US-Präsident Donald Trump hat laut Informationen von „The Wall Street Journal“ (Ausgabe vom Freitag, 5. Juni) entschieden, bis zu 15.000 von aktuell 35.000 US-Soldaten bis Herbst 2020 aus Deutschland abzuziehen. Zunächst soll der Abzug 9.500 Mann umfassen. Trumps Sicherheitsberater Robert O’Brian habe ein entsprechendes Memorandum bereits unterzeichnet.
Der NATO-Verbündete Deutschland wurde von diesen Plänen überrascht. In Berlin wollte man sich ad hoc nicht dazu äußern. Weder das Verteidigungsministerium noch das Auswärtige Amt waren zunächst für eine Stellungnahme zu haben. Allerdings hätte man in Berlin diese Entwicklung kommen sehen können, denn Trump hatte bereits im Herbst 2019 angedeutet, US-Soldaten könnten von Deutschland nach Polen verlegt werden. Damals warf das Weiße Haus den Deutschen vor, es beteilige sich nicht ausreichend an den Stationierungskosten. Der damalige US-Botschafter Richard Grenell hatte gesagt: „Es ist wirklich beleidigend zu erwarten, dass der US-Steuerzahler weiter mehr als 50.000 Amerikaner in Deutschland bezahlt, aber die Deutschen ihren Handelsüberschuss für heimische Zwecke verwenden.“ Gleichwohl hatte Berlin in den letzten sieben Jahren rund 240 Millionen Euro an Versorgungsleistungen für ehemalige Mitarbeiter sowie für die Bewirtschaftung von Grundstücken und Gebäuden überwiesen, die von der US-Armee genutzt werden. Eine stattliche Summe, aber eben nur ein minimaler Anteil der realen Kosten der Stationierung der US-Truppen in Deutschland.
Sicherheitspolitische Verwerfungen
Was schlussendlich entschieden wird, ist derzeit schwer einschätzbar. Trump neigt bekanntermaßen zu spontanen Beschlüssen, die wenige Tage später durchaus schon wieder Makulatur sein können. Es gibt denn auch moderate Stimmen aus Washington. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats John Ullyot ließ wissen, dass man derzeit keine Ankündigungen zu machen habe. Außerdem stehe man zur engen Partnerschaft mit Deutschland als „starkem Alliierten“ der USA und wolle weiter an der gemeinsamen Verteidigung arbeiten. Inwieweit Trumps Motiv bei dieser Ankündigung etwas mit Merkels Absage ihrer Teilnahme an einem im Spätsommer in den USA stattfindenden G7-Gipfel zu tun hat, weiß nur Trump selbst.
Deutsche Schaukelpolitik
Für Deutschland und für die europäischen NATO-Mitglieder könnte ein Truppenabzug in dieser Größenordnung rasch zu einer Nagelprobe werden. Denn der Schutzschirm der „Pax Americana“ würde damit noch löcheriger, als er bisher schon geworden ist. Zumindest müssten sich die europäischen NATO-Partner und zumal Deutschland erheblich anstrengen, die entstehenden Lücken zu schließen. Die Trump’schen Ankündigungen sind für die europäischen NATO-Partner und voran Deutschland jedenfalls ein nicht zu überhörender Weckruf.
Linke Kräfte in Deutschland werden auf die US-Ankündigung zwiespältig reagieren. Einerseits werden SPD, Grüne, Links-Partei und alle möglichen pazifistisch ausgerichteten NGOs Trumps Unberechenbarkeit und seinen Versuch kritisieren, von landesinternen Problemen abzulenken. Andererseits ist denselben Leuten die Präsenz von – zumal atomwaffenfähigen – US-Truppen in Deutschland seit langem ein Dorn im Auge.
Abseits sicherheitspolitischer Probleme werden den Preis für einen Truppenabzug einige deutsche Regionen zu bezahlen haben. Denn zu den 35.000 Soldaten kommen rund 17.000 amerikanische und 12.000 deutsche Zivilkräfte, die von der US-Armee beschäftigt werden. Für Gegenden um das rheinland-pfälzische Ramstein, von wo fast alle US-Transporte in Richtung Irak oder Afghanistan abgewickelt werden, für das benachbarte Landstuhl mit einem US-Lazarett oder die US-Airbase Spangdahlem in der Eifel wie auch das oberpfälzische Grafenwöhr wären massive Auswirkungen zu erwarten. Das hätte als Ergänzung zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten infolge Corona gerade noch gefehlt.