Das hat der Referent im Bundesinnenministerium also nun davon: Gegen Stephan Kohn, Verfasser und Initiator einer Studie im BMI, wird ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das gaben Minister Horst Seehofer und sein Staatssekretär Hans-Georg Engelke in einer Pressekonferenz bekannt.
Dem Referenten sei empfohlen worden, sich eines Rechtsbeistandes zu bedienen. „Wir helfen ihm also“, sagt Seehofer dann sogar noch. Es gäbe schließlich auch eine „Fürsorgepflicht“. Soll der Referent etwa noch dankbar sein?
Spätestens nach dieser Aussage des Ministers hätte man von Journalisten, die dieser Pressekonferenz beiwohnten, eigentlich Nachfragen erwarten sollen. Zum Beispiel: Aber bedeutet das nicht, dass die Angaben der Experten und damit die Studie selbst doch mehr sind als nur eine „Meinung“ eines Ministerialreferenten? Oder hält der Herr Minister etwa Expertenaussagen nur dann für gewichtig, wenn sie mit seinem expliziten Segen abgefragt werden?
Möglicherweise ist Seehofer Staatssekretär so etwas in der Art auch durch den Kopf gegangen. Denn er sagte danach: „Es ist kein Problem des Inhaltes, also was gesagt wurde, sondern dass jemand, der bei uns arbeitet, sich unserer Kommunikationsmittel, des Briefkopfes bedient.“
Der Minister und sein Staatssekretär versuchen hier ganz offensichtlich den Eindruck zu erwecken, als sei der Referent auf Kosten des BMI irgendwelchen persönlichen und etwas abseitigen Interessen nachgegangen.
Nicht besonders ernst nehmen aber offensichtlich viele Journalisten ihre Aufgabe, das Handeln und Sprechen von Politikern, erst recht Ministern, kritisch zu hinterfragen und zu beleuchten, wenn es inkonsistent ist. Man hätte zum Beispiel auch einmal nachfragen können, was genau Seehofer unter den von ihm so genannten „geistigen Grundlagen“ versteht, auf denen seine Corona-Politik beruhe und die „überhaupt nicht diesem Papier“ entsprächen.
Erstaunlich ist die große journalistische Nachsicht mit dem Innenminister auch, da es sich um denselben Minister handelt, der vor nicht ganz zwei Jahren während einer Regierungskrise mit schwersten Vorwürfen und Rücktrittsforderungen aus der Presse zu tun hatte, weil er in einem „Masterplan Migration“ auch die Rückweisung bestimmter Migranten an der Staatsgrenze vorschlug und damit den Unmut der Kanzlerin hervorrief. Auf seine späten Ministertage darf Seehofer nun also das Wohlwollen nicht nur der Kanzlerin, sondern auch der Presse genießen.