Tichys Einblick

Das Berliner Abgeordnetenhaus verschleiert die Täter des 17. Juni 1953

Das Abgeordnetenhaus von Berlin zum 17. Juni 1953: "Sowjetische Truppen greifen konsequent durch, es kommt zu zahlreichen #Verhaftungen und mehreren #Toten". Kein Wort der Anteilnahme für die Opfer, der Sympathie für die Aufständischen. Und kein Wort gegen die SED-Täter.

Getty Images | Screenprint Twitter

Die Pressestelle des Berliner Abgeordnetenhauses twittert schon seit Tagen zum Volksaufstand vom 17. Juni 1953. Auffällig ist dabei, dass jene, die die friedliche Protestbewegung mit militärischen Mitteln niederschlugen, nämlich dem SED-Regime und der sowjetischen Besatzungsmacht, entweder gar nicht vorkommen – Passivkonstruktionen prägen die kurzen Texte – oder sogar in einer Wortwahl, die auch seinerzeit in der SED-Propaganda-Postille „Neues Deutschland“ gestanden haben könnte. Worte der Anteilnahme für die Opfer, der Sympathie für die Aufständischen, die freie Wahlen und die Wiedervereinigung forderten, fehlen dagegen.

Die Truppen des sowjetischen Stadtkommandanten, heißt es in einem Tweet anerkennend „greifen konsequent durch“. Sie erschießen nicht etwa unbewaffnete Demonstranten, sondern: „es kommt zu zahlreichen Verhaftungen und mehreren Toten“.

— Abgeordnetenhaus von Berlin (@AGH_Berlin) June 17, 2020

Später, nachdem mehrere Leser sich beschwert hatten, fühlte sich die Pressestelle des Landesparlaments der Bundeshauptstadt, in dem die in die Linke umbenannte SED mit 27 Abgeordneten vertreten ist, bemüßigt zu erklären, dass die Inhalte in enger Kooperation mit der Abteilung Historisch-Politische Bildung des Berliner Aufarbeitungsbeauftragten entstanden seien und man „keinesfalls werten“ wollte. „Falls der Eindruck entstand, das #AGH verharmlose die Ereignisse, tut uns das sehr leid.“ 

Der Eindruck der Verharmlosung, ja sogar der Verhöhnung der von der Sowjetarmee und dem SED-Regime Getöteten kommt allerdings nicht nur in diesem einen Tweet auf, sondern zieht sich durch die meisten zu dem Thema. Da „eskalieren“ zum Beispiel die Proteste (und nicht die Sowjetarmee und das SED-Regime). Und „Hunderte wurden verletzt, Tausende kamen in Haft, mehr als 50 Menschen starben“ – wer die friedlichen Demonstranten verletzte, inhaftierte und tötete, bleibt unerwähnt.

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