Verflechtungen zwischen Brandes, seinem Deutschlandfunk-Gesprächspartner, der taz und der Nichtbinären im Einzelnen aussehen – mit Weiterungen zu anderen Staatskohlegruben – beschreibt Don Alphonso sehr unterhaltsam hier.
Leser werfen mir ab und zu vor, ich würde Leuten wie der nichtbinären taz-Person, Junge, Brandes und anderen zu viel Aufmerksamkeit gönnen. Mein Interesse gilt aber nicht den Figuren an sich. Doch als Exponenten eines Milieus kann man sie gar nicht hoch genug überschätzen. Meine Texte fassen sie ein wie rundum gegossenes Plexiglas. Das Verfahren objektiviert sie.
Ihrem Hass wohnt auch etwas Objektives inne. Die kürzlich im Deutschlandfunk und anderswo gelobte kulturelle Revolution ist eine Bewegung, die abräumt.
Beispielsweise „Fawlty Towers“ von Monty Python. Oder die Serie „Little Britain“, eine komische, von sehr talentierten Leuten hergestellte Fernsehproduktion aus der alten Zeit, die den Correctnessanspüchen der heutigen europäischen Kulturrevolutionäre nicht genügt, weshalb sie aus dem Archiv beziehungsweise auf den Müll muss, wo früher oder später alles Wertvolle landet. Insofern ist es praktisch, dass auch die Polizei dorthin kommen soll.
Die Verbannung von Monty Python-Filmen aus dem TV-Archiv scheint zusätzlich noch ein Racheakt dafür zu sein, dass John Cleese seit Jahren zu den einflussreichsten Prominenten gehört, die sich gegen die Political Correctness wenden. Die Tugend- und Anklagebewegung nennt er ein „Orwellian nightmare“; Witz und PC, so Cleese, schließen einander kategorisch aus: „es gibt keinen inklusiven Humor“. Setze sich die Correctness durch, dann werde der Humor höchstens in Nischen überleben. Zum Wesen Tugendprediger, die mittlerweile nicht nur predigen, sondern abreißen, zitiert er den diagnostischen Satz eines befreundeten Psychiaters: „If people can’t control their own emotions, then they have to start trying to control other peoples behaviour.“ Wenn Leute ihre Gefühle nicht kontrollieren können, dann versuchen sie, das Verhalten anderer Leute zu kontrollieren. Das ist ein Satz von der Sorte, die bei den Betreffenden zu Fußaufstampfen und Zerreißungsanfällen führt: ‚Das hat dir der alte weiße Mann gesagt! Das hat dir der alte weiße Mann gesagt!“
Im „Telegraph“ fasste Julie Burchill am 18. Juni die Lage nicht nur für ihre und Cleeses Heimat zusammen: „Bringen wir die Eitelkeit der Fegefeuer zu ihrem logischen Schluss: verbannt die Kultur!
Erst Little Britain, dann Fawlty Towers; warum verbannt die Generation Bettnässer nicht auch David Bowie, John Lennon und Dickens, wenn sie einmal dabei ist?“
Die Frage (das hat eine weiße Frau gefragt, das hat eine weiße Frau gefragt!) trifft den Kern der Angelegenheit. Redakteure öffentlich-rechtlicher Sender können noch so oft ihre persönlichen und ideologischen Buddies reihum einladen, progressive Politiker können noch so viel Steuergeld herankarren, die Milieumitglieder können sich wechselseitig noch so viel Preise umhängen, die Twitter-Jakobiner so viel Standgerichte abhalten, dass sie zu nichts anderem mehr kommen – aber nichts hilft ihnen gegen den ästhetischen Albdruck der Vergangenheit, ja sogar der Gegenwart, solange der Vergleich überhaupt möglich ist. Jeder kann das Hurra-jetzt-sterben-die Alten-Video von Christian Brandes aka Silberstein bei ARD-Funk mit den Filmen von Monty Python vergleichen, Jan Böhmermann mit Harald Schmidt oder David Lettermann, die heutige taz mit der taz der achtziger Jahre und Robert Habecks Kinderbücher mit denen von A.A. Milne. Der Leser mag einwenden, die letzte Paarung wäre unfair. All die anderen sind es aber auch. Was Yaghoobifarah angeht, sie muss schon, worauf Roger Letsch in seinem Text auf „Unbesorgt“ hinweist, einen Konkurrentin aus der Gegenwart attackieren, nämlich Lisa Eckhart, in jeder Hinsicht ihr Gegenpol: „Wer nichts zu sagen hat, aber Leute zum Zuhören braucht“, meint die taz-Autorin über Eckhart, „erklärt sich selbst zur Gegner_in der Political Correctness.“ Das allein ist nur eine notwenige, aber keine hinreichende Bedingung und macht folglich noch niemand lustig. Wem wie Yaghoobifarah noch nicht einmal sein Unterlegenheitsgefühl ein bisschen Witz aus den Poren treibt, für den besteht keinerlei Hoffnung.
Auch für Margarete Stokowski nicht, die versucht hatte, in einem Tweet den Müll-Text der taz-Autorin noch nicht einmal für witzig zu erklären – immerhin – , sondern zu einem unverstandenen Lob für Polizisten und Müllmänner.
Damit unterkellert die Spiegel-Kolumnistin selbst ihre üblichen Verhältnisse noch ein bisschen. Und schon auf ihrer üblichen Ebene verhält sie sich zum Rest-Spiegel wie der heutige Spiegel zum ganz alten, wie Saskia Esken zu Willy Brandt und Heiko Maas zu Gustav Stresemann. Kurzum, das, was schon durch seine schlichte Existenz als Vergleichsmaßstab für das Milieu dient, in dem alle einander stützen müssen, um überhaupt stehen zu können, ist so niederschmetternd, dass die Guten und Gerechten durch Verbannen, Verbieten, Verleumden und Indexieren überhaupt erst eine Chance bekommen. Es genügt nicht zu behaupten, man sei selbst lustig, und die ideologische Busenfreundin sei das auch. Die Lustigen müssen verschwinden. Der Witz, der tödlichste der Welt der gute oder der mittelprächtige, setzt sich von allein durch.
Um eine binäre Mischung aus Mario Barth und Julius Streicher den Leuten als progressiv-inklusive Tucholsky-Erbin aufzuschwatzen, braucht es dagegen Konkurrenzausschluss, unendlich viel Herumgehampel und Gebührengeld – und am Ende klappt es wahrscheinlich doch nur wieder auf dem eigenen kleinen Hegemoniefeld und nirgends sonst. Es gehört schon zu den schwersten Erziehungsübungen überhaupt, jemand das Lachen über eine bestimmte Sache auszutreiben. Aber die Anordnung oder zumindest der dringende Rat, etwas lustig zu finden – das wirkte noch nicht einmal im Ostblock. Dass es dreißig Jahre nach dessen Finale trotzdem versucht wird: That’s funny.
Vergleich macht arm. Jedenfalls den, der darin schlecht wegkommt. Es ist ein bisschen wie in Ulbrichts und Honeckers Sozialismus: Erst musste 1961 durch die Mauer der Vergleichsblick nach Westberlin verstellt werden, dann wurden 1972 die übriggebliebenen Privatunternehmen verstaatlicht, weil sie trotz aller Widrigkeiten immer noch besser liefen als die VEB. Am Ende reichten auch diese Vergleichsverbote nicht.
Menschen vergleichen von Natur aus gern. Bei freier Wahl nehmen fast alle das Bessere. Der Vergleich zwischen Brandes-Silberstein und Monty Python, Böhmermann und Lettermann, der taz-Borderlineschreiberin und Tucholsky geht unweigerlich so aus wie zwischen einem Trabant und einem Flügeltür-Mercedes. Man braucht noch nicht einmal etwas von Autos zu verstehen, um sich zu entscheiden.
* mit dem Autor nicht verwandt