Am Wahlrecht für den Bundestag ist so lange herumgedoktert worden von den Parteien und vom Bundesverfassungsgericht, bis ein unentwirrbares Durcheinander entstand. Geht es so weiter, besteht er beim nächsten Mal aus doppelt so vielen Abgeordneten wie ursprünglich vorgesehen. Immer mehr überhöht bezahlte und noch überhöhter Alterversorgte stehen immer weniger politischer Bedeutung der einzelnen Abgeordneten gegenüber. Der ganze Personenapparat des Parteienstaats direkt und indirekt ist nur noch ein einziges Netzwerk zuverlässig gehorchender Funktionäre.
Jetzt ist wieder einmal von einer Wahlrechtsreform die Rede. Wozu? Denn wozu überhaupt noch wählen?
Erstens sind die Unterschiede zwischen der realen Politik der verschiedenen älteren Parlamentsparteien unterm Strich nicht erwähneswert, teilweise gilt das auch für die AfD, was aber egal ist, wenn alle anderen Parteien die jüngste aus dem politischen Prozess ohnedies ausschließen. (Was übrigens dumm von den älteren Parteien ist, denn einbezogen hätten sie mit der jüngeren keine nennenswerten Probleme.)
Zweitens ist Wahlrechtsreform gemessen an den Vorstellungen der Herrschenden ein Rückschritt, wo sie doch viel Zukunftsträchtigeres vorhaben: Ein „Rat für Generationengerechtigkeit“, soll die Macht haben, in Gesetzgebungsverfahren des Bundestags einzugreifen. Das ist mehr, als real amtierende Bundestagsabgeordnete dürfen. Wozu also noch welche wählen? Räte braucht es, keine Abgeordneten.
Dass NGOs längst die ursprünglich den Parteien zugedachte Aufgabe der Mitwirkung an der Willensbildung des Volkes durch den Ersatz dieser Willensbildung als unkontrollierte Lobbykratie übernommen und das Volk mit Hilfe verbündeter und verschwägerter Medien von der Willensbildung ausgeschlossen haben, weiß jeder, der es wissen will. Die einzelnen Abgeordneten wirken nicht einmal an der Willensbildung der NGOs mit, im Einzelfall sind sie von NGOs in Parteien entsandt.
Einige wenige Bundestagsabgeordnete in den Fraktionsführungen bestimmen bis tief in die Parteien hinein, wer Abgeordneter wird und bleibt (noch existierende Exoten mit Direktmandaten außen vor gelassen). Wer Bundeskanzler und Bundespräsident wird, wer Bundesverfassungsrichter und dort was sonst noch, entscheiden sie ebenso wie auch über die Vergabe der vielen Sinekuren von Bundesbeauftragten, ehemaligen Abgeordneten in Industrieverbänden und so weiter und so weiter.
Dieser sehr kleine Personenkreis hat sich klammheimlich und unkontrollierbar zu einem im deutschen Recht nicht vorgesehen Bundesoberrat der Republik formiert – nach dem alten Wort des Großzynikers Walter Scheel, wonach alle wirklich wichtigen Entscheidungen ausnahmslos von Gremien getroffen werden, die es nicht gibt.
Warum also sollte dieser Bundesoberrat nicht die Mitglieder der Räte berufen, die anstellle der Parlamente, die sich ohnedies selbst entmachtet haben, die jederzeit von ihnen änderbaren Regeln festlegen, nach denen die Zivilgesellschaft den großen Lümmel Volk so anleitet, wie es notwendig ist, das Klima zu retten, die Leute aus den Weltgegenden mit Zuständen, die nicht den allein selig machenden, also bundesrepublikanischen genügen, in die Berliner Republik zu bringen, das Welt-Pandemie-Management zu übernehmen und das Weltmanagement überhaupt.
Die UNO (inklusive Sonder- und Nebenorganisationen) übrigens muss dringend aus New York nach Berlin übersiedelt werden, bevor ihr noch durch Donald Trump ganz Übles widerfährt. Auch die UNO in Genf nimmt besser diesen Weg, bei den Schweizern mit ihren Volksabstimmungen weiß man ja nie … Für die UNO in Wien gilt das auch, bei diesem Sebastian Kurz muss man trotz Koalition mit den Grünen (wer weiß wie lange?) auch immer mit allem rechnen.
Zurück zum Anfang. Wahlrechtsreform? Bitte weder Kraft noch Geld in etwas stecken, was den Lauf des Zeitgeistes nur hemmt. Solange es das Parlaments-Prozedere als Absegnungsprozess der Entscheidungen des Bundesoberrats noch braucht, einfach bei der jetzigen Besetzung bleiben, keine Wahlen durchführen, die Corona-Zeit hat die Mehrheitsbevölkerung doch so schön zum Gehorchen dressiert. Da findet sich schon eine Begründung, warum Wahlen jetzt keine Priorität haben, wenn nicht das Virus, dann das Klima oder, oder, oder.
Und zum Schluss mal ganz im Ernst: Von Minneapolis ausgehend gibt es die Idee, eine Polizei, die derart durchdrungen ist von falschen Einstellungen, aufzulösen, weil sie nicht reformierbar ist. Das ist ein interessantes Reform-Modell.
Wie wäre es damit, die Uhren der Bundesrepublik auf den Tag des Inkrafttretens des Grundgesetzes zurück zu stellen, alle seitherige Gesetzgebung und Veränderungen des Grundgesetzes außer Kraft zu setzen und noch einmal neu anzufangen? Und den Bürgern im „Beitrittsgebiet“ diese Option zum Nullpunkt nach dem Ende der DDR selbstverständlich auch freizustellen? Ein schöner Gedanke zu Sommerbeginn – oder?