Auf Initiative grüner Vertreter will der Bundesrat, dass Neufahrzeuge zukünftig unterhalb einer Geräuschemission von 80 Dezibel (db/A) liegen. Das entspricht in etwa der Lautstärke eines benzingetriebenen Rasenmähers oder eines Lkws. Man möchte, dass die Polizei Fahrzeuge bei “gravierenden Lärmüberschreitungen“ sofort sicherstellen darf. Im Blick hat man dabei wohl vor allem Motorräder bzw. das Geräusch-Tuning, mit dem manch durchgeknallte Biker den Sound ihrer Maschinen hochpushen. Darüber hinaus hat die Länderkammer konkrete Pläne, nach denen das Motorradfahren von den einzelnen Bundesländern an Sonn- und Feiertagen verboten werden könnte. Die Entschließung des Bundesrats vom 15. Mai 2020 geht nun an die Bundesregierung. Diese entscheidet, ob und wann sie die Anregung umsetzen will. Feste Fristen gibt es hierfür nicht.
Ober-Initiator dieser Entschließung war Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Dieser zeigte sich am 15. Mai denn auch zufrieden. In die Zukunft blickend meinte er: „Aber wir sind noch nicht am Ziel angelangt. Auch, wenn Land und Kommunen alles ausschöpfen, was gesetzlich möglich ist, muss deutlich mehr getan werden.“ Dafür will er gegebenenfalls sogar die EU bemühen. Dass der Bundesrat diesem grünen Begehren folgte, hat übrigens mit der mittlerweile seltsam anmutenden Konstellationen in der Länderkammer zu tun: Die Grünen sind über elf Landesregierungen dort vertreten (exakt ebenso wie jeweils CDU/CSU und SPD). FDP und Links-Partei dreimal, Freie Wähler einmal.
Wie nicht anders zu erwarten und in nahezu allen Politikfeldern üblich, wartete man auch mit „wissenschaftlichen“ Expertisen gegen den Motorradlärm auf. Der „Lärmwirkungsforscher“ Dirk Schreckenberg (Hagen) sieht die Bundesrats-Entschließung als einen Schritt in die richtige Richtung. Denn der Motorradlärm sei ein großes Problem.
Trotz der Dominanz des Corona-Problems blieben die heftigen Reaktionen gegen die Entschließung der Länderkammer nicht aus. Der Bundesverband der Motorradfahrer (BVDM) sieht Verkehrslärm zwar ebenfalls als Problem – fordert aber, dass bei der Problemlösung alle Fahrzeuge einbezogen werden. „Was wir ablehnen und nicht nachvollziehen können, ist die einseitige Fokussierung beim Thema Lärm auf die Motorräder“, sagte der Vorsitzende Michael Lenzen. „Hier sehen wir ganz klar eine Diskriminierung der Motorradfahrer.“
Richtig: Es ist ein Unding, Millionen Motorradfahrer unter Generalverdacht zu stellen, statt die Spinner samt ihrer Maschinen aus dem Verkehr zu ziehen. Wenn die Polizei in der Lage ist, Bürger ohne Corona-Schutzmaske dingfest zu machen, müsste das mit den einschlägig auffälligen Motorradrowdys doch auch möglich sein. Ein Leserbriefschreiber bringt es markant auf den Punkt: „Zieht die Assis aus dem Verkehr und nehmt nicht alle in Sippenhaft!“
Und nicht nur am Rande sei angefügt: Es geht hier nicht nur um klassisch-grüne Volks- und Verbotspädagogik. Vielmehr hat die Sache auch einen gewichtigen wirtschaftlichen Aspekt. Es gibt in Deutschland nämlich rund vier Millionen Motorradfahrer. Die Zahl der Motorräder dürften deutlich über vier Millionen liegen, schließlich hat der eine oder andere „Biker“ je eine Maschine zum Reisen und zum „Posen“. 2019 wurden in Deutschland 113.000 Motorräder neu gekauft, der Marktführer BMW hatte einen Anteil von 22 Prozent, alle „Japaner“ (Honda, Kawasaki, Yamaha, Suzuki) zusammen von 35 Prozent. Beschäftigt sind in Deutschland in der Motorrad-Branche rund 130.000 Menschen. Alles zusammen ergibt einen Jahresumsatz von rund 12 Milliarden Euro. Kein Pappenstiel!