Nun sagt also auch der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, diesen Satz: “Die Corona-Pandemie dürfte in Deutschland zur schwersten Rezession der Nachkriegszeit führen.“ Mit dieser Feststellung, an der kaum noch ein Ökonom oder sonst wer zweifelt, leitet er seine dramatischen Nachrichten auf der Pressekonferenz ein: „Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind erstmals in einem April gestiegen.“ Um 308 000 auf 2644000, also um 0,7 Prozentpunkte auf 5,8 Prozent. Sonst ist der April immer ein Monat sinkender Arbeitslosenzahlen, was der Vorjahresvergleich – plus 415 000 – verdeutlicht.
Besonders deprimierend ist Scheeles Satz: „Und die Nachfrage der Betriebe nach neuen Mitarbeitern ist regelrecht eingebrochen.“ Solche Worte aus Nürnberg ist man in Deutschland seit mindestens zehn Jahren nicht gewohnt. Einen so jähen Einbruch gab es in der Nachkriegszeit überhaupt noch nie. Im April waren 626.000 Arbeitsstellen bei der BA gemeldet, 169.000 weniger als vor einem Jahr. Saisonbereinigt hat sich der Bestand der bei der BA gemeldeten Arbeitsstellen um 66.000 verringert. Das Ausbleiben von Stellenneumeldungen schlägt hier vornehmlich zu Buche. Der BA-Stellenindex (BA X) – ein Indikator für die Nachfrage nach Personal in Deutschland – sank im April 2020 um 19 auf 94 Punkte. Er liegt damit 37 Punkte unter dem Vorjahreswert.
Und es wäre sicherlich noch sehr viel schlimmer gekommen, gäbe es für Unternehmen nicht die Möglichkeit der von der BA teilfinanzierten Kurzarbeit. Sie befindet sich nun auf einem noch nie dagewesenen Niveau. Im März und bis zum 26. April 2020 wurden bei den Agenturen für Arbeit 751.000 Anzeigen erfasst für insgesamt bis zu 10,1 Millionen Personen. Das heißt zwar nicht, dass diese Menschen schlussendlich auch alle kurzarbeiten werden. Nichts desto trotz ist das eine im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten nie da gewesene Zahl. Im gesamten „Krisenjahr“ 2009 gingen bei den Agenturen für Arbeit nur Anzeigen für 3,3 Millionen Menschen ein.
Die Kurzarbeit ist für den Fall einer kurzen Rezession mit baldiger Wiederkehr des Aufschwungs eine kluge Einrichtung. Da Entlassungen und schließlich auch Wiedereinstellungen für Unternehmen ein kostspieliges und mühseliges Geschäft sind, wird die Institution von Arbeitgebern wie -nehmern gleichermaßen geschätzt. Sie galt als ein Hauptgrund dafür, dass Deutschland die Finanzkrise besonders schnell und relativ glimpflich verarbeitet hat. In der gegenwärtigen Coronakrise ist allerdings erstens das Ausmaß des realwirtschaftlichen Einbruchs viel größer als 2009 und zweitens die Erwartung, dass es V-förmig schnell wieder bergauf geht nichts weiter als eine Hoffnung, die die Konjunktur-Propheten verkünden. Die Verwerfungen sind schon jetzt so schwer, dass sie nicht einfach mit der Lockerung von politischen Quarantänemaßnahmen aus der Welt geschafft sind.
Die Weltwirtschaft und die deutsche besonders standen auch vor der Corona-Krise schon am Ende eines langen Aufschwungs. Und dieser war nicht wirklich nachhaltig, sondern durch die Geldschwemmepolitik der meisten wichtigen Notenbanken und eine allgemeine Verschuldungstendenz sowohl privater als auch öffentlicher Haushalte befeuert. Für die ökonomischen Verwerfungen, die jetzt erst beginnen, sind nicht ausschließlich begründet durch das Coronavirus und die Maßnahmen dagegen, sondern durchaus struktureller Natur.
Mittelfristig, also nach Ablauf der 12-Monatsfrist für die Kurzarbeit, werden wir uns wohl auch in Deutschland auf die Rückkehr der Massenarbeitslosigkeit, wenn auch hoffentlich nicht in dem Ausmaß wie in den 1980er Jahren und in Südeuropa, gefasst machen müssen. Und sie wird auf einen (Sozial-)staat treffen, der aufgrund exorbitanter Verschuldung, sinkender Steuereinnahmen und nicht zuletzt gesamteuropäischer Ansprüche auf „Solidarität“ an die Grenze seiner Belastbarkeit kommen dürfte.