Bisher wurde an dieser Stelle besprochen, wie sich die Corona-Pandemie in Westeuropa und in Nordeuropa verhält. Nun geht es daran, einen Blick auf Südost-Europa zu werfen.
Was vor allen Dingen auffällt, ist, dass selbst das am stärksten betroffene Land Nordmazedonien mit 75,4 Verstorbenen pro Million Einwohner, bevölkerungsrelativ deutlich weniger Opfer meldet als Deutschland mit 105,3 Toten pro Million. Die Beurteilung der Corona-Lage in vielen Ländern gestaltet sich als schwierig. Informationen sind – wenn überhaupt – oft nur in der Landessprache verfügbar.
Wie sich in den Betrachtungen Westeuropas und Nordeuropas gezeigt hat, sind selbst in Ländern mit einem gut ausgestatteten Gesundheitssystem die Zahlen der gemeldeten Corona-Toten oft fragwürdig.
Entsprechend müssen die Zahlen für Südosteuropa auch mit großer Vorsicht interpretiert werden. Es ist natürlich möglich, dass Albanien tatsächlich das Land in Europa mit den zweitwenigsten Corona-Opfern ist (Platz eins ist die Slowakei mit 5,1 Toten pro Million). Viele Länder Südosteuropas meldeten erst im März die ersten Corona-Infektionen: Sie hatten Zeit, sich vorzubereiten. Auch wurden nach Bekanntwerden der ersten Infektionen vielerorts sehr schnell sehr rigide Eindämmungsmaßnahmen ergriffen. Es liegt allerdings auch im Bereich des Möglichen, dass falsch gezählt wird. Ohne adäquate Daten ist eine Beurteilung von außen kaum möglich.
Nordmazedonien – Eine zweite Welle
In Nordmazedonien wurde am 18. März der Notstand ausgerufen, der bis zum 30. Mai andauerte. In Folge dessen galten wochentags, von 16:00 Uhr bis 5:00 Uhr, und am Wochenende ganztags Ausgangssperren. Menschen über 67 durften ihre Wohnung unabhängig vom Wochentag nur zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr verlassen; Minderjährige zwischen 13:00 und 15:00 Uhr.
Rumänien – Strafe für den Regierungschef
In Rumänien ist die Ausbreitungsrate zurückgegangen. Die strengen Regelungen – einschließlich des Verbots, den Heimatort zu verlassen – wurden weitgehend zurückgenommen. Unter freiem Himmel darf zum Beispiel wieder Gastronomie stattfinden, und auch die Strände sind wieder geöffnet (mit zwei Metern Abstand zwischen Personen).
Im Durchsetzen von Regelungen sind die Behörden immerhin konsequent:
Rumänien zeichnet sich auch dadurch aus, in Europa eine der höchsten Todesraten aufgrund von „verhinderbaren“ und „behandelbaren“ Todesursachen zu haben. Eine Statistik dazu folgt in der Besprechung Bulgariens. In Anbetracht dessen ist es jedoch fragwürdig, dass Corona in Rumänien eine Letalitätsrate von „nur“ 6,4% aufweist – in Belgien beträgt sie 16,1% in Deutschland 4,7% und in Spanien 11,2% (s. Statista).
Bosnien und Herzegowina – ebenfalls eine zweite Welle?
Am 17. März wurde hier der Ausnahmezustand ausgerufen. Seit Ende Mai sind Einreisen für Geschäftszwecke wieder erlaubt, zu anderen Zwecken allerdings nicht. Es gelten Ausnahmen für Bürger Serbiens, Kroatiens und Montenegros; sie dürfen ohne Einschränkungen einreisen. Versammlungen sind verboten; Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleister dürfen wieder öffnen.
Die hohe Rate der Neuinfektionen in den letzten Tagen ist aber nicht unbedenklich.
Serbien – die Lage ist ruhig
Serbien scheint die Pandemie im Griff zu haben. Es galten Ausgangssperren, diese wurden jedoch mittlerweile aufgehoben. Auch die Einreise ist seit dem 22. Mai – auch ohne negativen Corona-Testbescheid – möglich.
Russland schickte Anfang April Ärzte und Ausrüstung nach Serbien, um im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu helfen. Laut Moscow Times handelte es sich dabei unter anderem um 87 Militärärzte, welche im Mai nach Russland zurückgekehrt sind.
Das Infektionsgeschehen in Serbien scheint ruhig, auch wenn es im Mai (Balkan Insight zufolge) in Serbien zu einer Reihe lokalisierter Ausbrüche in Fabriken kam.
Bulgarien – es gibt gute Gründe für Zweifel
Die starken täglichen Schwankungen der gemeldeten neuen Fallzahlen in Bulgarien sind fragwürdig. Möglicherweise liegt dem ein Meldeverzug der Neuinfektionen zugrunde, sodass Neuninfektionen von einem Tag (zum Teil) erst am nächsten Tag, zusammen mit den Neumeldungen dieses zweiten Tages an die zuständigen Behörden weitergeleitet werden.
Innerhalb der Europäischen Union stellt Bulgarien das Land mit der geringsten Lebenserwartung dar. Diese beträgt 74,8 Jahre. In einem Bericht über den Gesundheitsstatus Bulgariens befand die Europäische Kommission unter anderem, dass Bulgarien sehr anfällig für Infektionskrankheiten ist. So steht in dem Bericht: „Bulgarien hat weiterhin hohe Melderaten für Infektionskrankheiten, wobei gerade Tuberkulose besonders besorgniserregend ist“. Covid-19 ist in seiner Gefährlichkeit nicht mit der Tuberkulose vergleichbar; aber dass ein Land große Erfolge in der Eindämmung des einen erzielt, aber des anderen nicht, ist fragwürdig. Andererseits erwähnt der Bericht auch, das Bulgarien die zweithöchste Rate von Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner in der EU verzeichnet – 7,5 Betten pro 1.000 Einwohnern. Mehr Betten hatte zum Zeitpunkt des Berichts nur Deutschland. Doch diese Menge an Krankenhausbetten wird auch deswegen gebraucht, weil Bulgarien nur über wenige Hausärzte verfügt und daher die Krankenhäuser eine hervorgehoben Rolle spielen. Die Situation in vielen anderen Ländern der Region dürfte nicht besser sein – weil Rumänien in der EU ist, stehen mehr Informationen zur Verfügung.
Bulgarien zeichnet sich auch dadurch aus, in Europa eine der höchsten Mortalitätsraten für „verhinderbare“ und „behandelbare“ Todesursachen zu haben:
Dabei sind „verhinderbare“ Todesursachen solche, die durch staatliche Präventionsarbeit verhindert werden können – also Versuche, den Zigarettenkonsum einzudämmen (Lungenkrebs), den Alkoholkonsum zu reduzieren etc.. „Behandelbare“ Todesursachen, sind Krankheitsbilder, bei denen eine Behandlung verfügbar ist oder auch Vorsorgeuntersuchungen eingesetzt werden können – Brustkrebs, Schlaganfälle und ähnliches. Mit einem Medianalter von 44,5 Jahren ist es auch nicht so, als seien die Bulgaren der Corona-Pandemie gegenüber altersbedingt resilienter: Die Belgier, das Volk mit der höchsten Opferzahl pro Million Einwohner, sind sogar 2,8 Jahre jünger.
Andererseits ist Bulgarien weit weg von den Epizentren der Corona-Pandemie in Europa; die ersten Fälle wurden am 8. März bekannt. Am 13. März folgte die Verhängung der Ausnahmezustands. Wenn es der Regierung tatsächlich gelungen ist, die Ausbreitung zu verhindern und einen Großteil der Infizierten zu erfassen, so erklärt dies die niedrige Anzahl der gemeldeten Verstorbenen. Letztlich wird für Bulgarien und alle anderen Länder nur klar sein, was wirklich der Fall ist, wenn mehr Daten verfügbar sind.
Griechenland – unerwartet schnelle Reaktion
Warum es in Griechenland zu einzelnen extremen Spitzen in den Neumeldungen kommt, ist bisher nicht klar. Dass am 9. Juni plötzlich 97 neue Fälle erfasst werden, obwohl am Tag zuvor KEIN neuer Fall gemeldet wurde, gibt Rätsel auf.
Insgesamt war die griechische Reaktion auf Corona aber schnell und entschieden. Der erste Corona-Fall wurde in Griechenland am 27. Februar bekannt. Am Tag darauf wurden schon Großveranstaltungen abgesagt. Dies geschah zwei Wochen bevor es zum ersten Todesfall in Griechenland kam. Am 10. März, als es 89 Corona-Tote in Griechenland gab, wurden Schulen geschlossen und weitere Veranstaltungen untersagt. Am 13. März wurden Gastronomie, Museen und Einkaufzentren geschlossen; alle anderen Einzelhändler folgten am 16. März. Es wurden auch zwei Dörfer unter Quarantäne gestellt und Gottesdienste untersagt. Ausgangssperren folgten am 22. März. Der Lockdown dauerte 42 Tage; zum 4. Mai wurden die ersten Lockerungen beschlossen.
Regierungsangaben nach wurden die Intensivstationskapazitäten verdoppelt, die täglichen Testkapazitäten versechsfacht und 21 Millionen Schutzmasken eingelagert – im Februar waren in Griechenland 1 Million verfügbar.
Kosovo – staatliche Quarantäneeinrichtungen in der Kritik
Im Kosovo sind nach offiziellen Angaben 31 Menschen an Corona verstorben. Einreisende müssen sich für zwei Wochen in Quarantäne begeben – allerdings nicht zuhause, sondern in staatlichen Einrichtungen. In einer solchen Einrichtung beging ein aus Deutschland zurückgekehrter Student Suizid. Der Fall löste im Kosovo Proteste aus; den Quarantäneeinrichtungen wird Vernachlässigung ihrer Pflichten vorgeworfen, berichtet Balkan Insight.
Zypern – Hoffen auf den Tourismus
Das Coronavirus erreichte Zypern relativ spät: hier wurden die ersten Fälle am 9. März bekannt. Ähnlich wie Griechenland reagierte der Inselstaat dann jedoch zügig auf den Ausbruch. Wie die Zahlen der neu gemeldeten Fälle zeigen, gelang es der zypriotischen Regierung, die Verbreitung des Virus schnell einzudämmen. In den letzten Tagen waren zwar immer wieder kleinere Ausschläge nach oben zu beobachten, diese sind aber vor allen Dingen darauf zurückzuführen, dass die Regierung sehr „offensiv“ auf jeden neuen bekannten Fall reagiert und Kontaktpersonen sehr sorgfältig nachverfolgt. Erklärtes Ziel der Regierung ist es, Zypern als sicheres Reiseziel für den internationalen Tourismus attraktiv zu machen. Als Teil dieser Strategie hat die Regierung auch ein 6,3 Millionen Euro schweres Subventionsprogramm ins Leben gerufen. Damit sollen Fluglinien unterstützt werden, die eine regelmäßige Verbindung auf die Mittelmeerinsel einrichten. Woher die Flugzeuge starten, ist dabei nicht wichtig. Dies berichtet die englischsprachige Tageszeitung Cyprus Mail.
Montenegro – Das Virus ist besiegt
In Montenegro wurde zuletzt am 6. Mai eine Corona-Infektion gemeldet. Insgesamt wurden 324 Infektionen und neun Verstorbene gemeldet. Bis zum 15. März galten Ausgangssperren und Bewegungseinschränkungen.
Es scheint, als sei das Virus dort erfolgreich eingedämmt, es sind keine aktiven Fälle bekannt.
Albanien
Albanien meldet mit 11,9 Toten pro Million Einwohner die zweitniedrigste Zahl an Corona-Opfern Europas (bevölkerungsrelativ). Albanien ist wohl auch das Land mit den strengsten Verordnungen. Zeitweise galt eine landesweite Ausgangssperre, nur ein Mitglied jedes Haushalts durfte für je eine Stunde pro Tag das Haus verlassen – und die Genehmigung dazu musste vorher per Handy-App bei einer offiziellen Stelle eingeholt werden. Auf Verlangen musste dann besagte Genehmigung vorgezeigt werden. Rentner durften ihre Wohnungen überhaupt nicht verlassen, sie wurden (laut offiziellen Angaben) von staatlichen Stellen und freiwilligen Helfern versorgt.