Tichys Einblick
#Metoo und Joe Biden

Zweierlei Maß beim Umgang mit sexueller Belästigung

Die Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegenüber dem Kandidaten der Demokraten Joe Biden werden wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl in den USA in vielen amerikanischen Medien heruntergespielt - eine anschauliche Parabel für den „doppelten Standard“, wie der Causeur findet.

imago images / ZUMA Wire

Nach dem Ausscheiden von Bernie Sanders aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur richten sich nun alle Augen auf Joe Biden. Doch seit einigen Wochen mischen sich unappetitliche Meldungen unter die Begeisterung für den 77-Jährigen. Der ehemalige Vizepräsident von Barack Obama wurde des sexuellen Missbrauchs beschuldigt, genauer gesagt, einer bestimmten Form, die als „Vergewaltigung“ gilt: der Beschuldigte soll einer früheren Mitarbeiterin vor 27 Jahren unter anderem unter den Rock gefasst haben. Es ist die Geschichte eines Mannes, die nach dem altbekannten Sprichwort verläuft: Wer anderen eine Grube gräbt…, wie das französische Magazin Causeur herausstellt. Man könnte das Geschehen auch als „Messen mit zweierlei Maß“ bezeichnen.

Lügen vor dem Kongress

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Seit einigen Wochen stehen „Demokraten und Mainstream-Medien im Kreuzfeuer der Kritik von Fox News und Konservativen aufgrund der ungleichen Behandlung in Bezug auf Vorwürfe der sexuellen Belästigung“. Man erinnere sich: Im Jahr 2018 war Brett Kavanaugh der von Donald Trump unterstützte Kandidat für das Richteramt am mächtigen Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, „dessen Mehrheit an Richtern aus dem konservativen Lager dadurch nach 40 Jahren eine eher progressive Mehrheit kippen konnte“. Kurz vor den Senatsanhörungen zu seiner Bestätigung beschuldigte Christine Blasey Ford den Anwärter des sexuellen Übergriffs, als er 17 Jahre alt gewesen sein soll. Ohne noch nicht einmal die Glaubwürdigkeit der Quellen zu überprüfen, seien „die anzüglichsten Äußerungen gegen ihn publiziert worden“. Die Medien hätten ehemalige Mitschüler mit Fragen bedrängt, sein Adressbüchlein und sein Hausaufgabenheft mit Schuljungenwitzen veröffentlicht sowie Erklärungen weiterer Frauen verbreitet, alles mit dem Ziel, ihm „ein gewalttätiges und aggressives Verhaltensmuster gegenüber dem weiblichen Geschlecht zu unterstellen. Doch vergeblich. Die Anschuldigungen sind nacheinander zusammengebrochen, insbesondere die von Julie Swetnick vorgebrachte Unterstellung einer Gruppenvergewaltigung, was ihr die Verweisung an ein Gericht wegen ‚Lügen vor dem Kongress‘ einbrachte“.
Wütende Demonstranten auf dem Capitol Hill

Ohne irgendeinen Beweis forderten die Demokraten damals den Rückzug Kavanaughs von seiner Kandidatur und nahmen an wütenden Demonstrationen auf dem Capitol Hill teil.

Im umgekehrten Fall aber „stürzten sich dieselben Leute, die an vorderster Front standen, um Gerechtigkeit für Christine Blasey Ford zu fordern, auf die Verteidigung Bidens“. Sie sagten, dass sie Tara Reade nicht glaubten, die Biden beschuldigte, sie 1993 in einem Untergeschoss des Kapitols sexuell angegriffen zu haben: Christine Ford „musste aufs Wort geglaubt werden, während Reade vor den Aussagen dessen weichen müsse, den sie bezichtigt“.

Doch, so stellt der Causeur fest, die Akte von Tara Reade scheine „etwas fundierter als die von Ford zu sein“. Reade hatte für Senator Biden gearbeitet, und sie hatte über seinen Angriff (ohne jedoch Einzelheiten mitzuteilen) zur Zeit des Ereignisses mit mehreren Personen gesprochen. Die von Ford angeprangerten Taten reichten bis 1982 zurück – „sie sind trotz einer Untersuchung des FBI 36 Jahre nach den Vorfällen von keinem einzigen Zeugen bestätigt worden!“

Die neue Norm gilt nicht mehr

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Nach der Verbreitung der #MeToo-Kampagne und der „Kavanaugh-Affäre“ versuchten „Demokraten, Aktivisten und etablierte Medien die traditionelle rechtliche Vorgehensweise umzustürzen, die sich auf die Vorstellungen von Unschuldsvermutung, Beweislast, kontradiktorischer Erörterung und Verjährung gründet“. Man habe einen Menschen vernichten und ihn aus dem gesellschaftlichen Leben auf Grundlage einer bis in seine Jugend zurückreichenden Aussage ausschließen wollen. Die Demokraten, und an vorderster Front Biden, hätten versucht, das zu etablieren, was sie als „neue Norm“ bezeichneten, die darin bestand, „allen Frauen zu glauben“, die sich zu Opfern von sexuellen Belästigungen erklärten, und sie als „Überlebende“ zu bezeichnen, um damit einen Zusammenhang mit den Überlebenden eines Genozids herzustellen. Doch diese „neue Norm“ sei „in Stücke gesprungen, da es ja um Biden geht, der der Gegner von Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl im November ist“. Die demokratischen Abgeordneten hätten ihren Kandidaten sogar schon verteidigt, obwohl er sich zu der Sache noch nicht geäußert hatte. Drei sehr lange Wochen seien zwischen den Beschuldigungen Reades und dem ersten Interview von Biden zu diesem Thema vergangen. Während dieser Zeit habe der wiederholten Male von den großen Fernsehsendern im Rahmen seines Wahlkampfs befragte Biden auf keine einzige Frage über Reade antworten müssen, „während die Medien Kavanaugh vom ersten Tag an hemmungslos unter Trommelfeuer genommen hatten“.

Gezeigt werde damit „einmal mehr die Voreingenommenheit und Heuchelei der großen amerikanischen Medien sowie der Schwindel eines irregeleiteten Feminismus, der sich nur sehr selektiv – von Fall zu Fall und je nach dem politischen Interesse des Augenblicks – einer Sache widmet“, konstatiert der Causeur.


Dieser Beitrag erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur, der wir für die freundliche Genehmigung zur Übernahme danken.

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