Donald Trump erlebt gerade, was weltweit Hunderttausende Nutzer täglich erleben: Er wird von der Kommunikationsplattform Twitter für eine Nachricht gerügt, die er auf ebenjener veröffentlich hatte. Dass es anderen irgendwo hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen ebenso ging, wusste der Präsident möglicherweise, aber jetzt, wo er selbst betroffen ist, zieht der Präsident im ersten Durchgang mit einer Gesetzesverschärfung bzw. -änderung in den Krieg gegen dass US-amerikanische Internet-Unternehmen aus dem Silicon-Valley.
Ja, man könnte es denken, und sicher ist das Twitter-Verhalten des Präsidenten der USA in den Medien hyperpräsent, aber Donald Trump ist mit seinen 80 Millionen Verfolgern auf Twitter nicht einmal die stärkste Werbe-Lokomotive für das Social-Media-Unternehmen. Er liegt damit sogar nur auf Platz 9 weltweit (Stand 3. März 2020).
Mehr Einfluss und also auch mehr Werbeeinnahmen bei Twitter generieren aufsteigend hin zu Platz 1: Ellen DeGeneres (Talkmasterin USA), Lady Gaga, Cristiano Ronaldo, Taylor Swift, Rihanna, Katy Perry, Justin Biber und mit bald 125 Millionen Followern auf Platz 1: Barack Obama, Präsident der USA a.D.
Und bisher funktionierte das alles auch mehr oder weniger reibungslos. Ein Win-Win-Geschäft. Denn die Promis profitieren selbstredend ebenso von der Verbreitung ihrer täglichen Botschaften über die gigantische Plattform und ihrer herausragende Bedeutung in der Welt. Aber jetzt droht Ärger im Nachrichtenparadies: Twitter hat mit seiner Lokomotive Platz 9 Knatsch angefangen. Der Präsident bekam plötzlich zu spüren, womit sich das Fußvolk auf Twitter schon länger herumschlagen muss: Er bekam das Lineal auf die Finger und das tat ihm weh.
Konkret hatte Twitter begonnen, den Präsidenten für bestimmte Tweets zu sanktionieren und Trumps Nachrichten in den letzten Tagen erst als irreführend oder wie nun gar als Gewalt verherrlichend zu bezeichnen, zuletzt am Freitagmorgen. Da nämlich hatte Donald Trump angesichts der Ausschreitungen in Minneapolis, wo ein Schwarzer durch einen weißen Polizisten gewalttätig ums Leben kam, drohend getwittert: „Beginnt das Plündern, dann beginnt das Schießen.“
Öffentliche Reaktion des Kurznachrichtendienstes: Die Nachricht verstoße gegen die Regeln und sei eine Gewaltverherrlichung. Zwar hatte sich Twitter entschlossen, diese Trump-Nachricht (Tweet) nicht zu löschen, weil möglicherweise ein öffentliches Interesse bestände, Nutzer allerdings können die Trump-Nachricht nicht mehr mit einem „Gefällt mir“ belohnen, nicht darauf antworten oder die Nachricht übernehmen und teilen. Eine weitere Hürde besteht darin, dass die Nachricht erst dann sichtbar wird, wenn der Warnhinweis von Twitter per Mausklick entfernt wird. Nicht nur in den USA ist der Warnhinweis sichtbar, sondern weltweit und obendrein übersetzt in die jeweiligen Landessprachen.
Trump hatte geschrieben:
„…These THUGS are dishonoring the memory of George Floyd, and I won’t let that happen. Just spoke to Governor Tim Walz and told him that the Military is with him all the way. Any difficulty and we will assume control but, when the looting starts, the schooting starts. Thank you!“
Und was macht Trump konkret dagegen? Der US-amerikanische Präsident geht jetzt per Erlass gegen Twitter vor. Und dann sagte er einen Satz, der Millionen Menschen, die sich irgendwann einmal freiwillig in Abhängigkeit zu diesem Netzwerk begeben haben, ein Balsam für die Seele sein dürfte: „Ich werde es nicht mehr zulassen, dass die Amerikaner von diesen Netzwerken schikaniert werden.“
Und anschließend unterschrieb er ein Dekret, das die Haftungsregeln für die sozialen Netzwerke verändern soll. Verkürzt gesagt verfügte Trump quasi etwas, das auf den ersten Blick wie eine Trotzreaktion aussehen könnte, als er quasi analog zur deutschen Bundesregierung mit ihrer gigantischen Internetüberwachungs- und Löschmaschinerie eines Netzdurchsetzungsgesetz ein solches auch für die USA androhte, allerdings in Form einer zu erwartenden monströsen Klagewelle gegen das Unternehmen selbst, wenn, wie es Trump angedroht hat, §230 des US-Telekommunikationsgesetzes ausgesetzt wird, der bisher die Dienste in den USA davor bewahrt, für etwas in Haftung genommen zu werden, das Nutzer verbreiten.
Damit soll es nun zu Ende sein. Ebenso allerdings auch für die damit verbundene und erlaubte Aufgabe der Dienste, gegen bestimmte Inhalte oder Nutzer nach eigenem Gutdünken vorzugehen: In Hinblick auf die „Freedom of Speech“, also die heilige Kuh der Amerikaner und schon lange ein faustgroßer Dorn im Auge und nicht erst seitdem Trump selbst ist hier Twitter-Zensuropfer geworden.
Was im digitalen Deutschland längst tägliches Geschäft ist und für jede Menge Unmut sorgt, empört nun in den USA. Eine Facebook-Sprecherin warnte, so eine Verordnung würde dazu führen, dass die Netzwerke alles zensieren, was irgendjemand beleidigen könnte.
Wäre es nicht zu platt, man könnte fast annehmen, diese Scharade sei eine Finte. Den wenn jemand das US-amerikanische Internet einer harschen Kontrolle unterwerfen will, wie ginge das perfider, als damit, dass der Präsident selbst erstmals Betroffener ist und dann in einer Trotzreaktion ganz Amerika einer harschen Zensur unterwirft, als hätte er nur auf so eine Gelegenheit gewartet? Denn faktisch ist es ja so: Der Präsident wurde gerügt auf der Basis einer minimalen Restverantwortung für das Nutzer-Geschehen, welche dem Unternehmen noch rechtlich abgefordert wurde.
Trump drohte sogar damit, die Netzwerke schließen zu lassen, was allerdings eher einer Allmachtsfantasie entsprungen sein muss, als das es real durchführbar wäre gegen den ersten Verfassungszusatz der USA.
Nun ist dieser Streit für die Kommunikation der Zukunft für die Nutzer der sozialen Medien in den USA von wesentlicher Bedeutung. Von Bedeutung ist aber auch, dass die Anbieter, die sich gerade so vehement über das Ersuchen des Präsidenten beschweren, anderswo durchaus längst bereit sind, auch aus kommerziellen Beweggründen solche massiven Einschränkungen hinzunehmen wie beispielsweise in Deutschland.
Selbstverständlich hätte beispielsweise Facebook sagen können: Nein, so eine Einschränkung und Zensur nehmen wir nicht hin und ziehen uns aus dem deutschen Markt zurück. Interessant wäre gewesen, inwieweit sich Millionen deutsche Nutzer dann ihrer Plattformen beraubt wütend an ihre Regierung gewandt hätten. Dazu kam es aber gar nicht, da Zuckerberg und Co gleich illegitimen Staatsmännern mit der Bundesregierung Deals ausgehandelt haben. Nun ist das Geheule in den USA groß.
Was das längst für Folgen in Deutschland hat, zeigt gerade wieder einmal die lebenslange Löschung eine Nutzers auf Twitter, der TE eine unendliche Geschichte des Hin- und Hers im Vorfeld diese Sperre zusandte, die mittlerweile dann doch wieder keine lebenslange sein, soll, wenn der Nutzer bereit ist, freiwillig zehn Nachrichten zu löschen, die Twitter ihm angefügt hatte.
Nun ist aber keine dieser Nachrichten dahingehend selbsterklärend, warum das überhaupt geschehen soll. Es fehlt auch eine Begründung im Einzelnen. Und wenn eine da ist wie bei der ersten Meldung, die ja zur Sperre geführt hatte, dann wird eines ganz offensichtlich: Solche Sperren leben zu einem Großteil von einer Denunziation im Sinne einer Falschanzeige beim Anbieter oder sie basieren schlicht auf Übersetzungsfehlern und Missinterpretation: Ja, die deutsche Sprache ist schwer. Ja, deshalb kann man auch komplizierte Sachverhalte gut ausdrücken. Und ja, es gibt auch Kommentare, die zur Gewalt aufrufen. Es gibt also gute Gründe, die Entwicklung in den USA auch von Deutschland aus genau zu beobachten.