Tichys Einblick
Panikmache

Grinsschutz für Extremisten – Pandemische Skizzen, neue Folge

Wer für den Missbrauch der Freiheit durch wenige alle büßen lässt, ist autoritär und totalitär. Er setzt Sicherheit absolut. Und wo der Wert der Sicherheit gegen Unendlich geht, geht die Freiheit gegen Null.

Kaum stehen wir am Anfang der Pandemie, schon quält uns ihr Ende. Das ist in einem Satz die Situation. Die Vernunft ist weiterhin zu Kurzarbeit im Home-Office verdonnert.

I.

Wie funktioniert die fortgesetzte Panikmache? Ein Beispiel aus dieser Woche: „Landkreis rechnet mit extremem Anstieg der Quarantäne-Fälle“ heißt es im Spiegel und fast gleichlautend fast überall, auch in den öffentlich-rechtlichen Nachrichten. Wer die Schlagzeile sieht, muss spontan erschrecken. Extrem! Anstieg! Fälle! Der Rückfall ist da, die zweite Welle trommelt an die Tür. Unsere verfluchte Ungeduld zerstört den Erfolg. Die beruhigende Sanftheit der Kurve verkommt zur Steilwand. Schauen wir noch einmal hin! Von Covid-19-Fällen ist überhaupt nicht die Rede. Sondern von automatischer, vorsorglicher häuslicher Quarantäne Gesunder, veranlasst vom Fall einiger Ansteckungen in einem Restaurant. Aber die bewusst dramatisierende Meldung erzeugt eine neue Welle der Hysterie, die alle Talkshows und alle Pressekonferenzen erfasst. Die „Bevölkerung“ (Seehofer) lässt sich immer wieder verschrecken. Dies ist die neue Normalität. Sie wird länger bleiben als das Virus.

II.

Noch eine Schlagzeile: „Corona verklumpt das Blut!“ Irgendeine dieser Studien, deren Veröffentlichung Angst und Schrecken verbreitet, stellt zutreffend den Zusammenhang zwischen Virusbefall und Kreislauferkrankungen fest. Aber so wie das formuliert ist, hört es sich an wie der Hunneneinfall im Vierten Jahrhundert. Nun hat die Presse schon immer übertrieben. Aber in der Situation der Massenhysterie wirkt das eben noch verheerender. Die Einschaltquoten profitieren von der Angst. Sie sind indirekt auch ein Maß für den Angstpegel. Panikmache zahlt sich aus.

III.

Die Linke hat ein Extremismusmproblem, heißt es. Mag ja sein. Aber Herr Ramelow hat gesagt, man müsse mehr auf Eigenverantwortung setzen, von Verboten zu Geboten übergehen. So liberal hat schon lange kein Liberaler mehr gesprochen. Ramelow hat Recht. Nicht Recht hat der Konservative Söder. Er hätte am liebsten bayerische Grenzschutztruppen in der Rhön zusammengezogen, um sich vor Thüringern zu schützen. Die Hofschranzen Florian (Staatskanzlei) und Joachim (Innenministerium) Herrmann warnen sofort vor diesem „hochgefährlichen Experiment.“ Söder selbst: „Man muss die Unvernünftigen vor sich selber schützen.“

IV.

Was für eine Anmaßung! Herr Söder bestimmt von oben herab, wer vernünftig ist. Wer ihm nicht folgt, ist es nicht. Wer die Kontrolle der Bevölkerung für wichtiger hält als deren Selbstverantwortung, kann auch Demokratie nur für ein notwendiges Übel halten. Notwendig: Weil die Macht halt leider nur durch Wahlen errungen werden kann. Der Präsident der Vernünftigen misstraut aber auch denen, die ihm derzeit so unreflektiert zustimmen. Sonst würde er nicht um acht die Biergärten zusperren mit dem Argument, die Leute könnte sich andernfalls besaufen. Wer für den Missbrauch der Freiheit durch wenige alle büßen lässt, ist autoritär und totalitär. Er setzt Sicherheit absolut. Und wo der Wert der Sicherheit gegen Unendlich geht, geht die Freiheit gegen Null.

V.

Ja, die CSU hat in dieser Hinsicht ein Extremismusproblem. Dass fast die Hälfte der bayrischen Bevölkerung heute CSU wählen würde, zeigt, wie gefährlich die Situation ist. Das Virus hat offenbar die demokratische Gesinnung schwer angegriffen. Herr Professor Drosten findet das zwar angemessen in Zeiten des Virus. Er stimmt Söder zu. Nein, das wollen wir ihm nicht unterstellen. Vermutlich wählt er eher die Grünen. Die haben ja auch ein Extremismusproblem.

VI.

Wenn wir schon Genauigkeit beim Verfertigen von Schlagzeilen fordern, muss auch dieser Professor vor dem Virus der Vereinfacher geschützt werden. In seiner Vorveröffentlichung einer Studie über die Ansteckungsgefahr von Kindern hat die Bildzeitung aus dem KÖNNTEN des Professors verfälschend ein KÖNNEN gemacht. Wer andere anstecken kann, ist gefährlicher als der, von dem noch nicht feststeht, ob er es kann, aber vielleicht könnte. Mit solchen Feinheiten wollen wir die Bildzeitung wirklich nicht überfordern.

VII.

Noch eine wunderbar entlarvende Szene. Vor dem Kleinen Parteitag der CSU steht das Empfangskomitee in geselliger Runde vor der Parteizentrale um Söder gebührend zu begrüßen. Er fährt vor. Wie auf Kommando ziehen sich just in diesem Moment die Hofschranzen den Lappen vors Gesicht. Eine neue Art des Kotau. Ein Show, die so ähnlich auch anderswo zu sehen ist. Von der Leyen trägt die Fahne des Virus vor dem Gesicht trotz Riesenabstand zu gesunden Menschen und zum gesunden Menschenverstand. Gut, schützt sie wenigstens die Bevölkerung vor ihrem Gegrinse. Früher wirkte es eher verlegen, heute nur noch musterschülerhaft. Nicht wenige tragen die Maske wie einen Niqab – als Bekenntnis.

Die mobile Version verlassen