Auf Initiative des Landes Sachsen tritt jetzt ein Gesetz in Kraft, welches
die Verunglimpfung einer EU-Flagge künftig unter Strafe stellt. Der Bundesrat hatte beschlossen und der Bundestag den Entwurf im Mai angenommen. Reine Formalie: Die Bundesregierung legt das neue Gesetz nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vor, mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt wird das neue Gesetz gültig.
Aber nicht nur die EU-Flagge soll geschützt werden, auch das Verbrennen ausländischer Flaggen soll zukünftig noch schärfer unter Strafe gestellt sein.
Ergänzt hat der Bundestag den ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesrates nämlich um eine Strafschärfung beim Verunglimpfen fremder Flaggen.
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der den Entwurf im Bundesrat auf den Weg gebracht hatte, frohlockte nach erfolgreichem Abschluss via Twitter:
„Wer die Flagge der Europäischen Union schändet, der vergeht sich an unseren gemeinsamen Europäischen Werten, an unserer gemeinsamen Verantwortung für Europa und an unserer #Heimat.“
Die Boy Scouts oder die Amerikanische Legion in den USA verbrennen übrigens regelmäßig das Sternenbanner, aber nicht aus Hass auf ihr Heimatland und seine Symbole, sondern im Rahmen einer Art Bestattungszeremonie beschädigter Flaggen. Das Verbrennen der eigenen Flagge hat allerdings eine lange Tradition vor allem in der linken Protestszene der USA. So wurden bei den Protesten gegen den Vietnamkrieg etliche öffentliche Flaggen-Verbrennungen vorgenommen, und auch jetzt wieder aus Protest gegen den Tod von George Floyd nach Polizeigewalt brannten nicht nur unzählige Geschäfte, sondern auch das Sternenbanner lichterloh. So sehr und so gerne die Amerikaner sich ansonsten mit ihrer Flagge schmücken und einen regelrechten Kult darum machen, ist dort die Verunglimpfung beispielsweise durch Verbrennung dennoch nicht generell verboten.
In Deutschland ist das anders: Das Verbrennen oder Verunglimpfen der Deutschen Flagge ist unter Strafe gestellt. Aber nicht nur die schwarz-rot-goldene Flagge: Nach „§90a StGB Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“ darf auch die Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder oder ihre verfassungsmäßige Ordnung nicht beschimpft oder böswillig verächtlich gemacht werden. Gleiches gilt für die deutsche Hymne. Laut Gesetz ist bereits „Unfug“ mit der Flagge unter Strafe gestellt. Wer aber definiert Unfug? Was ist hier Unfug?
Passiert ist hier allerdings bisher wenig. Merke: Nicht jedes Gesetz wird mit der gleichen Konsequenz angewandt. Was solche Verunglimpfungen angeht, in demokratisch orientierten Staaten noch deutlich weniger häufig, als in autokratisch-diktatorischen Regimen. Was aber sagt uns das jetzt über dieses neue Gesetz?
In Auslegung der Tatbestandsmerkmale des §90a StGB muss in Deutschland immer auch eine Abwägung mit dem Grundrecht der Meinungsäußerung vorgenommen werden, das wird beim neuen Gesetz zum Schutz der EU-Flagge nicht anders sein. Genauer heißt es da, dass die Verunglimpfung des Staates oder seiner Flagge mittelbar geeignet erscheinen muss, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, die Funktionsfähigkeit seiner staatlichen Einrichtungen oder die Friedlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden (BGH, Beschl. V. 16.05.2012 – 3 StR 33/12).
Wenn die Flagge brennt, ob nun die deutsche oder zukünftig die der EU, dann mag das jetzt beides strafbar sein, aber in Abwägung mit den Grundrechten ist die Hürde hier ganz besonders hoch, will man so etwas zu einer Anklage geschweige denn einer Verurteilung bringen. So blieb dann auch der türkischstämmige Imbissbesitzer ungeschoren, über den die FAZ berichtete, weil er 2008 den türkischen Halbmond und Stern auf den roten Grund der deutschen Flagge sprühte und vor seinem Geschäft aufhängte. Das sei zwar laut Zeitung verboten, aber wo kein Kläger, da kein Richter. Und es klagte niemand.
Wozu das dann also überhaupt? Und wie also kommt der sächsische Ministerpräsident auf die irrige Idee, dass mit diesem neuen Gesetz etwa der Rechtstaat einmal mehr gezeigt hätte, dass er handlungsfähig sei? Welche tatsächliche Handlung wäre das, wenn nicht lediglich eine symbolische?
Protest gegen das neue Gesetz kam von der AfD-Fraktion im Bundestag, welche die EU als Bürokratiemonster darstellte samt dem damit zusammenhängenden Protestpotential.
Jede Kritik am neuen Gesetz wurde allerdings deutlich erschwert, weil eine ablehnende Haltung dann eben auch eine gegenüber dem Verbrennen der Flagge mit dem Davidstern gewesen wäre. Wie nennt man so etwas? Einen geschickten Schachzug der EU-Befürworter? Oder einfach nur schäbig gegenüber denjenigen, die sich zu Recht schämen, das Davidsterne wieder in Deutschland brennen können?
Wer irgendwann einen Dexit für Deutschland befürchtet, wer sich also um das faktische Ende der EU nach Volksbegehren sorgt, der greift möglicherweise zu verzweifelt wirkenden Maßnahmen. Kann das neue Gesetz jetzt Proteste gegen die EU aus der Mitte der Gesellschaft heraus erschweren? Wohl kaum.
Wenn der Staat nun allerdings meint, jetzt gesetzlich gegen eine weit verbreitete EU-Müdigkeit vorzugehen, dann gleicht das einem Offenbarungseid.
Der Brexit ist das große Gespenst, das über dieser Debatte schwebt. Keinesfalls soll Deutschland jemals die Gelegenheit bekommen, als großer Zahlmeister der EU auszuscheren. Die neuesten Garantien der Bundesregierung für gemeinsame Schulden der EU sind da übrigens die viel wirkungsvollere Waffe, die ein Ende der Mitgliedschaft faktisch über Jahrzehnte unmöglich gemacht haben. Das ist diese Flaggenspielerei nur eine Fußnote – nur die gesetzliche Einflussmöglichkeit, irgendwie mit einer potemkinschen Drohkulisse auf die Stimmung im Land einzuwirken. Freude schöner Götterfunken.