Tichys Einblick
Re-Start der Fußball-Bundesliga

Profiteur der Geisterspiele – Der Rubel in der Sportwettenindustrie rollt wieder

Der Neustart der Bundesliga ist auch eine Renaissance der Sportwetten. Das weltweite Verbot von Sportveranstaltungen brachte auch dieses Milliardengeschäft völlig zum Erliegen. Nach “rien ne vas plus” heißt es nun “Jetzt geht's los”.

imago images / Moritz Müller

An diesem Wochenende ist die deutsche Bundesliga der sportliche Nabel der Welt. Als erste Profiliga weltweit nimmt sie wieder ihren Betrieb auf. Die 17 Geisterspiele der beiden Ligen (das Spiel der Dresdner in Hannover wurde aufgrund von positiven Tests einiger Dynamo-Spieler abgesagt) werden in mehr als 200 Ländern zu sehen sein. Mehr als eine Milliarde Menschen werden dann in die menschenleeren Stadien blicken und sich fragen, ob das noch Fußball ist oder direkt weg kann. 

Fast 50 Prozent der Deutschen haben sich in mehreren repräsentativen Umfragen gegen Geisterspiele ausgesprochen, doch die Interessen der Bürger oder auch der Spieler zählen nicht. Es geht ums liebe Geld und es geht um die Existenz zahlreicher Clubs, die es mit dem Wirtschaften in den vergangenen Jahren nicht so genau genommen haben. Es gibt eigentlich fast nur Verlier und wenn es einen Gewinner gibt, dann ist es die Sportwettenindustrie, die endlich wieder den Rubel rollen lassen kann. 

Umsatzrekord von 9,3 Milliarden Euro im Jahr 2019

Nach Angaben des deutschen Finanzministeriums machte die Sportwettenindustrie 2019 einen Umsatz von 9,3 Milliarden Euro. Nur Corona wird in diesem Jahr einen weiteren Rekord vermeiden. Der Staat konnte sich über mehr als 400 Millionen Euro Steuergelder erfreuen, obwohl er seit Jahren stets betont, dass Sportwetten in ihrer jetzigen Form nur geduldet, aber nicht legal sind. Doch das soll sich nun ändern.

Fußball-Bundesliga: Die Pleite könnte trotz Geisterspielen noch kommen
Im vergangenen Herbst wurde vollmundig angekündigt, dass zum 1. Januar 2021 ein sogenannter „Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag“ in Kraft treten würde. So soll eine zentrale Behörde der Länder den Markt überwachen: Jeder Nutzer darf maximal 1000 Euro pro Monat über alle Anbieter hinweg einzahlen dürfen. Außerdem sollen Buchmacher verpflichtet werden, alle Daten und Wetten ihrer Kunden der Behörde zu melden. Hört sich sehr dramatisch an, würde aber dann nur diejenigen Anbieter betreffen, die mit einer deutschen Konzession auf dem Sportwettenmarkt aktiv werden wollen. Will heißen: Das Gros der Anbieter wird seine Geschäfte weiterhin von Malta oder Gibraltar aus steuern und stützt sich auf reguläre EU-Lizenzen, wie sie zum Beispiel von der Malta Gaming Authority (MGA) oder von der Gibraltar Gambling Commission vergeben werden. Weitere Lizenzen für europäische Sportwettenanbieter werden durch die Behörden der Isle of Man und auch Schleswig Holstein ausgestellt, dem einzigen deutschen Bundesland, das seit 2011 einen Sonderweg geht und sich schon des öfteren mit dem Granden der anderen Bundesländer angelegt hat. 
Die Sportwettenanbieter sind omnipräsent

Trotzdem hat mit dieser Bekanntmachung ein Boom eingesetzt. Fast alle Wettanbieter witterten Morgenluft, endlich legal auf dem deutschen Markt aktiv werden zu können, und platzierten sich in der Bundesliga als neue Wettpartner oder Sponsoren. Alle 58 Clubs in den ersten drei Ligen haben seitdem mindestens einen Wettanbieter entweder auf der Brust, auf dem Ärmel, auf der VIP-Tribüne oder auf den Sponsorenwänden. Es wird geklotzt und nicht gekleckert. Deutschland ist nach England der zweitwichtigste Markt Europas. So überweist Branchenprimus Tipico dem FC Bayern München pro Saison mehr als 5 Millionen Euro, Sunmaker, ein junger Player auf dem deutschen Markt, macht zwei Millionen Euro als Hauptsponsor in Paderborn locker, unterstützt auch die Zweitligisten Osnabrück und Sandhausen. Hinzu kommen die Drittligisten Rostock, Magdeburg, Jena, Halle, Münster, Zwickau und Mannheim. Das gesamte Sponsoring beträgt mehr als 6 Millionen Euro pro Saison. 

Asiens Buchmacher entdecken den deutschen Markt

Während die Austragung der Geisterspiele in Deutschland für große Unmutsäußerungen sorgt, freuen sich die Fußball- und Wettfans in Asien auf die Fortführung der Bundesliga. Allein in China wurden nach Schätzungen im Jahr 2019 mehr als 100 Milliarden Euro umgesetzt. Zahlreiche chinesischen Wettanbieter nutzen die deutschen Bundesligaclubs für ihre Werbung und ihre lukrativen Wetten. Werder Bremen präsentierte im Sommer 2019 mit Tou Tou einen neuen Ärmelsponsor, der pro Saison 1,5 Millionen Euro überweist. Auch der VfL Wolfsburg (BallBet 1,5 Mio.), Bayern 04 Leverkusen (KB88 1,5 Mio.), Hertha BSC Berlin (Yabo Sports 2 Mio.), Mainz 05 (QQ288 1,4 Mio.) und der FC Augsburg (UC 体育 1,7 Mio.) haben mittlerweile asiatische Wettpartner. Im Gegenzug erhöht sich der Bekanntheitsgrad der deutschen Clubs in Asien und das ist nicht unerheblich für die Gelder aus der TV-Auslandsvermarktung der DFL. Bisher sind das rund 280 Millionen Euro pro Saison. Die Premier League in England ist schon ein großes Stück weiter und nimmt 1,8 Milliarden Euro ein.

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Die Zahlen lassen erkennen, dass die Sportwettenindustrie längst den Wirtschaftszweig Fußball am Leben erhält und mit den steigenden Umsatzzahlen auch die Sponsorengelder stetig wachsen. Doch klar ist auch: Ohne Fußball keine Wetten und somit auch keine neuen monetären Zuwendungen. Da hilft dann auch kein neuer Glücksspielvertrag mehr, den sich die Bundesregierung so sehnlichst wünscht, um auch noch ein größeres Stück vom Kuchen als die bisher knapp 400 Millionen Euro pro Jahr abzubekommen.

Übrigens: Am 1. April 2020 hat das Verwaltungsgericht Darmstadt das bundesweite Sportwettenerlaubnisverfahren bis auf Weiteres ausgesetzt. Ein österreichisches Unternehmen hatte erfolgreich geltend gemacht, dass das Verfahren nicht transparent und diskriminierungsfrei sei. Der Deutsche Sportwettenverband bedauerte dies inmitten der Coronakrise öffentlich, wusste aber auch, dass es dem Lauf der Dinge keinen Abbruch tut. Der Wettbewerb in dieser Milliardenindustrie bewegt sich längst im Dikicht der internationalen Internetgewässer und wird nicht vor der Politik in Berlin Halt machen, sondern nur vor einem erneuten weltweiten “Rien ne vas plus” in der Sportwelt.

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