Wer derzeit angesichts der beginnenden Wirtschaftskrise in der EU die Medien zum Thema Rettungspolitik liest, hört und sieht, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die EZB wirft erneut die Druckerpresse an und beschließt, über die Banken 750 Milliarden EURO in den europäischen Finanzmarkt zu pumpen. Fast zeitgleich beschließen die EU-Finanzminister eine Reaktivierung und Ausweitung der Rettungsschirme, die nach der letzten Finanzkrise aufgespannt wurden, um überschuldeten Ländern die Insolvenz zu ersparen. Auf diesem Wege sollen weitere Milliarden in drei- bis vierstelliger Höhe locker gemacht werden. Und schließlich wollen der französische Präsident und die deutsche Bundeskanzlerin den EU-Haushalt um zusätzliche 500 Milliarden EURO aufstocken, die an notleidende Mitgliedstaaten verteilt werden sollen.
Da die EU-Kommission anders als die EZB selbst kein Geld drucken kann und die Staatskassen der Mitgliedsländer entweder schon leer sind oder sich aufgrund des Corona-Shutdowns gerade zu leeren beginnen, sollen für den umgestalteten Rettungsschirm und den Fonds von Macron und Merkel an den internationalen Finanzmärkten Schulden aufgenommen werden, für die alle Mitgliedsländer, allen voran Deutschland, haften. Die Empfänger der Gelder hingegen sollen diese zu einem erheblichen Teil nicht als rückzahlbare Kredite, sondern als Transferzahlungen erhalten, die nicht zu erstatten sind.
Angestrebt wird offenkundig eine Art Länderfinanzausgleich, wie es ihn zwischen den deutschen Bundesländern schon lange gibt. Legitimiert wird er von seinen Betreibern als zeitlich begrenzte Sondermaßnahme gegen eine unerwartete Wirtschafts- und Finanzkrisekrise, die die Mitgliedsländer laut den Betreibern alleine nicht bewältigen könnten. Ein weiteres Ziel der Gestalter der diversen Rettungspakete besteht wohl zusätzlich darin, die Gelegenheit des Corona-Schocks beim Schopf zu packen und mittels einer weitreichenden Schulden-Vergemeinschaftung einen weiteren Schritt in Richtung einer dauerhaften Transferunion zu unternehmen.
Gesetzt wird dabei nicht auf die bestehenden EU-Verträge, die diesem Ziel eher im Weg stehen, sondern auf die Macht des Faktischen, die im Bereich der Wirtschaft und der Finanzen in Krisenzeiten bekanntlich ihre besondere Wirkung entfaltet. Ein Procedere, das die Eurokraten in Brüssel und ihre Mitspieler in den Mitgliedsländern auf ihrem Weg hin zu einer „ever closer union“ inzwischen bestens beherrschen. Ebenso ehrlich wie treffend beschrieben hat dies der ehemalige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit seiner bekannten Aussage: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“
Nach diesem bewährten Muster haben offenkundig auch Macron und Merkel ihren Corona-Rettungsfonds in den Raum gestellt und warten nun zunächst einmal ab, was sich innerhalb der EU so tut. Auf Kritik stoßen könnte ja nicht nur ihr Wunsch, die Gelder nicht als Kredite, sondern als Transferzahlungen an einzelne Länder zu verteilen, die andere Länder finanzieren. Kritisiert werden könnte auch, daß den EU-Rettungspolitikern angesichts einer einbrechenden Wirtschaft nur einfällt, die Staatsverschuldung in unermessliche Höhen zu treiben, um so ihrem Ziel einer in Brüssel zentralisierten Finanz- und Wirtschaftspolitik näher zu kommen. Gleichzeitig bleibt die Frage notwendiger Einsparungen in den Staatshaushalten und dem EU-Haushalt, vor allem bei den konsumtiven Ausgaben, völlig außen vor. Ganz im Gegenteil wird der Öffentlichkeit seitens der Bundesregierung signalisiert und versprochen, in der Krise könnten alle staatlichen Ausgaben sogar gesteigert werden – wohl um die Bürger angesichts anstehender Wahlen möglichst bei Laune zu halten.
Ihnen soll wohl eingeredet werden, die sich anbahnende wirtschaftliche und finanzielle Krise ließe sich lösen, ohne daß der Staat an irgendeiner Stelle seine eigenen Ausgaben zu reduzieren hätte, da er sich problemlos verschulden und so sogar die Ausgaben anderer EU-Länder finanzieren könne. Dies steht allerdings nicht nur zu den Erfahrungen der Bürger mit vergangenen Wirtschafts- und Finanzkrisen, sondern auch zu ihren Erfahrungen mit den Möglichkeiten ihrer privaten Haushaltsführung in diametralem Widerspruch. Ebenso widerspricht die Botschaft von der wundersamen Krisenlösung ohne Sparmaßnahmen dem Vorgehen von Unternehmen, wenn diese, wie jetzt wieder, in eine wirtschaftliche und finanzielle Schieflage geraten.
Investitionen in neues Wachstum werden in einer solchen Situation dort zwar auch forciert, wenn nötig und möglich auch über zusätzliche Schulden; gleichzeitig werden aber so schnell wie möglich unnötige Ausgaben gekappt und eingespart. In den großen Unternehmen in Deutschland gilt deswegen derzeit wieder einmal die Devise „Cash Protection“. Durch gezielte Einsparungen bei Personalkosten, Reisekosten, Materialkosten, externen Dienstleistern und Gewinnausschüttungen werden unter anderem Ausgaben in Forschung und Entwicklung oder Digitalisierung finanziert, die den Unternehmen dabei helfen sollen, sich wirtschaftlich zu erholen.
Von einem solchen auf Sparsamkeit und Investition ausgerichteten Vorgehen will Kanzlerin Merkel zusammen mit Präsident Macron und Kommissionspräsidentin von der Leyen offenkundig nichts wissen. Die vermeintliche Lösung der sich anbahnenden Wirtschafts- und Finanzkrise liegt aus deren Sicht allein in schuldenfinanzierten Ausgaben, nicht im Sparen. Von der „schwäbischen Hausfrau“ der letzten Krise ist insofern nichts übrig geblieben, ohne dass sie den Bürgern bislang erklärt hätte, warum.