Eltern kennen das und Kinderlose vielleicht noch aus der Erinnerung der eigenen Kindheit: Am Muttertag bringen die Grundschüler allerlei Gemaltes mit aus der Schule, die Lehrerinnen haben einen Text über die „Liebe Mutti“ an die Tafel gemalt, der dann von den Kindern abgeschrieben und individuell ummalt wurde. Seltener – weil aufwendiger – werden auch Bastelarbeiten in der Schule gefertigt und stolz am Muttertagsmorgen dem Frühstücksgedeck der Mutter beigelegt. Eine Tradition, die sich auch unter der Last diverser Gender-Aspekte erstaunlich gut gehalten hat.
Nun muss man allerdings jene Schule mit der Lupe suchen, wo so ein Aufwand auch für den Vatertag betrieben wird. Sind die Kinder mit zunehmendem Alter und Richtung Pubertät schon am Muttertag schlampiger in ihrem Bemühen um ein paar mit einem gewissen Zeitaufwand gefertigte Liebesgaben, führt der Vatertag ein echtes Stiefkinddasein. Aus der Schule kommt nichts und auf den letzten Drücker muss Mama oft für die Kleinen noch zum Penny fahren, um noch irgendwas zu kaufen, das sich einigermaßen sinnvoll als Vatertags-Geschenk einpacken lässt. Süßigkeiten oder ein noch schön blutig aussehendes Steak ersetzen hier mit zunehmendem Alter des Beschenkten die früher inflationären Tabakwaren und lustigen Alkoholgeschenke – mit „Schlüpferstürmer“ bedruckte Schnäpse in kleinen quietschbunten Fläschchen von Mama im 2-Meter-Abstand-Kassenbereich noch im Schnellgreifreflex-Modus mitgenommen.
Also immer vorausgesetzt, der Vater ist überhaupt noch dort gegenwärtig, wo auch die Kinder zu Hause sind. Sonst fällt es eben ganz flach, wenn nicht gerade der Besuchstag beim Vater auf Christi Himmelfahrt fällt.
Weil Väter das aber längst alles wissen, weil es schon Generationen von Vätern zuvor nicht anders erging, weil dem Vater schon so lange suggeriert wird, er wäre eh nur die schlechtere Mutter, weil das alles in Zeiten einer zunehmenden oder aus bestimmten Kreisen suggerierten Entbehrlichkeit des Brustbehaarten passiert, haben sich Männer eine eigene Tradition gebastelt, die so ganz dem Klischee entspricht, gegen das Männer doch eigentlich energisch opponieren müssten: Männer ziehen am Vatertag mit Bollerwagen übers Land, saufen was das Zeug hält, hören endlich die Musik, die sie zu Hause nicht hören dürfen und belästigen jedes junge weibliche Wesen, das ihnen über den Weg läuft, mit irgendwelchen infantilen Spielchen, die sie sich für diesen Vatertag ausgedacht haben. Warum diese Verhaltensweise mit Bollerwagen und Saufen in etwa derjenigen gleicht, mit der auch mancher gerade promovierte Doktor seinen neuen Titel feiert, weiß man nicht genau.
Was man aber weiß, ist, dass das Saufen am Vatertag eher eine Tradition der Nichtväter ist, der domestizierte Vater, der noch bei den Kindern lebt, würde einen Teufel tun, sich der Frau und Mutter zu widersetzen, die für den arbeitsfreien Tag längst andere Pläne hat, wie beispielsweise einen Familienausflug – ja, es soll sogar Väter geben, die von den Müttern ihrer Kinder an Himmelfahrt mit der Kinderbespaßung zwangsbetraut werden, schließlich sei ja „Vater“-tag, also ein Tag, an dem der Mann die Vaterrolle endlich mal einnehmen müsse. Frau macht dann Frauentag mit anderen Müttern und Mann zeigt Verständnis, weil sonst von irgendwoher aus der Ecke der Frau nur wieder weiteres Unheil droht. Feminine Dialektik in Reinkultur.
Das alles kann man Jahr für Jahr aufs Neue mit einem zwinkernden Auge beschreiben. Aber dieser eigentlich nicht ganz ernstzunehmende Kriegsschauplatz der Geschlechter steht unter den Corona-Einschränkungen noch einmal in einem ganz neuen Licht da. Die Bollerwagenfahrten fallen ins Wasser, Zusammenkünfte dieser Art sind verboten, exemplarisch vielleicht für eine umfassende Corona-Staatsdrangselierung.
Wie oft muss Vater den Mundschutz herunterziehen, wenn er fünf Flaschen Bier nicht hektisch auf Ex kippen will?
Am Vatertag werden Bollerwagenfahrer im Gelände härter bestraft als Mariuhana-Dealer am Wegesrand. Wer jetzt in Uniform Gebühren sammeln will, der stellt diesen Grüppchen mit Hundertschaften nach. Hochprozentige Bollerwagenfahrten – ob nun mit oder ohne das (früher?) obligatorische Deutschlandfähnchen – sind verboten.
Aber Gruppenspaziergänge mit bis zu fünf Personen sollen mittlerweile geduldnet werden – jedenfalls in Sachsen-Anhalt, wo bis zu fünf Leutchen auch aus unterschiedlichen Haushalten miteinander unterwegs sein dürfen. Die befreundeten Pärchen mit Nachwuchs dürfen also ebenso, wie die sich traditionell in Gruppen wohler fühlenden jungen Männer aus dem arabischen Raum.
Die Wetter-Apps melden zudem noch traumhaftes Wetter für den Vatertag. In Bayern sind die Innenbereiche der Gastronomien geschlossen. Aber wer bei Kaiserwetter nicht unter freiem Himmel sein Bier leert, dem ist nach bayrischer Lebensart sowieso nicht zu helfen – so denn stimmt, was die Weißbierwerbung uns vom Leben unter südlicherer Sonne erzählt.
Vatertag oder Männertag? Das ZDF spricht von „Herrentag“ und ist damit von einer Entscheidung entbunden. Auch die Welt gefällt sich darin, ihren Lesern mitzuteilen, was an Vatertag erlaubt und was verboten ist. Aber ein kommentierender Leser namens Marc S. will wieder alles besser wissen und macht der Welt eine lange Nase: „Einfach zuhause feiern. Was kaum jemand weiß, da es Medien und Politik anders kommunizieren: die Coronaverordnungen gelten nur im öffentlichen Raum. Zuhause darf man auch Orgien mit 20 Leuten feiern, und die Polizei darf nicht mal klingeln. Hat mir mein Ordnungsamt schriftlich betätigt.“
Das kann allerdings nicht ganz stimmen oder ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, schaut man sich diese verstörenden Videos von Polizeieinsätzen in Wohngemeinschaften an. Ganz findige Bollerwagensüchtige haben aber sicher längst eine Demo angemeldet und dürfen dann – Sicherheitsabstand vorausgesetzt – hochoffiziell mit bis zu 50 Mann durchs Gelände bollern.
Oder aber man legt die Neuregelung von zwei Haushalten so aus, dass eben auch zwei Wohngemeinschaften oder gar studentische Verbindungshäuser als solche verstanden werden, dann ist die Party gebongt und die eine oder andere Grenzüberschreitung sicher möglich.
Nur Mecklenburg-Vorpommern sollte man dabei nicht versehentlich betreten, denn dann könnte es teuer werden: das Bundesland ist für Tagesausflügler aus anderen Bundesländern eine neue innerdeutsche No-go-Area. Und das nicht nur für Vatertag feiernde Männer.