Mittwoch, das Corona-Debatten-Karussell ist also wieder bei Maischberger angekommen. Dieses Mal mit Spezialisierung auf staatliche Hilfen im Zuge der Krise. Mit dabei sind der unvermeidliche Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern, der sich – jedenfalls fühlt es sich so an – ein Beliebtheitsrennen zu liefern scheint mit dem Kollegen aus NRW, mit Armin Laschet.
So erwartbar der Auftritt von Söder sein wird, so neugierig werden viele auf einen viel selteneren Gast sein: Jörg Meuthen, der Bundesvorsitzende der AfD, hat mit seinem harten Besen, mit dem die erfolgreiche Ost-AfD auskehren will eine vollkommen Corona-freie Debatte angestoßen. Das wird sich Maischberger sicher nicht entgehen lassen.
Die Anstandsbeisitzer sind dieses Mal Lamya Kaddor, eine Islamlehrerin von Gnaden der türkischen Religionsbehörden , Christiane Hoffmann vom Spiegel und Werner Bartens von der Süddeutschen. Deutschland könne stolz sein, wird Bartens quasi vom Schoß der Kanzlerin herunter erzählen. Wo war er zuletzt noch Mal? Bei Hangar 7 in Österreich? Dort hat er sich als Merkel-Fan für das Heimspiel qualifiziert. Das Trio ist unangenehm, vorlaut, besserwisserisch. Aber vor allem bei der Süddeutschen und beim Spiegel eine Arroganz der Besserverdienenden, von denen man doch sicher weiß, dass sie über Einschränkungen reden, die sie kaum betreffen werden.
Ach so: Dass vor Maischberger die dank Zwangsgebühren volkseigenen Tagesthemen die Zuschauer noch auf Merkellinie trimmen, muss hier nicht mehr extra erwähnt werden. Hier als absolutes Highlight aus der medialen Folterkammer eine im Wortsinne stumpfsinnige Kommentatorin, die den dummen, weißen, alten Männern vor Vatertag noch „die Wurstschnecke für 79 Cent“ madig macht, weil diese nur durch Ausbeutung von Rumänen so billig zu haben sei. Aber für regionales Gemüse sind sie dann wieder gut, die europäischen Kollegen? Da dürfen sie pflücken und sich bücken auf den Feldern und den Spargel für den vegetarischen Tisch stechen? Der darf natürlich nicht zu teuer werden, dafür muss auch der Rumäne an und für sich Opfer bringen, nur nicht für die Wurst. So findet sich im Öffentlich-Rechtlichen immer wieder eine Hobby-Pastorin, die solche Kommentare als persönlichen Fetisch nutzt und die dabei nur – ganz schnell Knoblauch holen – wie Katrin Göring-Eckardts aus Massenproduktion wirken.
Also Maischberger, die Hauptspeise nach der Vorspeise.
Markus Söder ist aus Nürnberg zugeschaltet. Er ist sich für Bayern sicher: „Wir können jetzt Infektionsketten verfolgen.“ Anfangs wäre es nicht möglich gewesen, diese zu kontrollieren. Was erkennbar falsch ist: die ersten Corona-Opfer, Mitarbeiter eines in China produzierenden Zulieferers, wurden identifiziert und ihre Kontakte isoliert. Nur kam dann eben Karneval und die Hochmut, dass die beste Bundesregierung in Tateinheit mit der allerbesten Landesregierung alles im Griff habe. Hatten beiden nicht und die Ketten lösten sich, die Pandemie nahm ihren Verlauf. Jetzt brüsten sich die Könner, die nur Verzögerer waren und auf die Vergesslichkeit der Journalisten bei Maischberger setzen dürfen.
Söder verschiebt das Schlachthofthema, die Infektionen bei Billig-Löhnen für die Vatertags-Schnecke einfach mal auf die EU-Ebene. Wenn es gerecht zugehen soll, müssen Verbesserungen auch für ganz Europa gelten. Stimmt natürlich auch. Entledigt aber nicht von Verantwortung.
Angesprochen auf die Demonstrationen gegen die Maßnahmen der Regierung fällt Söder nur ein, man müsse eben auch geistige Distanz wahren, nicht nur körperliche. Der bayerische Ministerpräsident möchte nicht, erklärt er weiter, dass es so aussehen soll, als versuche man das Versammlungsrecht einzuschränken. Warum aber insbesondere er selbst mit seinen ätzenden Verbalnoten die dort Versammelten regelmäßig diffamiert – diesen Widerspruch kann er nicht erklären. Muss er auch nicht, weil er nicht darauf angesprochen wird. „Ok, aber sie suchen das Gespräch nicht mit den Demonstranten“, fällt Maischberger dazu nur ein. Warum auch sollte ein Regierender, der Grundrechte gewährt oder einkassiert, ganz wie er es braucht, mit diesem komischen Volk reden?
Und dann – man will es kaum glauben – bekommt der Kollege der Süddeutschen noch einen Verbalorden für seinen Beitrag angereicht: „Das hat Herr Bartens schön, schön dargestellt.“ Ein Magenbitter, bitte! Und gleich noch einen, wenn es munter so weitergeht: „Bei uns im Landtag hat die Opposition – bis auf die AfD – großartig mitgearbeitet mit guten Vorschlägen, da hat jeder ein Dankschön verdient.“ Ja, das sind wirklich Helden der Politik, diese Oppositionellen (bis auf die AfD) in Deutschland. Alle machen mit oder schreiben mit wie es dem Chef gefällt. Wann war das genau so schön für die Regierenden zuletzt?
Das alles klingt aus Söders Mund noch einmal viel schlimmer, als es bei jedem Linken oder Grünen klingen würde, einfach weil weniger erwartbar und noch mehr mit dem Ruch von Machtpolitik und Eigeninteresse behaftet.
„Es ist für die Demokratie nicht gut, wenn Werte so überragend sind“, hängt er noch an und meint damit die eigenen. Wo bleibt Maischberger? Sie freut sich einfach mit dem Bayern und lässt ihn reden und reden und reden. „Wann rechnen Sie denn mit der zweiten Welle?“, huscht es ihr dann doch noch raus. „Das kann keiner sagen.“
Und dann verbietet sich der bayerische Ministerpräsident noch Angriffe und Kritik gegen Virologen, Epidemiologen und Mediziner. Maischberger ist hier leider mal wieder auf niedrigem Niveau angekommen und Jörg Meuthen war noch gar nicht dran.
Werner Bartens von der Süddeutschen weiß noch, dass Leuten, denen das Koordinatensystem verloren gegangen ist, wohl schon vorher keines hatten. Fremdscham auf ganzer Line für solches Maß an Selbstgefälligkeit nebst anhaltender journalistisch schlechter Leistung. Wir freuen uns mit ihm auf die Zeitungsgebühr aus der öffentlichen Kasse, um die er sich bemüht um seinen Arbeitsplatz zu retten. Wir können gönnen.
Nun kommt endlich der späte Höhepunkt. Jörg Meuthen und der Fall des AfD-Bundesvorstands Kalbitz, also diese angebliche Reinigung der AfD, die allerdings aus dem Blick des Ostens herüber auch nur als ein neidischer Angriff der viel weniger erfolgreichen Parteigenossen aus dem Westen verstanden werden dürfte. Tatsächlich: Ginge es nur um Machtpolitik und Stimmenfang, dann müsste sich ja eigentlich die Ost-AfD von der West-AfD trennen. Was sagt West-AfD-Mann Meuthen dazu, wenn vorab Björn Höcke eingespielt wird, der von Verrat spricht und Jörg Meuthen meint, ihm Spaltung und Zerstörung der Partei vorwirft, die er nicht zulassen werde?
Meuthen betont zudem, dass es sich gar nicht um einen Parteiausschluss handeln würde, sondern es sei „eine Annullierung der Mitgliedschaft.“ Na, da werden sich die SPD mit ihrem Herrn Sarrazin und die Grünen mit ihrem Herrn Palmer wohl eine ordentliche Scheibe abschneiden können, denn die bekommen ihre beiden nicht so leicht los.
Und dann erinnert Meuthen an einen Redebeitrag von Kalbitz beim sogenannten Kyffhäuser Treffen des „Flügels” der AfD, der Beitrag sei indiskutabel gewesen. Da allerdings war Meuthen auch anwesend – hat er sich damals darüber beschwert? Meuthens Informationen über eine rechtsextreme Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz hätte er u.a. vom Verfassungsschutz, der würde diese Beweise aber nicht rausrücken. Und Meuthen sagt dann schon sehr andeutungsschwanger, er wisse schon, warum.
Worauf spielt er hier an? Am Ende sogar auf Spitzeldienste für den VS? Aber von wem und auf welcher Seite des Tisches? Es wird immer kurioser, was Meuthen da angestoßen hat, nicht nur in der AfD, sondern auch hier bei Maischberger. Der Schlingerkurs macht seekrank.
Dann sticht Maischberger aber doch noch zu und zitiert Meuthen auf dem Kyffhäusertreffen, der da über Kalbitz gesagt haben soll: „Das ist ein hochgebildeter und hochreflektierter Mann.“ Das sei tatsächlich so, bestätigt wieder Meuthen und trägt weiter zur allgemeinen Verwirrung bei.
Der Verfassungsschutz säße auch der Gesamtpartei im Nacken, erinnert Maischberger. „Wir kritisieren den Verfassungsschutz nicht nur harsch (…) sondern wir gehen auch rechtlich dagegen vor“, sagt Meuthen zum viele hundert Seiten langen Papier der Behörde über die AfD. Die wertenden Aussagen in diesem Gutachten wären durchgehend falsch. „Der Verfassungsschutz habe keine Grundlage für eine Gesamtbeobachtung der Partei.”
Anders als Höcke hätte er, Meuthen, an der Programmatik seiner Partei mitgearbeitet. „Sie werden dort nicht Extremes finden.“ Es seien „eher Herr Höcke und die seinen, die einen anderen Spin der Partei wollen.“ Und diesen Spin beschreibt er der über soviel Offenheit überraschten Moderatorin: „Es geht in eine nationalistische, völkische, gesellschaftspolitische Position, und wirtschaftspolitisch geht es eindeutig Richtung Sozialismus. Beides ist in der Programmatik meiner Partei nicht vorgesehen.“
„Die AfD ist meine Partei, sie war meine einzige Partei und sie wird meine einzige Partei bleiben. Es wird für mich danach keine andere Partei geben.“ Das klingt dramatischer als man es sonst von Meuthen gewöhnt ist. Küchenpsychologen haben hier sicher ihre Deutungsfreude. Meuthen möchte die Corona-Krise nicht für innerparteipolitische Scharmützel nutzen, warum gerade er es dann trotzdem macht, bleibt er dem Zuschauer schuldig.