Tichys Einblick
Nicht-Juristin soll Justiz verantworten

Neue Regierung in Hamburg: Hoch umstritten ist schon heute die Justizsenatorin

Anna Gallina, die neue grüne Senatorin für Justiz, bekommt jetzt mehr Gehalt als der Erste Bürgermeister (SPD). Das gefällt nicht allen. Dass Gallina bereits heute inmitten der Kritik steht, hat freilich noch ganz andere Gründe.

imago images / Hoch Zwei Stock/Angerer

Anna Gallina, Vorsitzende des Landesverbands Hamburg der Grünen, ist – mit dem Segen des alten und neuen sozialdemokratischen Bürgermeisters Peter Tschentscher (SPD) – neue Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz geworden. Gewählt wurde sie von der Koalition aus SPD und Grünen.

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Schon am Tage ihres Amtsantritts ist Gallina erneut in Negativ-Schlagzeilen geraten: Sie bekommt (mit Familienzuschlägen und Aufwandsentschädigung) nicht nur ein Senatoren-Gehalt in Höhe von 17.740 Euro, sondern auch noch zusätzlich eine monatliche „Aufwandsentschädigung“ von 3.167 Euro für ihre – ehrenamtliche – Tätigkeit als Landesvorsitzende der Grünen. Damit liegt ihr Einkommen um 3.137 Euro höher als das ihres Regierungschefs (Monats-Einkommen: 17.770 Euro).

Dass ein so hohes „Extra-Ehren-Gehalt“ bisher ausgerechnet an eine Grünen-Vorsitzende gezahlt wird, erzürnt jetzt nicht nur viele grüne Parteifreunde. Denn

Als diese Zahlen am Mittwoch durch die Bild-Zeitung (Regional-Ausgabe) bekannt wurden, sah sich die grüne Parteizentrale in der Hansestadt offenbar flugs genötigt, eine Kurs-Korrektur anzukündigen. Die Boulevard-Zeitung berichtet das so: „Auf Bild-Nachfrage ließ Galinna ausrichten, dass sie ‚den Landesvorsitz schnellstmöglich abgeben‘ wolle. Ein Termin für den Parteitag mit Vorstands-Nachwahl werde gesucht.“

Aber das beruhigt längst nicht alle Gemüter. Viele Bürger sagen, das hohe ehrenamtliche „Gehalt“ ausgerechnet für eine Parteivorsitzende der Grünen bestätige das alte Vorurteil gegenüber der grünen „Elite“, die immer wieder Wasser predige, aber selbst teuren Wein trinke.

Im Zentrum heftiger Kritik steht Anna Gallina freilich noch aus ganz anderen Gründen:

„Respektlosigkeit gegenüber dem Rechtsstaat“

Spätestens jetzt horchen viele Bürger auf – nicht nur Richter, Staatsanwälte oder Bedienstete der Justizvollzugsanstalten. Eine Justizsenatorin, die keine Juristin ist? Das hat es in Deutschland fast noch nie gegeben. Zumindest hinter vorgehaltener Hand gibt es an Alster und Elbe geharnischte Kritik, die der bekannte Strafrechtler Otmar Kury, der auch langjähriger Präsident der Hamburger Rechtsanwaltskammer ist, gegenüber der WELT so formuliert: „Dass sich die Freie und Hansestad Hamburg erlaubt, eine Dame, die nicht einmal ein Studium der Rechtswissenschaften vorzuweisen hat, zur hohen Senatorin für Justiz zu ernennen, stellt für mich eine beispiellose Respektlosigkeit gegenüber unserem Rechtsstaat dar.“

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Und Kury – seit vielen Jahren ebenfalls angesehener Vorsitzender des Berufsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer – fügt hinzu: „In der Ablehnung einer solchen, ausschließlich auf die mangelnde Qualifikation bezogenen, Ernennung sehe ich den größten Teil der Richterschaft, der Staatsanwaltschaft und der Hamburgischen Anwaltschaft in Fassungslosigkeit vereint.“

Fast alles ist heutzutage in der Bundesrepublik möglich – auch in Hamburg, das neuerdings im rechtspolitischen Windschatten von Rot-Rot-Grün in Berlin zu segeln scheint, wo schon oft Werte des Rechtsstaates mit Füßen getreten worden sind.

Staatsanwaltliche Ermittlungen gegen die Justizsenatorin

Anna Gallina hat zwar nach ihrem Abitur an der Hamburger Gesamtschule Ida-Ehre – im Gegensatz zu etlichen anderen Politikern – nicht nur studiert (Politische Wissenschaft, Philosophie und Öffentliches Recht), sondern auch ihr Studium (in Lüneburg) abgeschlossen (Magister-Examen). Doch die Examina, die sonst grundsätzlich für Justizminister-Bewerber vorausgesetzt werden (zwei Staatsexamina und juristisches Referendariat) fehlen ihr. Dafür hilft sie nun den zukünftigen grünen Senatsmitgliedern, die Frauen-Quote zu erfüllen.

Noch unangenehmer für die Grünen-Politikerin ist die Tatsache, dass ehemalige Parteikollegen, die mittlerweile zur SPD gehören, gegen Gallina Anzeige erstattet haben: wegen angeblicher schwerer politischer Verunglimpfungen. Die „Überläufer“ behaupten, Gallina und der grüne Landesvorstand hätten fälschlicherweise das Gerücht in die Welt gesetzt, dass die beiden „Renegaten“ – Fatih Karismaz und Shafi Sediqi – mehr oder weniger offen mit radikal-islamischen Gruppierungen sympathisieren.

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Es wird auch kolportiert, diese angeblichen Verleumdungen seien von Gallinas ehemaligem Lebensgefährten Michael Osterburg initiiert worden – von dem Osterburg, der als damaliger Grünen-Fraktionsvorsitzender im Bezirk Hamburg-Mitte die beiden unbequemen Partei“freunde“ während eines Machtkampfes habe ausschalten wollen. Bisher hat die Staatsanwaltschaft die Wahrheit nicht heraus finden können – also die Behörde, deren höchste Vorgesetzte nun Anna Gallina ist. Das macht die ganze Angelegenheit noch pikanter.

Damit nicht genug: Gegen Osterburg – der nach Berichten der Hamburger Morgenpost auch in der jüngeren Vergangenheit immer mal wieder doch als amtierender Lebenspartner der Parteivorsitzenden Gallina bezeichnet worden ist – ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft wegen schweren Betruges. Er wird beschuldigt, sich rund 65.000 Euro aus der Fraktionskasse der Grünen in Hamburg-Mitte unter den privaten Nagel gerissen zu haben. Wegen dieser Anschuldigungen hat Osterburg schon vor Monaten sein Amt als Vorsitzender der Bezirksfraktion nieder legen müssen.

Grüne Zweite Bürgermeisterin: Hanebüchene Begründung für die Ernennung Gallina

Katharina Fegebank – sie war beim letzten Wahlkampf in Hamburg die Grünen-Spitzenkandidatin bei den Bürgerschaftswahlen – hat gegenüber der Hamburger Morgenpost begründet, warum Anna Gallina Justizsenatorin werden soll. Fegebank beschreibt die Kompetenzen Gallinas so: „Sie hat uns erfolgreich durch einen Programmprozess und den Wahlkampf gebracht.“

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Die grüne Zweite Bürgermeisterin weiter: „Ich finde, dass jede im politischen Raum eine faire Chance verdient.“ Wohl noch nie ist eine Justizminister-Personalie mit einer solchen hanebüchenen Begründung in der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Dass Gallina sogar ein Verleumdungsprozess droht? Das ist Fegebank keinen Satz mehr wert.

Solche Begründungen verschlagen dem renommierten Juristen Otmar Kury die Sprache. Er sagte, von einer Justizsenatorin werde „erwartet, dass sie eigene Gesetzesvorhaben auf den Weg bringt“. Da gebe es „komplexe juristische Anforderungen“, dazu sei „eigener Sachverstand vonnöten“. Da reichten „keine Allgemeinplätze zum Rechtsstaat.“. Hamburgs Justiz, so Kury, schlage ob der Personalentscheidung der Grünen „die Hände über den Kopf zusammen“. Und: Diese Ernennung sei „eine Respektlosigkeit gegenüber dem Rechtsstaat“.

Unterschiedliche Reaktionen

Man stelle sich vor, die AfD hätte eine solche in hohem Maße umstrittene Juristin als Kandidatin für eines der höchsten öffentlichen Ämter vorgeschlagen. Ein schwerer medialer Orkan der Entrüstung hätte die Republik heimgesucht. Wenn es aber um extreme linke Kandidaten für Verfassungsgerichte geht, ist bei den Mainstream-Medien und bei den etablierten Parteien durchweg nur beredtes Schweigen angesagt

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Die Hamburger AfD-Bürgerschaftsfraktion hat in einer Pressemitteilung („Nicht-Juristin Anna Gallina wird Justizsenatorin“) zu der Ernennung Anna Gallinas zur neuen Senatorin für Justiz kritisch Stellung bezogen. Der Fraktionsvorsitzende Dirk Nockemann (er ist Voll-Jurist) wörtlich: „Auf den Pannensenator Steffen folgt die Nicht-Juristin Gallina. Das grüne Karriere-Karussell dreht sich schnell, und Hamburg leistet sich eine Justizsenatorin ohne juristische Fachkompetenz.“

Die CDU hielt sich im Fall Gallina lange auffällig zurück. Erst am 4. Juni ist durch einen Bericht des Hamburger Abendblattes bekannt geworden, dass sich der neue Fraktionsvorsitzende Dennis Thering (er hat im Fach Politische Wissenschaft den „Bachelor“ erworben) dazu deutlich kritisch positionierte – wenn auch nicht allzu laut. Thering: „Schlimmer hätte es für die neue Justizsenatorin nicht kommen können.“
SPD und Grüne plagen andere Sorgen. In der neuen Regierung wollen sie laut Koalitionspapier „gemeinsam mit den beteiligten Initiativen“ ein „Denkmal“ errichten lassen: „für die sexuelle Vielfalt in Hamburg“.

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