Sich mit Toilettenpapier einzudecken ist unglaublich rückwärtsgewandt. Der weitsichtige Hamster denkt einen Schritt weiter und weiß, dass jedes Lager irgendwann aufgebraucht sein wird. Egal wie viele Nudeln, Tomatensoßen und Spamdosen im Keller atombombensicher eingelagert sind, die Vorräte werden nie mehr, sondern nur weniger. Selbst ohne jeden Verbrauch können wir von einer schleichenden Degradation des Vorrats ausgehen, aber mit dem Verbrauch im Hamsterwinter sieht es ganz trübe aus.
Der Experte erkennt das Problem mit einem Blick: Die Lagerhaltung ist nicht nachhaltig. Wo nur etwas abfließen kann, da kann es nur weniger werden. Dabei weiß doch jedes Kind, dass eine nachhaltige Bewirtschaftung verlangt, nur maximal so viel zu verbrauchen, wie nachwächst. Nun fließen jedoch weder Toilettenpapier noch Nudeln nach (und wenn doch, dann ist das Fließen dieser Produkte keineswegs ein Grund zur Freude), sodass hier ein nachhaltiges Problem vorliegt.
So wie wir uns an den unsichtbaren Fluss von Grundnahrungsmitteln und Entsorgungshilfsmitteln gewöhnt haben, so gehen wir auch von einem garantierten Elektrizitätsfluss aus. Und der ist bedeutend wichtiger als die wasserlose Reinigung der Ausscheidungsorgane. Was, wenn dieser Strom abreißt? Wer sich die Konsequenzen einmal in Romanform veranschaulichen lassen will, dem sei der Roman „Blackout“ von Marc Elsberg ans Herz gelegt. Vielleicht genügt es für den Moment aber auch bereits, sich zu vergegenwärtigen, dass wir dann nicht nur nachts im Dunklen säßen, sondern noch nicht einmal mehr in der Lage wären, die Adressen unserer Freunde herauszufinden, geschweige denn uns durch das Schreiben der eigenen Memoiren vom Düster der Situation ablenken könnten.
Kurzum, wir sollten Strom hamstern, nicht Thunfisch und Nüsse. Und bei dieser Gelegenheit auch gleich darauf achten, dass wir nicht den oben erwähnten Fehler wiederholen und uns nur einen Stapel Batterien hinlegen, sondern der Strom sollte nachwachsen.
Ich habe das Experiment gewagt und betreibe nun seit einigen Wochen sämtliche elektronischen Geräte ausschließlich mit einem nachwachsenden Hamsterlager. Zu den Verbrauchern gehören immerhin Tablet, Kindle, Smartphone, Digitalkamera und ein Mini-Laptop. Inbegriffen ist eine Zwei-Watt-Lampe fürs nächtliche Tagebuchschreiben und das Spielen analoger Brettspiele. Da ich anders als beim echten Blackout immerhin noch Handy-Empfang und Internetzugang habe, kann man davon ausgehen, dass mein Verbrauch eher höher sein dürfte als im Ernstfall.
Die zentrale Anlaufstelle in dem System ist eine Akku-Einheit von PowerOak mit 400 Wattstunden Kapazität. Sie ist etwa so groß wie eine Autobatterie, hat aber oben zwei 230-Volt-Steckdosen, einen 12-Volt-Ausgang, sieben USB-Anschlüsse und einen Eingang zu einem Solarregler. Befeuert wird sie durch ein etwa 1,2 Meter langes, flexibles Solarpanel von Giaride, das angeblich 100 Watt leistet. Wie immer bezieht sich die Leistungsangabe aber offenbar auf einen äquatornahen Gebirgszug am 21. Juni um zwölf Uhr mittags, sodass die Maximalausbeute in einem typischen deutschen Garten oder Balkon etwa 65 Watt beträgt.
Der PowerOak hat fünf Balken zur Kapazitätsanzeige, und von denen verbrauche ich pro Tag etwa einen. Bei Sonnenschein ist das kein Problem, denn dann ist der Balken auf dem Giaride-Panel in längstens zwei Stunden wieder hergestellt. Es ist an solchen Tagen auch kein Problem, das MacBook meines Sohnes mit 80 Watt über längere Zeit zu laden, was mich am Ende drei Balken kostet, die aber bis zum Abend problemlos wieder aufgefüllt sind. Der PowerOak lädt und entlädt sogar
gleichzeitig, sodass man auf diese Weise einen ausgewachsenen Laptop am Solarpanel betreiben kann. Natürlich verbraucht der Wechselrichter selbst schon eine Menge Strom, weshalb man tunlichst die Niederspannungsausgänge verwenden sollte.
Aber zwei Wochen Sonnenschein sind verführerisch und lassen einen grün hinter den Ohren werden. Dann kommen die Wolken. Ich erinnere mich an das Wort „Dunkelflaute“. Die Balken werden weniger. Wenn es eine Stunde Sonne gibt, dann renne ich mit meinem Solarpanel nach draußen, um jedes Photon einzeln einzufangen. Ich ernte ein paar müde Wattstunden, aber die Balken wandern weiterhin erbarmungslos Richtung null. Was wohl im Winter passiert, wenn es schon theoretisch nur sechs Sonnenstunden gibt?
Ich beginne, die atomaren Machenschaften wesentlich wohlwollender zu betrachten. Ein Glück, dass es noch das mitgelieferte 80-Watt-Netzteil zum PowerOak gibt und dass der Strom nach wie vor aus der Steckdose kommt…