Dieser Nationalfeiertag am Dienstag, dem 2. Juni, dem Tag der italienischen Republik, wird auch in die Geschichte eingehen. Ohne Parade und militärische Ehren schritt Staatspräsident Sergio Mattarella den kurzen Weg von seiner Limousine hin zum Altare della Patria, dem Altar des Vaterlandes am Kapitolshügel der Ewigen Stadt, bedächtig und staatstragend, hielt eine kurze Rede, lobte den Mut und die Solidarität der Italiener, und schwor sie weiterhin auf Zusammenhalt ein, gedachte der Toten und Opfer seit Gründung der Republik – auch derer während der Pandemie.
Auch ohne Parade setzte das Staatsoberhaupt ein starkes Zeichen, als er noch am selben Tag gen Norden in die Lombardei reiste, wo die für Italien wohl größte Krise der Neuzeit, mit der Corona-Epidemie, ihren Lauf nahm.
Seit ein paar Wochen gehen die Infizierten- und Todeszahlen zurück. Einige Regionen sind seit Tagen ohne Neuinfizierungen.
Staatspräsident Sergio Mattarella sagte fast erzieherisch mahnend, dieser besondere Tag der Italiener sei kein Tag für „Polemik” – man müsse weiterhin vorsichtig sein und zusammenhalten. So wird der Präsident danach von vielen Medien zitiert, so auch von der Tageszeitung Il Sole 24 ore und auch die Fernsehnachrichten berichten natürlich darüber.
Ein anderer Akteur, ebenfalls in Rom, setzte bereits am Vormittag zu einem Marsch an, auch wenn dieser eher als Spaziergang angemeldet war, und verbreitete damit seine eigene Duftmarke, die aber sicher nicht allen gefiel: Matteo Salvini, der Oppositionsführer des Mitterechtsbündnisses.
Mit Giorgia Meloni von der Partei Fratelli d‘ Italia und Antonio Tajani, dem erzkonservstiven Vizepräsidenten von Forza Italia, der Berlusconi-Partei, zeigte Salvini wieder einmal sein Talent, die Menschen italienweit zu mobilisieren – nicht nur auf der Piazza del Popolo, sondern zeitgleich auch auf vielen anderen Marktplätzen in Italien, wegen der Pandemie und der Sicherheitsvorschriften.
Viel Symbolik auch hier bei den Rechtskonservativen und ihren Sympathisanten, die mit einer (Achtung:) 500 Meter langen Flagge beziehungsweise Banderole in den Tricolori hinter dem Trio Salvini, Meloni und Tajani durch die Gassen zur Piazza zogen.
Die Hilfe, so Matteo Salvini, müsse jetzt kommen, nicht erst nächstes Jahr. Das wäre ja so, als würde man einem Schwerkranken sagen, ja, ich weiß, du brauchst die Medizin, aber warte noch bis nächstes Jahr. Das sei zynisch.
Antonio Tajani und Salvini wiederholten immer wieder, sie seien nicht aus Protest da, sondern um auf Lösungen hinzuweisen, darauf, wie ein Neustart nach der Pandemie aussehen könnte. Allein Giorgia Meloni spitzte zu: „Natürlich sind wir heute auch hier, alle gemeinsam, damit wir denen eine Stimme geben, die von der Regierung einfach vergessen wurden.”
Es sei auch aller Recht, so Meloni weiter, aus Protest auf die Straße zu gehen, denn die Italiener hätten sich aufgeopfert. Sie wolle nicht mehr hinnehmen, dass man dem Oppositionsbündnis Proteste und Kundgebungen immer schlecht auslegen wolle von Seiten der Regierung.
Tajani und Salvini, beide in Grün-Weiß-Rot getaucht, Salvini gar mit der Schutzmaske in den Farben Italiens, forderten an die Regierung gewandt, wie ein Neubeginn und schnellere Lockerungen bewerkstelligt werden könnten: „Wir brauchen Gespräche mit allen politischen Kräften im Parlament, und man muss auch auf die Unternehmen der Großindustrie, auf die Mittelständler und Kleinunternehmer hören…”. Salvini, der Neuwahlen kaum noch abwarten kann (die Intrigen des Richters Palamara und etlicher Staatsanwälte haben Salvinis Rückhalt bei den italienischen Wählern zuletzt eher gestärkt), gab die Parole aus: „Um das Land wieder gestärkt durchstarten zu lassen, brauchen wir eine Steuerreform. Das heißt, die Steuern zu senken, Bürokratie abzubauen und schneller Hilfen zukommen zu lassen”, die Reformen des Gesundheitswesens und der Justiz kommen gleich danach.
Ja, selbst Conte wurde nach Wochen des Stillstands von vielen Bürgern fast verhöhnt, als er für jede Motivationsrede und die anstehenden Lockerungen Dekrete verfassen ließ, durch die kaum noch einer durchblickte. Die reine Bürokratie.
Doch plötzlich sickerte durch, irgendwer aus dem Regierungsumfeld konnte wohl nicht das Wasser halten, dass sich Giuseppe Conte von dieser Regierung (wer weiß, was auf die PD mit ihrer offenen Asylpolitik noch zukommt, oder auf die Fünfsterne mit ihrem Justizminister, der nicht erst seit dem Komplott gegen Salvini wackelt) sicher nicht in den Abgrund ziehen lassen würde.
Premier Conte plant eine eigene Partei. Das scheint in Mode zu kommen, Marketing ist alles, und das italienische Parteienspektrum verkommt immer mehr zum Reigen der Eitelkeiten von Männern, die ihre Finger nicht mehr von der Politik lassen können.
Die neue Partei des Ex-Premiers Matteo Renzi „Italia Viva“ (das lebendige Italien) war eher ein Rohrkrepierer. Renzi ist 2018 vom Vorsitz der Partei zurückgetreten. Giuseppe Conte werden mit seiner Partei, die er unter dem selbstironisch-wortspielerischen Namen „Con Te“ (mit dir) angemeldet hat, recht gute Chancen zugestanden, bei etwaigen Wahlen ins Parlament einzuziehen – aus dem Stand. Das einst als erstes digitale Nachrichten-Onlineportal bekannte Affari Italiani vermeldet, Conte käme mit Con Te auf 14 %.
Damit würde der smarte Premier auch die Fünfsterne überrunden. Die stehen aktuell in Umfragen bei knapp 10%, die Sozialisten bei etwa 16,5 – und würden ebenfalls an Conte Stimmen abgeben. Salvinis Mitterechtsbündnis wird bei fast 48% notiert.
Auf der Straße hat jedoch Salvini das Talent, die Bürger zu mobilisieren, wie sich erneut zeigte. Wie möchte man ihm als nächstes beikommen? Etwa weiter mit gesponnenen Intrigen, wie denen der Staatsanwälte und des Richters Palamara?
Als viele Anhänger und Besucher auf der Demo jedoch lautstark gegen die Regierung und Ministerpräsident Conte skandierten, bildete dies sogleich ein willkommenes Hauptthema bei der Tageszeitung La Repubblica, die zusammengefasst in etwa so titelte, „Mitterechts: Ohne Sicherheitsabstand und Anstand.” Zumindest auf La Repubblica kann sich Con Te ganz sicher verlassen.
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