Bevor wir zum kleinen Abendschwatz bei Anne Will kommen, müssen wir uns mit einem dazugehörigen Kriminalfall beschäftigen. Heiko Maas hat eine Kugel, Kaliber 9mm, in seinem Briefkasten vorgefunden! Regelmäßige Krimiseher wissen, dass da allen möglichen Spuren nachgegangen werden muss.
Hatte der Empfänger Feinde? Im politischen Bereich eher nicht. Kaum ein Politiker ist so beliebt wie der fleißige und tiefsympathische Justizminister.
Auch ein Eifersuchtsdelikt scheidet wohl aus, denn in solchen Fällen nutzen Frauen eher Hinweise ans Finanzamt oder Affektmorde als Wutbefriedigung (Maas will deswegen den Gattenmord zu Recht als Bagatelldelikt ahnden lassen).
Hatte er Umgang mit dunklen Mächten? Die Mafia verschickt ja gelegentlich Patronen bei Schutzgelderpressungen oder Racheakten. Oder will man einen Mann, der wieder und wieder vor der Organisierten Kriminalität warnt, mundtot machen? Hier sollte die SoKo Heiko schon im Überlebens-Interesse des Staates jeden Stein umdrehen.
Ebenfalls als Täter nicht undenkbar: Der Geheimdienst eines erst kürzlich schwer beleidigten Staates, der an die EU angrenzt, und sicher weiß, wo Heikos Haus wohnt. BND, übernehmen Sie!
Ebenso – und noch können wir leider nichts ausschließen – steht auch der Pressesprecher im Verdacht. Erst kürzlich hatte er seinen Dienstherrn mit hysterischem Geklatsche bei einer Talkshow lächerlich gemacht. Vielleicht wollte er diesen Fehler mit Übereifer wiedergutmachen und dem Minister einen Aufmerksamkeits- und Sympathiebonus verschaffen? Pressesprecher gehören seit der Barschel-Affäre zum Politkrimi wie der Gärtner zum Mordfall.
Selbst die Vortäuschung einer Straftat muss zu diesem Zeitpunkt eine Option bleiben. Der fanatische Twitter- und Facebook-Nutzer Maas zwitschert im Minutentakt jeden Blödsinn in die Welt hinaus – einen solchen Anschlagsversuch aber nicht?
Die letzte Theorie, die wir abwägen wollen: Es ist bekannt, dass niemand in Ruhe und Frieden leben kann, wenn es seinem bösen Nachbarn nicht gefällt. Hat der Minister gar Zoff im Treppenhaus? Ein Nachbarschaftsstreit?
Zugegeben, die letzte Überlegung ist nur als pfiffige Überleitung konstruiert zum Klatschthema bei Anne Will: „Guter Nachbar, schlechter Nachbar – Wie rassistisch ist Deutschland?“
Neben Heiko in der Runde als „Rassist“ geladen: Alexander Gauland. Als Aufdecker Eckart Lohse von der FAZ, als ruhender Pol der Forscher Werner J. Patzelt und als Migrationsforscherin Bilgin Ayata. Vorhang auf, Bühne frei!
So lange war unser Justizminister nicht mehr im Talk-TV, dass sich viele im Vorfeld gefragt hatten: Ist er sanfter geworden, jetzt, wo er eine neue Liebe gefunden hat? Entspannter? Blüht unsere halbverwelkte SPD-Blume noch einmal auf wie einst Scharping nach dem öffentlichen Baden mit seiner Gräfin?
Gleich vorweg: Er hat sich für seine Verhältnisse über weite Strecken gut benommen. Mit ruhiger Stimme erzählte er das alte SPD-Gedöns vom „Fördern und Fordern“. Und, dass wir die Zuwanderung von Millionen Unterqualifizierten brauchen, weil wir die ja ausbilden können.
Lohse machte keine gute Figur …
Am Anfang aber stand der Schlagabtausch Alexander Gauland (AG) und Eckard Lohse (EL). Es ging um die „Gauland beleidigt Boateng“-Geschichte.
AG: Sie haben mir den Namen Boateng in den Mund gelegt. Es ging um das Thema Islam und Deutschland. Boateng ist Deutscher, Christ und Schwarzer. Das hatte mit dem Thema nichts zu tun.
EL: Wir haben über Cem Özdemir und Boateng gesprochen.
AG: Sie haben den Boateng da reingebracht, ich kannte den gar nicht. Zudem hätten Sie die Zitate freigeben lassen müssen, bevor sie die verwenden.
EL: Sie haben das nicht verlangt.
AG: Warum auch, es war ja ein Hintergrundgespräch. Herr Lohse, Sie haben mich reingelegt.
Eckard Lohse machte dabei keine gute Figur, und wir wollen ihn von nun an ausblenden.
… Gauland auch nicht
Aber auch der Auftritt Gaulands war, trotz des ersten Punktgewinns, streckenweise beklagenswert. Eine Debatte über die farbliche Zusammensetzung von „Die Mannschaft“, die in der Sendung immer noch fälschlicherweise als Deutsche Nationalmannschaft bezeichnet wurde, ist wahlstrategisch ein großer Unsinn, kurz vor einem EM-Anpfiff.
Dann hatte er einen Satz, den er auf einem Plakat gelesen hatte, für sich vereinnahmt. „Heute sind wir tolerant und morgen fremd im eigenen Land.“ Dass auch die NPD den Slogan schon mal verwendete, will er nicht gewusst haben.
Besonders machte der dritte Fall von Nichtwissen aus der Serie einen traurigen Zustand: Gauland habe Merkel eine „Kanzler-Diktatorin“ genannt, entrüstete sich Anne Will vorschriftsmäßig. „Nein“, bedauerte Gauland, der Höcke habe das erfunden. Er finde die Bezeichnung gut, habe sie aber nicht gesagt. Hatte er doch, wie ein Video bewies.
Hier machte Maas natürlich den Punkt: „Bei allem was er tut, weiß er nicht, was er tut.“
Mit großer Betroffenheit in der Stimme leitete Anne Will das Ende der Show ein: Es gibt sogar Morddrohungen gegen Politiker, auch gegen Sie, Herr Maas. Bescheiden wie im Provinztheater wiegelte der Minister ab. Um ihn gehe es doch gar nicht. Aber so schnell wollte ihm die Gastgeberin ihr Mitleid nicht entziehen: „Können wir denn gar nichts gegen Hetze und Drohungen machen?“
Da zeigte Hetzer Heiko sein wahres Gesicht. Stolz referierte er, dass ein Facebook-Hetzer zweieinhalb Jahre ohne Bewährung bekommt. Wer einen Menschen totfährt oder ins Grab prügelt, kommt mit einer Bewährung davon. Aber das sagte Maas nicht.
Nachtrag. Die Migrationsforscherin sagt, wir verharmlosen alle den Rassismus. Weil, wer den Islam kritisiert oder auch nur die Einwanderung in Frage stellt, ist auch ein Rassist. Der Rassist ist der neue Nazi. Er hilft, jede unerwünschte Kritik stumm zu machen.