Im Schatten der Coronakrise wurde ein neuer Bußgeldkatalog verabschiedet. Die geänderte Straßenverkehrsordnung (StVO) gilt ab 28. April und sieht schon zum Beispiel für sehr geringe Geschwindigkeitsüberschreitungen und Parken in der zweiten Reihe deutlich teurere Bußgelder vor. Der Führerschein ist wesentlich schneller als früher weg. Bevorzugt werden Radfahrer, die künftig mehr Verkehrsanteile bewältigen sollen.
Im Einzelnen sieht die neue StVO folgende neue Punkte vor:
- Bis 10 km/h mehr kostet im Ort 30, außerhalb 20 Euro.
- 11 bis 15 km/h im Ort 50 Euro, außerhalb 40 Euro.
- 16 bis 20 km/h 70 innerorts, 60 Euro außerhalb.
- 21 bis 25 km/h innerorts zu schnell kostet neben einem Punkt einen Monat Fahrverbot.
Innerhalb von Ortschaften ist ab 21 km/h zu schnell der Führerschein einen Monat weg, früher ab 31 km/h. Auf der Autobahn ist er jetzt ab mehr als 26 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit weg. 55 Euro kostet das Abstellen von Fahrzeugen auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz sowie auf für E- und Carsharing-Fahrzeuge reservierten Parkplätzen. Das Parken oder Anhalten in zweiter Reihe kostet 55 Euro. Wer eine sogenannte Blitzer-App während der Fahrt nutzt, die vor Geschwindigkeitskontrollen warnt, muss 75 Euro bezahlen und sich einen Punkt in Flensburg gefallen lassen.
In seinen Maßnahmen ist kein Programm für Radfahrer vorgesehen, wie sie sich besser im innerstädtischen Verkehr bewegen und auch einen Blick für andere Verkehrsteilnehmer bekommen. Lastwagen sind größer und unübersichtlicher. Die Fahrer haben häufig kaum Chancen, Radfahrer, die im knappen Raum rechts überholen wollen, zu sehen. Auch ein Abbiegeassistent, wie er häufig gefordert wird, bietet keine absolute Garantie. Ebenso ist kein neuer Schutz von Fußgängern vor Radfahrern vorgesehen.
Kräftig ausgeweitet wird der Schilderwald. Es gibt einen grünen Rechtsabbiegepfeil nur für Radfahrer. Die dürfen dann – ähnlich wie beim grünen Rechtsabbiegen bei Autos – trotz roter Ampel dennoch rechts abbiegen. Es gibt ein neues Schild »Beginn einer Fahrradzone«. Danach dürfen Autofahrer nur noch maximal Tempo 30 km/h fahren und den Radverkehr weder gefährden noch behindern.
Ebenfalls ein neues Verkehrszeichen »Radschnellweg« haben sich die Verkehrsstrategen einfallen lassen. Radschnellwege enden allerdings häufig nach ein paar Kilometern im Sand oder im Nirgendwo. Ein Schild »Lastenfahrrad« zeigt an, wo Bereiche für Lastenräder freigehalten werden sollen. Ebenso gibt es ein neues Schild für Carsharing. Dafür wissen die Behörden aber noch nicht, wo diese Schilder aufgestellt werden sollen.
Als eine »Führerschein-Vernichtungsmaschine«, bewertet der Automobilclub »Mobil in Deutschland« den neuen Bußgeldkatalog. Die Verschärfung sei unverhältnismäßig und ohne Not entstanden. Der Straßenverkehr sei relativ sicher, noch nie habe es in Deutschland so wenig Verkehrstote wie jetzt gegeben.
Dem neuen Bußgeldkatalog fehle es »teilweise an Maß und Mitte«, sagt auch FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic. »Unpassend« empfindet er es, Falschparken auf einem Parkplatz für Elektroautos ebenso zu bestrafen wie auf einem Parkplatz für Schwerbehinderte. Beides kostet fortan 55 Euro. »Praxisfern und überzogen« sei ein einmonatiges Fahrverbot bei 26 Kilometern pro Stunde zu schnellem Fahren außerhalb von Ortschaften.
»Hier gilt es die zu überdenken, ob der neue Katalog in dieser Form wirklich ‚gerechter und sicherer ist‘ oder nur Geld in die Staatskassen spülen soll.« Jetzt müssten systematisch die 30er-Zonen in den Kommunen überprüft werden, ob sie verkehrspolitisch sinnvoll sind oder ob sie nur dem Abkassieren dienen.
Sicher dürfte sein: Anwälte mit Schwerpunkt »Verkehrsrecht« werden deutlich mehr zu tun bekommen. Die Einsprüche werden erheblich zunehmen, weil die Tempomesstechnik häufig genug nicht die hohen Anforderungen erfüllen kann und dieser neue Bußgeldkatalog verstärkt die Existenz von unter Zeitdruck stehenden Vielfahrern bedroht. Immerhin ist in vielen Fällen der Entzug des Führerscheins mit dem Verlust des Jobs verbunden. Eine sehr häufige Folge übrigens: Selbstmord.
Sollten Sie das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, kontaktieren Sie unbedingt die Telefonseelsorge. Unter der kostenfreien Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222 bekommen Sie Hilfe von Beratern, die Ihnen Hilfe bei den nächsten Schritten anbieten können. Hilfsangebote gibt es außerdem bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention. Im Netz gibt es – Beispielsweise bei der Stiftung Deutsche Depressionshilfe – auch ein Forum, in dem sich Betroffene austauschen können.