Daniel Günther (46), CDU, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Merkel-Protege und Linksexponent der CDU, sieht sich urplötzlich in eine Affäre verwickelt. Um zu zeigen, dass auch ein Mann Marke „Lieblingsschwiegersohn“ und „eyerybodys darling“ hinlangen kann, feuerte er fristlos seinen Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU, 65). Zwar ließ Günther seinem Parteifreund Grote pro forma 30 Minuten Zeit, seinen Rücktritt zu erklären, aber die 30 Minuten wollte Günther dann doch nicht abwarten. „Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Innenminister“ sei ausgeschlossen, erklärte er umgehend.
Was die Abläufe in den letzten Apriltagen 2020 betrifft, muss Günther den Rauswurf und die Kabinettsumbildung schon in der Schublade gehabt haben. Immerhin war Günther von der Staatsanwaltschaft am 11. März und am 21. April über mutmaßlichen Geheimnisverrat unterrichtet worden. Umgehend ernannte Günther denn auch die bisherige Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack (62) zur Innenministerin und den CDU-MdL Claus Christian Claussen (59) zum Justizminister.
Aber nicht nur die Umgangsformen, sondern ein tatsächlicher oder vermeintlicher Fall von Geheimnisverrat lösten Irritationen aus. Hauptfiguren sind der Polizeibeamte und vormalige DPolG-Polizeigewerkschafter Thomas Nommensen sowie der Journalist Bastian Modrow der Kieler Nachrichten, mit denen Grote angeblich per WhatsApp kommuniziert habe. Diese Kommunikation, so Günther, hätten den Eindruck „großer Nähe zum Minister“ erweckt. Grote bestritt das, er betonte, er habe keinerlei vertrauliche Informationen weitergegeben. Bekannt ist allerdings auch, dass der Journalist Modrow und der Gewerkschafter Nommensen es gut miteinander können. Bei Nommensen gab es im Oktober 2019 auf Veranlassung des Polizeipfarrers Volker S. eine Razzia, weil Nommensen an Modrow unerlaubt polizeiinterne Informationen weitergegeben habe. Und wie sehr Modrow mit der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) verbunden ist, zeigt die Tatsache, dass er den von der Madsack-Gruppe gestifteten und ihm zugesprochenen „August-Madsack-Preis“ (dotiert mit 2.500 Euro) zur Hälfte an die DPolG spendete.
Nix Genaues weiß man nicht
Aber worum geht es überhaupt? Inhaltlich ist nichts Greifbares da. Warum fühlt sich Günther von Grote „mindestens zweimal“ belogen? Warum beobachtete die Staatsanwaltschaft die Kommunikation zwischen Grote hier sowie Nommensen und Modrow dort? Wurde Vertrauliches durchgestochen? Ging es um personelle Indiskretionen? Ging es um Vorteilsannahme auf der einen oder anderen Seite?
Nun also steckt Günther, seit 2017 Ministerpräsident der Kieler Jamaika-Koalition, mitten in einem unübersichtlichen Sumpf. Die Oppositionsparteien verlangen von ihm Aufklärung, die Deutsche Polizeigewerkschaft ebenfalls. Oppositionsführer Ralf Stegner fordert Akteneinsicht.
Hat sich der „Kümmerer“ Günther um zu viel gekümmert?
Dass es Günther nicht so ganz genau nimmt, wenn es um eigene oder um verwandtschaftliche Belange geht, weiß man. Da greift er schon auch mal zum Telefon, wenn eine Kommune einem von Günthers Onkel geplanten Radrennen die Genehmigung verweigert hat. Oder man nehme die Blitzkarriere eines gewissen Tobias Rischer (CDU-Mitglied), der im Herbst 2018, mehrere Besoldungsstufen überspringend, urplötzlich zum Abteilungsleiter im Kieler Landtag (Besoldungsgruppe B5) befördert wurde. Das Pikante daran: Rischer ist Günthers Bruder; Rischer heißt er, weil er den Nachnamen seiner Frau angenommen hatte.
Günther darf sich über die „Konservativen“ in der CDU ereifern, und er darf die „älteren Männer“ der CDU attackieren; gemeint sind Merz und Koch, beide sind zu diesem Zeitpunkt 63 und 61. Günther darf Robert Habeck (Grüne) rühmen, der rund ein Jahr Umweltminister in Kiel gewesen war, und über ihn schwärmen: „Er fehlt mir, weil er einen Politikstil hat, den ich mag“, sagte Günther über Habeck. Und weiter über Habeck: Er sei nicht ideologisch, sondern mache Politik aus Überzeugung. „Deshalb hat es Spaß gemacht, mit ihm zusammenzuarbeiten.“
Wenn das die Zukunft der CDU ist?!